Der Aktienmarkt ist geprägt von Emotionen wie Angst und Gier, die häufig zu Übertreibungen und starken Kursschwankungen führen. Gerade in Phasen erhöhter Unsicherheit stellt sich für Anleger die Frage, wann der richtige Zeitpunkt für den Einstieg in den Markt gekommen ist. Ein bewährtes Werkzeug, um diese Marktstimmungen messbar zu machen, ist der sogenannte VIX, auch „Angstindex“ genannt. Der Volatilitätsindex (VIX) bietet eine faszinierende Möglichkeit, die Erwartung der Marktteilnehmer über zukünftige Schwankungen des S&P 500, einem der wichtigsten US-amerikanischen Aktienindizes, zu quantifizieren. Dabei kann der VIX nicht nur zur Einschätzung der aktuellen Angst im Markt dienen, sondern auch helfen, entscheidende Wendepunkte und Tiefstände am Aktienmarkt zu bestätigen.
Der VIX wurde von der Chicago Board Options Exchange (Cboe) erstmals im Jahr 1993 eingeführt und berechnet die erwartete 30-Tage-Volatilität des S&P 500 auf Basis von Echtzeit-Optionen. Anders ausgedrückt misst der VIX, wie stark die Anleger erwarten, dass sich der Markt in naher Zukunft bewegen wird – er zeigt also die Angst oder die Nervosität der Investoren an. Ein hoher VIX-Wert signalisiert erhöhte Unsicherheit und Volatilität, während ein niedriger Wert auf eine ruhige, optimistische Marktlage hindeutet. Einer der Schlüssel im Umgang mit dem VIX liegt im Verständnis seiner Bedeutung als Kontraindikator. Während viele Investoren Angst als Warnsignal sehen und bei hohen VIX-Werten vorsichtig sind, korreliert ein starker Anstieg des VIX oft mit einem Markt, der sich seinem Tiefpunkt nähert.
In Phasen extremer Panik, wenn die Angst übermächtig wird, sind Aktien häufig stark unterbewertet und bieten dadurch attraktive Einstiegsgelegenheiten. Dieses Paradigma entspricht sinnbildlich dem berühmten Ausspruch von Baron Rothschild: „The time to buy is when there’s blood in the streets.“ Die praktische Anwendung des VIX zur Bestätigung von Markt-Tiefs zeigt sich exemplarisch während der Corona-Krise im Jahr 2020. In der Februar- und März-Phase, als die Weltwirtschaft durch die Pandemie abrupt zum Stillstand kam, stieg der VIX auf ein Rekordniveau von über 85 Punkten – ein Wert, der nahe an die Höchststände der Finanzkrise 2007/2008 heranreichte. Kurz nach diesen extremen Angstphasen begann der Markt wieder an Stabilität zu gewinnen.
Die Anleger konnten beobachten, wie nach der Spitze des VIX eine sogenannte Follow-Through Day-Situation eintrat, bei der die Aktienkurse mit hohem Volumen und anhaltender Stärke anzogen. Dieses Signal markierte den Beginn eines nachhaltigen Aufwärtstrends. Der VIX ist allerdings kein isoliertes Instrument zur exakten Vorhersage des Markttiefs. Vielmehr sollte er als ergänzender Indikator verwendet werden, der zusammen mit anderen technischen Signalen und Marktanalysen ein Gesamtbild liefert. Beispielsweise gibt eine VIX-Spitze von mehr als 20 Prozent über dem 10-Tage-Durchschnitt oft Auskunft über eine bevorstehende positive Trendwende im Markt.
Investoren ergänzen diese Erkenntnisse idealerweise durch das Beobachten von Follow-Through Days oder anderen typischen Bodenbildungs-Signalen. Neben dem langfristigen Markt-Tiefsignal kann der VIX auch kurzfristige Schwankungen im Marktverhalten anzeigen. In stark volatilen Zeiten oder nach plötzlichen Kursrücksetzern dient der VIX als Warnsignal vor übertriebener Panik und kann helfen, rasch auf eine Erholungsphase vorzubereiten. Ein Beispiel hierfür lieferte der Juni 2020, als der Dow Jones an einem einzigen Tag um knapp 7 Prozent einbrach und der VIX erneut deutlich anstieg. Kurz darauf setzte eine starke Rallye ein, die viele Anleger in dieser Zeit als günstige Kaufgelegenheit nutzten.
Wichtig ist zudem, dass der VIX nicht nur für US-amerikanische Märkte relevant ist. Da der S&P 500 und seine Volatilität oft als Indikator für die globale Stimmung dienen, beeinflussen Schwankungen im VIX indirekt auch andere Märkte weltweit. Daher finden internationale Investoren zunehmend Verwendung für den VIX, um globale Risikoeinschätzungen vorzunehmen und ihre Portfolios entsprechend zu positionieren. Neben dem VIX existieren weitere psychologische Marktindikatoren, die ergänzend herangezogen werden können, um das Sentiment der Anleger besser zu verstehen. Dazu zählen Verhältnisse wie Put-Call-Volumen, High-Low-Ratio, Bulls vs.
Bears sowie Margin Debt. Diese Indikatoren geben zusätzliche Hinweise darauf, ob der Markt überkauft, überverkauft oder in einer Phase der Unsicherheit steckt. Für die erfolgreiche Portfoliosteuerung ist es ratsam, solche Instrumente in Kombination einzusetzen, da sie sich gegenseitig bestätigen oder relativieren können. Die regelmäßige Beobachtung des VIX erfordert jedoch Erfahrung und Disziplin. Es ist entscheidend, den Index nicht isoliert oder emotionsgetrieben zu bewerten, sondern als Teil eines breit gefächerten Analyseprozesses.
Investoren sollten zudem immer die Gesamtlage am Markt und fundamentale Daten in ihre Entscheidungen einbeziehen, um falsche Signale zu vermeiden. Durch den VIX erhalten sie jedoch wertvolle Hinweise auf die Marktstimmung und können so besser einschätzen, wann sich das Pendel von Panik zu Zuversicht bewegt. Abschließend lässt sich festhalten, dass der VIX ein mächtiges Werkzeug ist, um die Angst im Markt zu messen und typische Tiefpunkte zu bestätigen. Sein Vertrauen als technischen Stimmungsindikator basiert auf der Tatsache, dass Märkte oft konträr zum vorherrschenden Sentiment reagieren. Extreme Angst kann somit die Chance auf attraktive Kaufmöglichkeiten signalisieren.
Anleger, die den VIX in ihre Strategie integrieren und ihn mit anderen technischen und fundamentalen Analysen kombinieren, verbessern ihre Chancen, Marktzyklen sinnvoll zu erkennen und erfolgreich zu investieren. Für jeden, der langfristig an den Aktienmärkten teilnehmen möchte, gehört das Verständnis des VIX und seiner Signale zum Handwerkszeug eines seriösen Investors. Ob in Zeiten von Krisen oder technischer Korrekturen – der Angstindex gibt einen klaren Fingerzeig darauf, wann der richtige Zeitpunkt für den Einstieg sein könnte. Wer also nicht nur dem Herdentrieb folgen möchte, sondern gezielt Markttiefs identifizieren will, sollte den VIX unbedingt auf dem Radar haben und ihn als wertvolle Bestätigung in seinen Investitionsentscheidungen nutzen.