In einer Welt, in der immer mehr Menschen in urbanen Zentren leben, fehlt vielen der direkte Zugang zur Natur. Städte sind vielfach geprägt von Beton, Glas und Asphalt, was den unmittelbaren Kontakt zur Natur erschwert und für zahlreiche Menschen zur Seltenheit macht. Genau an diesem Punkt setzt Ellen Miles an, eine 31-jährige Umweltaktivistin aus London, die das Konzept des Guerilla-Gardening nutzt, um vergessene und vernachlässigte städtische Flächen in grüne Mini-Oasen zu verwandeln. Ihre Mission ist nicht nur ein Akt des Widerstands gegen das urbanisierte Grau, sondern auch ein Aufruf zu einem besseren Miteinander von Mensch und Natur in der Stadt. Auf kreative und unkonventionelle Weise pflanzt sie Hoffnung und erweckt so eine Bewegung zum Leben, die weltweit an Bedeutung gewinnt.
Guerilla-Gardening, wie Ellen Miles es betreibt, bedeutet nichts anderes als das gezielte, oft illegale Bepflanzen öffentlicher oder brachliegender Flächen ohne offizielle Genehmigung. Es ist eine Form des urbanen Aktivismus, die sich in der Vergangenheit vor allem in den 1970er Jahren entwickelte, als mit den Green Guerrillas in den USA begonnen wurde, ungenutzte Grundstücke in Gemeinschaftsgärten zu verwandeln. Heute umfasst Guerilla-Gardening eine breite Palette von Initiativen, von Wildblumeninseln in Gehwegspalten bis zu Moos-Graffiti an Wänden – lebendige Kunstwerke aus Pflanzen. Für Ellen Miles ist das Guerilla-Gardening eine Antwort auf die politischen und gesellschaftlichen Hürden, die den Zugang zu grüner Natur in Städten erschweren. Sie hat deshalb 2020 die Kampagne „Nature Is a Human Right“ ins Leben gerufen, um den Anspruch auf tägliche Naturzugänge als universelles Menschenrecht zu etablieren.
Ellen Miles beschreibt selbst, wie die Natur vor der Urbanisierung für jede*n jederzeit zugänglich war. Heute ist sie oft zum Luxusgut geworden, das vielen Menschen verwehrt bleibt. Während die Politik langsam und oftmals unbeweglich auf die zunehmende Naturentfremdung reagiert, hat Miles den Weg des praktischen Handelns gewählt. Ihre „Waffen“ sind Samen, Pflanzen und Schaufeln, mit denen sie zusammen mit Nachbarschaftsgruppen in der Londoner Hackney Borough regelmäßig Grünflächen schafft. Was während der Covid-19-Pandemie begann, als Parks geschlossen waren und der Zugang zu Natur eingeschränkt wurde, entwickelte sich schnell zu einem wöchentlichen Ritual.
Gemeinsam werden Orte entdeckt, die der Blick oft übersieht: oftmals kleine Flächen zwischen Gehwegen, Straßenrändern oder verlassenen Grundstücken, die nun in farbenfrohe Pflanzeninseln verwandelt werden. Im Vereinigten Königreich gilt Guerilla-Gardening rechtlich als Grauzone. Obwohl das Pflanzen in öffentlichen Bereichen ohne Genehmigung nicht legal ist, tolerieren Behörden diese Praxis meist, solange sie keine Gefahr, Schäden oder Behinderungen verursacht. Dementsprechend müssen Guerilla-Gärtner*innen darauf achten, dass ihre Aktionen sicher und unauffällig bleiben. Ebenso wichtig ist die Auswahl der Pflanzen – bevorzugt heimische Wildblumen, die wenig Pflege benötigen, keine strukturellen Schäden anrichten und leicht wieder entfernt werden können, falls dies nötig sein sollte.
Die Bedeutung solcher grünen Interventionen erstreckt sich weit über die reine Ästhetik hinaus. Studien belegen, dass der regelmäßige Aufenthalt in Grünflächen das psychische und physische Wohlbefinden fördert. Die Universität Exeter in Großbritannien fand heraus, dass bereits 120 Minuten im Grünen pro Woche signifikant zur Verbesserung der Gesundheit und der psychologischen Verfassung beitragen. Dabei wirken Pflanzen nicht nur positiv auf die Stimmung, sondern auch auf die Luftqualität, indem sie wohltuende Phytonzide freisetzen – aromatische Verbindungen, die eine beruhigende Wirkung auf den Menschen haben. Gerade in dicht besiedelten Stadtteilen, in denen Stress und Umweltbelastungen hoch sind, können kleine grüne Rückzugsorte den Alltag erheblich verbessern.
