Hängebrücken sind architektonische Meisterwerke, die spektakuläre Landschaften überspannen und lebenswichtige Verkehrsverbindungen herstellen. Besonders in abgelegenen und klimatisch anspruchsvollen Regionen, wie etwa in Patagonien, werden diese Bauwerke einer ständigen Belastung durch Umwelteinflüsse und Verkehr ausgesetzt. Um die Sicherheit und Langlebigkeit solcher Brücken zu gewährleisten, sind präzise dynamische Messungen unabdingbar. Sie liefern fundierte Informationen über das Verhalten der Brücken unter wechselnden Lasten und Umgebungsbedingungen. Die dynamische Überwachung liefert dabei nicht nur Erkenntnisse für Inspektionen, sondern unterstützt auch die Optimierung von Finite-Elemente-Modellen und die Planung von Sanierungsmaßnahmen.
In diesem Kontext steht die Carretera Austral in Chile exemplarisch für innovative Messkampagnen unter schwierigen Bedingungen. Die ca. 1240 Kilometer lange Fernstraße durch Patagonien ist von beeindruckenden Hängebrücken geprägt, die teils weite Fluss- und Fjordüberquerungen mit freien Spannweiten von bis zu 150 Metern bewältigen. Ihr Erhalt ist von größter Bedeutung für die Anwohner und den Tourismus vielmehr noch, weil die Brücken essentielle Verbindungen für das dünn besiedelte Gebiet darstellen. Die Herausforderung beginnt bereits bei der Planung von Messkampagnen in abgelegenen Regionen.
Die Entfernung zu Hauptstadtzentren oder Städten mit technischer Infrastruktur erfordert eine gründliche logistische Organisation. Für die Brücken in der Region Aysén bedeutete das einen Transport von Messsystemen und Zubehör über rund 1400 Kilometer mit dem Auto. Aufgrund von Lieferengpässen und pandemiebedingten Verzögerungen mussten Zeitfenster optimal genutzt werden, denn der zeitliche Vorlauf für die Messungen betrug lediglich wenige Wochen. Die Auswahl der Messsensoren spielt eine entscheidende Rolle, denn die Detektion niedriger Frequenzen unter 1 Hertz bei gleichzeitiger Robustheit gegenüber Umwelteinflüssen ist komplex. Piezoelektrische Sensoren, die häufig in der Schwingungsmessung eingesetzt werden, sind aufgrund ihres fehlenden Gleichanteils für diese Anwendung weniger geeignet.
Stattdessen bieten MEMS- (Micro-Electro-Mechanical Systems) und Kraftbilanzen-basierte Sensoren unterschiedliche Vor- und Nachteile. MEMS-Sensoren überzeugen durch geringere Kosten, einfache Verkabelung und ausreichende Dynamik für die Messungen. Insbesondere das IOLITE 3xMEMS-ACC-System kombiniert einen dreiachsigen MEMS-Beschleunigungssensor mit einem Analog-Digital-Wandler direkt im Sensor und nutzt die digitale Datenübertragung via EtherCAT über Ethernet-Kabel. Diese Lösung ermöglicht eine synchronisierte Erfassung über lange Kabelwege von bis zu 250 Metern ohne Signalverluste und durchgängig mit Stromversorgungen über Power-over-Ethernet. Der wetterfeste IP67-Aluminiumgehäuse schützt die empfindliche Elektronik gegen Regen, Staub und Frost, was in Patagoniens winterlichen Regenfällen überlebenswichtig ist.
Technisch bedingt wurde für den Messaufbau eine Kettenarchitektur über ein einziges CAT6-Kabel vorgenommen, um auf Hardware wie EtherCAT-Switches zu verzichten und die Installation zu beschleunigen. Die Sensoren wurden an sechs Messpunkten verteilt, die sich jeweils an den Vierteln bis Dreivierteln der Spannweite der Brücken auf beiden Seiten befanden. Dabei war es notwendig, mindestens zwei Bewegungsrichtungen (vertikal und transversal) an jedem Punkt zu erfassen. Die robuste Befestigung der Sensoren erfolgte über dicke Stahlplatten, die mit Bolzen am Betondeck verankert wurden. Die Herausforderung der Sichtkontrolle des Fahrzeuges während der dynamischen Lasttests wurde durch die Integration einer USB-Webcam gelöst, die mit einem Verlängerungssystem für Ethernet-Daten in das Messnetzwerk eingebunden wurde.
