In der heutigen digitalen Wirtschaft dominieren einige wenige Unternehmen nicht nur den Markt, sondern beeinflussen maßgeblich die Art und Weise, wie Menschen Informationen abrufen, kommunizieren und konsumieren. Google ist eines dieser Unternehmen, das trotz umfangreicher rechtlicher Auseinandersetzungen weiterhin enorme Umsätze und Gewinne erzielt – und das während eines laufenden Kartellverfahrens gegen den Konzern. Die Situation wirft ein Schlaglicht auf eine problematische Verzögerungsdynamik im US-amerikanischen und globalen Wettbewerbsrechtssystem, die es Marktbeherrschern ermöglicht, selbst während der Ermittlungen und Gerichtsverfahren weiterhin immens zu profitieren. Es handelt sich um eine fundamentale Herausforderung, die letztlich die Prinzipien des fairen Wettbewerbs und die Rolle des Rechtsstaates in der Wirtschaftsregulierung betrifft. Ein Blick auf die jüngsten Zahlen zeigt auf, wie gravierend die Verzögerungen sind und welche Konsequenzen sie für den Wettbewerb, Verbraucher und die Wirtschaft insgesamt haben.
Seit der Einreichung der ursprünglichen Kartellklage im Jahr 2020 gegen Google wegen der mutmaßlichen unerlaubten Aufrechterhaltung seiner Suchmaschinen-Monopolstellung haben die von dem Unternehmen generierten Umsätze und Gewinne dramatisch zugenommen. Die umfassenden Ermittlungen und der anschließende Gerichtsprozess konnten trotz handfester Beweislage bisher nicht zur zeitnahen Durchsetzung von Strafmaßnahmen oder strukturellen Änderungen führen. So wurde im Jahr 2024 durch eine bundesgerichtliche Entscheidung bestätigt, dass Google gegen Wettbewerbsrecht verstoßen hat, die Umsetzung von Gegenmaßnahmen und Restrukturierungen ist jedoch weiterhin in der Warteschleife – mit absehbarer Verzögerung bis mindestens 2027, wenn alle Berufungsverfahren abgeschlossen sind. Die finanziellen Dimensionen dieser Verzögerungen sind beeindruckend. Von 2020 bis 2024 hat Google rund 468 Milliarden US-Dollar zusätzlicher Umsätze erzielt, die juristisch betrachtet auf Methoden basieren, die als unrechtmäßig bewertet wurden.
Auch der Nettogewinn erhöhte sich in diesem Zeitraum um etwa 166 Milliarden US-Dollar. Diese Summen verdeutlichen, dass Milliarden an Erlösen durch Praktiken entstanden sind, die von Gerichten als wettbewerbswidrig eingestuft wurden – und dennoch konnte Google diese Erlöse im Rahmen des laufenden Verfahrens weiter einstreichen. Dieser Umstand ist symptomatisch für ein grundlegendes Problem im Wettbewerbsschutz: Solange Verfahren mehrere Jahre dauern, entstehen Anreize für marktbeherrschende Unternehmen, das Verfahren durch intensive juristische Auseinandersetzungen und Verzögerungstaktiken auszuschöpfen, da ihnen der Zugang zu weiteren Gewinnen dadurch keineswegs versperrt ist. Eine wesentliche Rolle für die Dominanz von Google spielt der „Chrome“-Browser, der in Wettbewerbsverhandlungen und vor Gericht stets als ein zentrales Element der Monopolstruktur thematisiert wird. Der Browser ist nicht nur eine der wesentlichen Nutzerzugangsmedien zu Suchergebnissen, sondern generiert auch erhebliche Einnahmen durch Werbung und vorteilhafte Entwicklungen von Künstlicher Intelligenz.
Die US-Justiz prüft deshalb gerade, ob Google gezwungen werden sollte, das Chrome-Browsergeschäft abzuspalten, um den Wettbewerb wieder zu beleben. Neben dem Suchgeschäft kontrolliert Google auch einen großen Anteil des digitalen Werbemarkts – ein weiterer Bereich, in dem kartellrechtliche Vorwürfe zunehmend an Bedeutung gewinnen. In parallelen Verfahren etwa zum Werbetechnologie-Markt wurde bereits festgestellt, dass Google auch hier eine marktbeherrschende Stellung nutzt, um Wettbewerber auszuschließen und Preise zu beeinflussen. Die Kombination aus Suchmaschine, Browser und Werbetechnologie verschafft Google eine unnachahmliche Kontrolle über digitale Geschäftsmodelle und Informationsflüsse. Analog zu Google läuft auch ein langwieriges Verfahren gegen Meta, den Mutterkonzern von Facebook und Instagram.
