Die Welt der Internet-Domainnamen ist ständig im Wandel. Neue generische Top-Level-Domains (gTLDs) entstehen, etablierte Domains gewinnen oder verlieren an Bedeutung und Länder-Domains, sogenannte ccTLDs (country code Top-Level Domains), stehen immer wieder im Fokus regulatorischer und politischer Diskussionen. Ein besonders faszinierendes Beispiel ist das ccTLD .su, das ursprünglich der Sowjetunion zugeordnet wurde – einem Staat, der bereits Anfang der 1990er Jahre aufgelöst wurde. Trotz der historischen Auflösung existiert die Domain .
su weiterhin und verzeichnet noch immer eine beachtliche Anzahl von Registrierungen. Dadurch entsteht die Frage: Ist das .su ccTLD tatsächlich sicher, oder steht es auf der Abschussliste internationaler Vergabestellen und Behörden? Die jüngsten Entwicklungen im Jahr 2025 geben hierzu wichtige Einsichten und zeigen die komplexe Verzahnung von Technik, Politik und Regulierung im Domain-Markt auf. Das .su ccTLD wurde in den 1990er Jahren als länderspezifische Domain für die damalige Sowjetunion eingeführt.
Die Zuständigkeit lag damals bei der Internet Assigned Numbers Authority (IANA) und der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), die Regeln über den Betrieb von Top-Level-Domains festlegen und deren Verwaltung überwachen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 hätten logischerweise dessen ccTLDs verschwinden oder zumindest durch neue ersetzt werden können. Tatsächlich wurden neue Länder-Domains wie .ru (Russland), .ua (Ukraine) und weitere eingeführt und führten die territoriale Präsenz im Internet fort.
Dennoch blieb das .su im DNS-Root-Verzeichnis erhalten. Die Existenz des .su ermöglicht es noch heute Unternehmen, Organisationen und Privatpersonen, Domains unter dieser Endung zu registrieren. Dabei handelt es sich um eine recht große Menge: Mehr als 100.
000 registrierte Domains zeigen, dass das ccTLD nach wie vor genutzt wird – auch wenn die Gebiete der früheren Sowjetunion über eigene Top-Level-Domains verfügen. Das registrierte Volumen und die fortlaufende Aktivität stellen Fragen zur Sicherheit und Legitimität auf, besonders vor dem Hintergrund, dass internationale Richtlinien für die „Ruhigstellung“ von nicht mehr existenten oder relevanten ccTLDs existieren. Im Zentrum der Diskussion steht insbesondere die Frage, ob die bestehenden ICANN-Richtlinien für die Löschung von Länder-Domains auf .su ebenfalls anwendbar sind. Vor einigen Jahren verabschiedete ICANN eine formelle ccTLD-Rücknahmepolicy, die definiert, unter welchen Voraussetzungen ein ccTLD aus dem Root-Zone entfernt werden kann.
Einer der wesentlichen Auslöser hierfür ist die Löschung des entsprechenden Alpha-2-Codes durch die International Organization for Standardization (ISO). ccTLDs sind in der Regel an offizielle zwei Buchstaben lange Ländercodes gebunden, die das ISO 3166-1 alpha-2-Standardisierungsteam pflegt. Im Fall von .su ist die Sache jedoch komplexer. Der Code „SU“ ist nach wie vor nicht auf der Liste der offiziell zugewiesenen Länder-Codes im ISO 3166-1 Standard aufgeführt.
Allerdings befindet sich „SU“ auf einer Ausnahme-Liste (der sogenannten „exceptionally reserved“ Codes), die Codes wie auch „UK“ (Vereinigtes Königreich), „AC“ (Ascension Islands) und „EU“ (Europäische Union) einschließt. Diese Codes sind aus verschiedenen Gründen weiterhin geschützt und können in besonderen Fällen als ccTLD genutzt werden, obwohl der zugehörige politische Zustand nicht dem üblichen Länderkodex entspricht. Die entscheidende Frage ist nun, ob diese Ausnahmeliste als „Alpha-2 Code Element“ im Sinne der Rücknahmepolitik zählt. Falls ja, würde .su ähnlich wie .
uk oder .eu durch die ISO-Listen geschützt bleiben, selbst wenn die ursprüngliche politische Einheit (Sowjetunion) aufgelöst wurde. Die jüngste Antwort der Country Code Names Supporting Organization (ccNSO), einer ICANN-unterstützten Organisation, legt genau dies nahe. In einer Antwort an IANA-Chef Kim Davies betont die ccNSO, dass sich die Rücknahmepolitik ausschließlich auf reguläre Codes beziehe, die aus der offiziellen ISO 3166-1 Hauptliste gestrichen würden, nicht jedoch auf „exceptionally reserved“ Elemente. Somit könnte das .
su als eine dauerhaft geschützte Domain angesehen werden. Vor dem Hintergrund, dass SU bereits im 1990er-Jahren von der ISO-Liste genommen wurde, zeigt sich eine Diskrepanz: Rückwirkend erfüllt die Löschung des Codes nicht automatisch eine Löschungsbedingung, da .su seit 2008 offiziell auf der Ausnahmeliste steht und damit seine Existenz legitimiert sieht. Damit gibt es aus regulatorischer Sicht keinen zeitnahen oder direkten „Trigger“, der eine Abschaltung von .su rechtfertigen würde.
