Die Erforschung sprachlicher Vielfalt gehört zu den faszinierendsten und zugleich herausforderndsten Feldern der Linguistik. Die Vielzahl unterschiedlicher Sprachen, die auf der Erde gesprochen werden, birgt nicht nur komplexe grammatikalische Strukturen, sondern auch eine enorme Variation im Wortschatz und in der Semantik. Um diese Vielfalt besser verstehen und vergleichen zu können, ist der Einsatz innovativer Technologien und umfassender Datensätze unerlässlich. Hier setzt die Lexical Elaboration Explorer App an – ein hochmodernes Werkzeug, das es ermöglicht, lexikalische Elaborationswerte von 6000 Konzepten über 616 verschiedene Sprachen hinweg zu erkunden. Die App wurde als Teil eines Forschungsprojekts von Khishigsuren, Regier, Vylomova und Kemp entwickelt, deren Studie im Jahr 2025 veröffentlicht wurde.
Im Kern basiert die Analyse auf dem BILA-Datensatz, der 8.575 lemmatisierte Substantive umfasst. Die 6000 häufigsten davon werden in der Anwendung berücksichtigt, wodurch Nutzer eine breite und repräsentative Grundlage für ihre Untersuchungen erhalten. Lexikalische Elaboration beschreibt im Wesentlichen, wie detailreich ein bestimmtes Konzept in einer Sprache lexikalisch ausgearbeitet ist. Das bedeutet, dass für ein Konzept wie „Schnee“ in einer Sprache möglicherweise viele unterschiedliche Wörter oder Unterbegriffe existieren, die verschiedene Aspekte oder Arten von Schnee bezeichnen.
Andere Sprachen haben dagegen möglicherweise nur ein einzelnes Wort für dasselbe Konzept. Dieses Phänomen ist zentral für die Identifikation kultureller und geographischer Einflüsse auf den Wortschatz, aber auch für das Verständnis, wie Sprachen unterschiedlich auf Umwelt- und Lebensumstände reagieren. Die Benutzeroberfläche der App ist klar strukturiert und benutzerfreundlich. Auf der linken Seite können Anwender ein bestimmtes Konzept auswählen. Nach der Auswahl wird ein Diagramm angezeigt, das die Sprachen mit den höchsten Elaborationswerten für dieses Konzept zeigt.
Darüber hinaus werden die Sprachen, die sich innerhalb der obersten fünf Prozent der Elaborationswerte befinden, als rote Punkte auf einer interaktiven Weltkarte visualisiert. Diese Funktion ermöglicht es den Nutzern, schnell räumliche Muster und kulturelle Clustereffekte zu erkennen. Besonders interessante Konzepte, die in der App empfohlen werden, umfassen Begriffe wie „Schnee“, „Wind“, „Geruch“, „Tanz“, „Berg“, „Kanu“, „Schaf“, „Känguru“, „Bier“, „Kaffee“, „Brei“, „Geist“, „Engel“ und „Gott“. Diese Auswahl spiegelt zurückhaltend die Vielfalt kultureller und ökologischer Schwerpunkte wider, die verschiedene Sprachgemeinschaften prägen. Auf der rechten Seite der App kann der Nutzer eine Sprache auswählen.
Dies führt zu einem Diagramm, das die Konzepte mit den höchsten Elaborationswerten innerhalb dieser Sprache anzeigt. Unterhalb des Diagramms wird eine Karte präsentiert, die den geographischen Standort der gewählten Sprache visualisiert. Die App bietet zudem eine Übersicht ähnlicher Sprachen auf Grundlage ihrer gemeinsamen lexikalischen Verteilung, was neue Möglichkeiten für vergleichende Studien und Sprachklassifikationen eröffnet. Die Forschung hinter der Lexical Elaboration Explorer App stellt einen bedeutenden Fortschritt in der quantitativen Sprachtypologie dar. Durch computergestützte Methoden können Forscher nun groß angelegte Vergleiche anstellen, die über traditionelle Feldforschung und Einzellanguage-Level-Analysen hinausgehen.
Dies erleichtert nicht nur die Entdeckung sprachlicher Muster und Beziehungen, sondern hilft auch bei Fragen zur Sprachentwicklung, kulturellen Evolution und zur Rolle der Umwelt in der Bildung von Lexika. Neben den wissenschaftlichen Aspekten ist die App auch für Sprachinteressierte und Kulturliebhaber von großem Wert. Sie ermöglicht es, fremde Sprachen aus einer neuen Perspektive zu betrachten und Verständnis für den engen Zusammenhang von Sprache, Kultur und Ökologie zu entwickeln. Durch die Visualisierung wird die Komplexität und Schönheit sprachlicher Vielfalt greifbar gemacht. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Daten, auf denen die App basiert, aus sehr unterschiedlichen Quellen stammen, von historischen bis zu zeitgenössischen Wörterbüchern und Sprachdatenbanken.
Einige dieser Quellen stammen aus Zeiten, in denen bestimmte Ansichten und Bezeichnungen verwendet wurden, die heute als schädlich oder anstößig gelten können. Daher sollte man die Ergebnisse mit kritischem Bewusstsein betrachten und keinesfalls als Bestätigung problematischer kultureller oder gesellschaftlicher Sichtweisen verstehen. Die Lexical Elaboration Explorer App ermöglicht auch die Analyse einzelner Wörter, wohingegen einige der im Forschungsartikel veröffentlichten Ergebnisse auf Wortgruppen basieren. Dies kann zu leichten Abweichungen in den Ergebnissen führen, mindert jedoch nicht die Aussagekraft und Nützlichkeit des Tools. Insgesamt stellt die Lexical Elaboration Explorer App einen wertvollen Beitrag zur Welt der Sprachforschung dar.
Indem sie große Mengen an linguistischen Daten zugänglich und verständlich macht, fördert sie nicht nur das wissenschaftliche Verständnis, sondern trägt auch zur Bewahrung und Wertschätzung der globalen sprachlichen und kulturellen Vielfalt bei. Auf lange Sicht könnten solche Anwendungen auch Impulse für den Sprachunterricht, die Sprachplanung und den interkulturellen Dialog bieten. Die Zukunft der Sprachforschung wird zunehmend von digitalen Innovationen geprägt sein, und die Lexical Elaboration Explorer App ist ein emblematisches Beispiel dafür, wie moderne Technologie dabei helfen kann, komplexe sprachliche Phänomene sichtbar und vergleichbar zu machen. Egal ob Wissenschaftler, Pädagoge oder einfach sprachbegeisterter Nutzer – die Möglichkeit, tief in die Vielfalt von 616 Sprachen einzutauchen und verborgene Zusammenhänge zu entdecken, ist eine aufregende Gelegenheit, das menschliche Erbe der Sprache neu zu erforschen und zu feiern.