Hier geht es ebenfalls um den Vorwurf der illegalen Monopolbildung, unter anderem durch den strategischen Aufkauf potenzieller Konkurrenten wie WhatsApp und Instagram, um die Marktmacht zu konsolidieren und Rivalen zu eliminieren. Ähnlich wie bei Google zeigten sich auch hier Schwierigkeiten, die Verfahren schnell zu einem Ergebnis zu führen, sodass Meta während des einjährigen Prozesses zusätzliche Umsätze in Milliardenhöhe generieren konnte. Diese verzerrten Anreize innerhalb der kartellrechtlichen Durchsetzung werfen grundlegende Fragen zum Zustand der Wettbewerbspolitik auf. Warum dauern Kartellverfahren oft so lange? Im Unterschied zu vielen anderen Rechtsfällen ist die wirtschaftliche Situation des Angeklagten unmittelbar betroffen – wenn ein Bankräuber beim Diebstahl erwischt wird, wird das erbeutete Vermögen beschlagnahmt und kann nicht weiter verwendet werden, so das klassische Rechtsprinzip. Bei Konzernen wie Google sieht die Realität anders aus: Sie können die umstrittenen Erlöse während des gesamten Prozesses verwenden, reinvestieren und weiter Marktanteile gewinnen.
Zudem zieht die Komplexität der Verfahren, das Ringen um Zugriff auf Daten und den Informationsaustausch sowie die strategische Prozessführung die Dauer enorm in die Länge. Selbst nach einem negativen Urteil bleibt zumeist noch die Möglichkeit von Einsprüchen und Berufungsverfahren, die Prozesse über Jahre treiben. Die wirtschaftlichen Anreize für die Klägerseite sind oft nicht ausreichend, um hier schneller voranzukommen, da die gesetzlichen Mittel für Sanktionen begrenzt sind. So kommen Forderungen auf, die Durchsetzungsmechanismen grundlegend zu reformieren. Ein Ansatz besteht in der sofortigen Einbehaltung von Aufschlägen oder zusätzlichen Gewinnen in Treuhandkonten bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung.
Ebenso werden Vorschläge diskutiert, wie Richter gezwungen werden könnten, zügigere Zeitpläne vorzuschreiben, um die Gerichtsverfahren zu beschleunigen – ähnlich jenen sogenannten „rocket dockets“ in bestimmten Bezirksgerichten, die eine rasche Fallbearbeitung ermöglichen. Darüber hinaus regt sich die Frage, ob Verstöße gegen das Kartellrecht auch mit empfindlicheren Strafen belegt werden sollten, etwa der Verhängung von dreifachen Schadensersatzzahlungen (Treble Damages), die in den USA grundsätzlich möglich sind, aber selten konsequent durchgesetzt werden. So könnten Unternehmen von Anfang an finanziell motiviert werden, kooperativer zu sein und rechtswidrige Praktiken zu unterlassen. Für die Gesellschaft und Verbraucher ist die anhaltende Monopolstellung von Google problematisch, da sie Innovationen hemmt, Preise verzerrt und die Vielfalt der digitalen Angebote einschränkt. Die Dominanz von Google beeinflusst die Verfügbarkeit und Qualität von Suchergebnissen und KI-Anwendungen, die künftig eine noch wichtigere Rolle in der Informationsverarbeitung einnehmen.
Auch Unternehmen, die auf fairen Wettbewerb angewiesen sind, etwa kleinere und mittlere Entwicklungsfirmen im Bereich Künstliche Intelligenz oder Suchmaschinen, haben durch die Monopolmacht von Google deutlich erschwerte Wettbewerbsbedingungen. Das aktuelle Szenario sollte als Weckruf verstanden werden, die staatlichen und juristischen Kapazitäten im Bereich der Wettbewerbskontrolle auf den digitalen Wandel besser auszurichten. Neue Verfahren, Gesetze und digitale Kompetenzen müssen den Prozess beschleunigen und effektiver gestalten, um zu verhindern, dass Marktdominanz unrechtmäßig ausgenutzt wird und die Wirtschaft zugunsten weniger Konzerne verzerrt wird. In der Zwischenzeit machen sich sowohl Wirtschaftsteilnehmer als auch Anleger wenig Sorgen um die künftigen Urteile. Die Erfahrung zeigt, dass Google trotz drohender Strafen seine Gewinne weiter maximiert und der Markt auf diese Macht nicht wirksam reagiert.