Neben den gesundheitlichen Vorteilen sprechen auch soziale Effekte für das Guerilla-Gardening. Gemeinschaftlich angelegte Grünflächen fördern das soziale Miteinander, stärken den Zusammenhalt und können sogar zu einem Rückgang von Kriminalität führen. All diese Aspekte macht Ellen Miles mit ihrer Arbeit sichtbar und erlebbar. Auf ihren Social-Media-Kanälen, insbesondere TikTok, teilt sie begeistert ihre Erfahrungen und erklärt spielerisch, wie jede*r mit einfachen Mitteln Teil der Bewegung werden kann. Von der Herstellung sogenannter Seeds Bombs – kleine Kugeln aus Blumensamen und Erde – bis hin zur Anleitung für Moos-Graffiti gibt sie praxisnahe Tipps und motiviert vor allem junge Menschen, sich aktiv für eine grünere Stadt einzusetzen.
Diese Form der Aktivität ist für viele motivierend, weil sie direkten Erfolg und sichtbare Veränderungen schafft. Im Gegensatz zu oft abstrakt wirkenden politischen Diskussionen oder Protesten vermittelt das gemeinsame Pflanzen unmittelbare Ergebnisse, die man sehen und spüren kann. Ellen Miles beschreibt dieses Gefühl als „ermächtigend“ und „belebend“. Es schafft eine Verbindung zu Natur und Gemeinschaft, die in der urbanen Welt oft verloren geht. Eine ihrer Kernbotschaften ist dabei die Erreichbarkeit: Jeder kann mitmachen, es braucht weder großen Garten noch teure Ausrüstung.
Das Frühjahr ist laut ihr die ideale Zeit, um heimische Wildblumen zu sammeln und einfach an den passenden Stellen auszusäen. Sogar das Pflanzen bei Regen ist sinnvoll, da so weniger Gießen notwendig ist und die Samen ideale Bedingungen zum Keimen finden. Damit erleichtert sie den Einstieg in den Gartenaktivismus für viele Menschen, die einen Beitrag zum Umweltschutz leisten möchten, ohne aufwendig oder kostenintensiv zu arbeiten. Ellen Miles ist überzeugt, dass die Zukunft der Stadtbegrünung in einer gemeinschaftlichen Herangehensweise liegt. Sie fördert deshalb das Gärtnern in Gruppen, weil die soziale Motivation und der Erfahrungsaustausch wesentlich zum Erfolg beitragen.
Über ihre Organisation Earthed bietet sie einen kostenlosen Online-Kurs an, der bereits hunderte Teilnehmende erreicht hat und Menschen befähigt, aktiv zu werden. Darüber hinaus hat sie ein Buch veröffentlicht, das detailliert erklärt, wie Guerilla-Gardening funktioniert und wie man auch ohne professionelle Vorkenntnisse grüne Akzente setzen kann. Ihr großer Traum ist eine Stadt, die überall begrünt ist – von begrünten Hausfassaden bis zu blühenden Busstationen, grünen Dächern und gesäumten Straßen mit Hecken und wildwachsenden Blumen. Für Ellen Miles ist das nicht nur schön anzusehen, sondern ein „No-Brainer“ – eine Selbstverständlichkeit. Solche natürlichen Elemente verbessern das Mikroklima, fördern die Biodiversität und machen Städte lebenswerter.
In einer Zeit, in der Umweltfragen immer drängender werden, zeigt ihr Beispiel, wie persönliche Initiative und Engagement nachhaltige Veränderungen bewirken können. Das Wirken von Ellen Miles steht exemplarisch für eine wachsende Bewegung, die sich weltweit ausbreitet. Von den Anfängen in den 1970er Jahren bis heute haben Guerilla-Gärtner*innen auf allen Kontinenten gezeigt, wie bürgerschaftliches Engagement Natur in die Städte zurückholen kann. Ob in Los Angeles, Paris oder Johannesburg – die Verwandlung urbaner Freiräume durch Pflanzen schafft nicht nur neue Lebensräume für Insekten und Vögel, sondern auch grüne Perspektiven für die Menschen selbst. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ellen Miles‘ Arbeit mit Guerilla-Gardening ein kraftvolles Beispiel für urbanen Umweltschutz ist, das ökologische, soziale und gesundheitliche Aspekte miteinander verbindet.
Es zeigt, dass jeder Einzelne durch kleine Schritte einen Unterschied machen kann und dass selbst in der Betonlandschaft der Großstadt die Natur eine Chance erhält, sichtbar zu werden und Menschen Hoffnung zu schenken. Die Aktivität strebt nicht nur eine Verschönerung der Stadt an, sondern fordert ein Umdenken im Umgang mit unserem Lebensraum und macht das Recht auf Natur in den Städten für alle Menschen erfahrbar.