Überdies könnten politische und diplomatische Gründe eine Rolle spielen, wie etwa der Wunsch, Konflikte mit Russland zu vermeiden, das verschiedene Interessen an der Domain hat. Diese Entwicklung ist auch unter dem Gesichtspunkt relevant, dass ICANN regelmäßig sowohl den technischen Betrieb des Internets als auch die Erwartungen von Regierungen weltweit managen muss. Ein zu striktes Vorgehen gegen .su könnte Spannungen hervorrufen, insbesondere da Russland die Domain weiterhin teilweise nutzt und schützt. Die Entscheidung, die Domain nicht zu löschen, könnte daher als pragmatischer Kompromiss interpretiert werden, um eine Eskalation zu vermeiden, aber gleichzeitig auch die internen Richtlinien ICANNs intakt zu halten.
Aus technischer und nutzerbezogener Sicht funktioniert das .su weiterhin reibungslos. Viele Webseiten, die mit der Endung .su registriert sind, erreichen Zielgruppen, oft mit Bezug zu russischsprachigen Inhalten, nostalgischen oder kulturell-historischen Aspekten der Sowjetzeit sowie kommerziellen Projekten. Die Domain hat trotz ihres Ursprungs eine Nische gefunden, die ihr Überleben sichert.
Darüber hinaus setzen einige Organisationen auf die Shortness und Merkfähigkeit von .su als Domainendung, was ihr einen gewissen Marktwert verschafft. Allerdings bringt der Fortbestand dieser Domain auch gewisse Risiken mit sich. Da die Regulierung und Überwachung solcher historisch ungewöhnlichen Domains schwierig sein kann, kommt es gelegentlich zu sicherheitstechnischen Problemen wie Missbrauch für Spam, Phishing oder andere illegale Online-Aktivitäten. Dies ähnelt Herausforderungen, die bei anderen Domains mit fragwürdiger oder inkonsistenter Kontrolle auftreten können.
Dennoch hat die .su-Registry in den letzten Jahren versucht, die Sicherheit und den ordnungsgemäßen Betrieb zu gewährleisten. Die Situation rund um .su bietet eine wichtige Fallstudie für das Domain Name System und die globale Internet-Governance. Sie illustriert die Spannungsfelder zwischen technischer Normierung, politischem Einfluss und ökonomischen Interessen.
Die Entscheidung einer Domain-Existenz hängt nicht allein von technischen Kriterien ab, sondern umfasst auch historische, soziale und diplomatische Komponenten. Für die überwachte und ordnungsgemäße Verwaltung des Internets bedeuten solche Fälle oft komplexe Abwägungen und langfristige Planungen. Was bedeutet das für Nutzer und die Branche? Wer eine Domain mit .su registriert, kann weiterhin auf einen stabilen Betrieb und legitime Nutzungsvoraussetzungen bauen. Für die internationale Internet-Gemeinschaft stellt die Entscheidung einen Präzedenzfall dafür dar, wie mit Domains zu verfahren ist, die politisch obsolet sein könnten, aber noch existent bleiben.
ICANN und die beteiligten Organisationen werden wohl weiterhin Beobachtungen und Überprüfungen durchführen, doch dürfte sich die heutige Praxis vorerst kaum ändern. Insgesamt zeigt sich, dass das .su ccTLD trotz seines historischen Ursprungs und der politischen Veränderungen in der Welt weiterhin Bestand hat. Die Kombination aus spezieller ISO-Ausnahmeliste, regulatorischer Praxis und geopolitischer Sensibilität sorgt dafür, dass es momentan keine unmittelbare Gefahr einer Abschaltung gibt. Diese Entwicklung ist sowohl für Domainregistrare als auch für Nutzer ein klares Signal: Die Existenz und Sicherheit einer ccTLD hängt nicht ausschließlich von der aktuellen politischen Lage ab, sondern kann auch von institutionellen Entscheidungen und technischen Standards abhängen.
Somit ist das .su ccTLD eine lebendige Ausnahme im globalen Domain-System und steht beispielhaft für die vielfältigen Herausforderungen, denen Internet-Institutionen wann immer sie entscheiden müssen – zwischen starrer Regulierung und Flexibilität, zwischen Technik und Politik. Wer sich für die Machtverhältnisse im Domain-Markt oder für die Dynamiken im Bereich der Internet-Governance interessiert, sollte die Entwicklungen rund um .su unbedingt weiter beobachten.