Das ermöglichte eine synchronisierte Videoaufzeichnung und erleichterte die Interpretation der Messergebnisse durch visuelle Ereignisabgleichung. Die dynamischen Lasttests mit einem 23-Tonnen-Drei-Achslastwagen, der die Brücke mit verschiedenen Geschwindigkeiten von 5 bis 25 km/h befuhr, zeigten deutliche Anstiege der Ausschläge mit der Geschwindigkeit und höchste Schwingungsamplituden in der Vertikalrichtung. Gleichzeitig wurde erkannt, dass mehrere Stöße unabhängig von der Geschwindigkeit auftraten und hohe Spitzenbeschleunigungen von bis zu 0,15 g erzeugten. Die Analyse des Videomaterials brachte die Ursache ans Licht: Unebenheiten und Verschleiß an den mehrfach vorhandenen Bewegungsfugen der Brückendecken. Solche Einflüsse sind kritisch, da sie nicht nur lokale Belastungsspitzen darstellen, sondern auch die Ermüdung der Struktur beschleunigen können.
Die zusätzlichen Messungen unter Umgebungsbedingungen - natürliche Anregungen durch Wind, Flussströmung und schwachen Verkehr - ermöglichten die Ermittlung der Eigenfrequenzen und Erregungsmodi der Brücken über Operational Modal Analysis (OMA). Diese sollten den Ingenieuren eine realitätsnahe Modellkalibrierung der Finite-Elemente-Modelle ermöglichen, da Abweichungen im Bereich der ersten horizontalen Moden festgestellt wurden. Die Messdaten belegen also nicht nur den aktuellen Zustand der Brücken, sondern geben auch wichtige Hinweise auf strukturelle Schwächen und Sanierungsbedarf. Neben der praktischen Ausführung profitieren die Messkampagnen von den Vorteilen digitaler Datenerfassungssysteme. Das zentrale Softwarepaket DewesoftX erlaubt die Echtzeitanzeige, Synchronisation nach Zeitstempeln und die Integration von Videoquellen.
Eine nahtlose Bedienung vor Ort sowie ein reibungsloser Datentransfer sorgen für Effizienz auch unter starker Zeit- und Umweltbelastung. Eine reibungslose Durchführung bei extremen Witterungsbedingungen wie in Patagonien fordert robuste Materialien und präzise Planung. Die Kombination von modernen MEMS-Sensoren, digitaler Vernetzung und mobiler Stromversorgung durch Generatoren bildet die Grundlage für den Erfolg. Das Beispiel zeigt deutlich, dass dynamische Brückenmessungen heute nicht mehr nur auf stationäre und leicht zugängliche Standorte beschränkt sind, sondern auch an entlegenen Straßeninfrastrukturen einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit leisten können. Der technologische Fortschritt senkt die Kosten, erhöht die Verfügbarkeit und ermöglicht in Zukunft kontinuierliche Überwachungskonzepte für kritische Infrastruktur, die frühzeitig Schäden erkennen und hochriskante Situationen vermeiden helfen.
Zudem ist die Integration weiterer Messverfahren, wie Dehnungsmessstreifen oder Temperaturfühler, ein sinnvoller Schritt, um ein umfassendes Bild des Verhaltens zu erhalten. Die gewonnenen Realdaten dienen als unverzichtbare Grundlage für die Entwicklung risikoarmer Sanierungskonzepte, Verlängerung der Lebensdauer und letztendlich zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit in schwer zugänglichen und klimatisch herausfordernden Regionen. Zusammenfassend stellt die dynamische Messung an Hängebrücken ein vielseitiges multidisziplinäres Arbeitsfeld dar, das zunehmend von intelligenten Sensoren, digitaler Kommunikation und datengetriebener Analyse geprägt wird. Die Umsetzung anspruchsvoller Messkampagnen unter widrigsten Bedingungen veranschaulicht die Innovationskraft moderner Messtechnik und unterstreicht die große Bedeutung, die kontinuierliche Brückenüberwachung für den Schutz von Infrastruktur und Menschenleben besitzt.