Die Magna Carta gilt als eines der bedeutendsten Dokumente der Menschheitsgeschichte, das nicht nur die Grundlagen der modernen Demokratie, sondern auch die Entwicklung von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit maßgeblich geprägt hat. Ursprünglich im Jahr 1215 unter König Johann von England erlassen, stellte sie das Prinzip fest, dass auch die Königsgewalt an Recht und Gesetz gebunden ist. Trotz ihrer historischen Bedeutung und des Einflusses auf zahlreiche Verfassungen weltweit ist es überraschend, dass eine jahrzehntelang unterschätzte Kopie der Magna Carta nun als authentisches Original anerkannt wurde. Forscher fanden heraus, dass das vermeintliche günstige Duplikat eigentlich zu den wertvollsten und seltensten Dokumenten gehört, die es noch heute gibt. Die bemerkenswerte Geschichte hinter diesem Fund begann im Jahr 1946, als die Harvard Law School ein Manuskript erwarb, das damals lediglich 27,50 Dollar kostete, was inflationsbereinigt heute etwa 450 Dollar entsprechen würde.
In den folgenden Jahrzehnten wurde das Dokument kaum beachtet und nicht als besonderes historisches Erbe erkannt. Erst vor kurzem gelang es zwei renommierten Historikern aus Großbritannien, das Manuskript genauer zu untersuchen und seine verblüffende Echtheit zu bestätigen. Die Wissenschaftler, darunter Professor David Carpenter von King's College London und Professor Nicholas Vincent von der Universität East Anglia, nutzten modernste Techniken wie ultraviolettes Licht und spektrale Bildgebung, um die stark verblassten Stellen zu analysieren und den Text des Dokuments zu rekonstruieren. Ihre Untersuchungen zeigten, dass sowohl die Handschrift als auch die Größe und der Text exakt denen von sechs weiteren bekannten Magna Carta-Exemplaren entsprechen, die aus der Zeit um das Jahr 1300 stammen. Dabei handelt es sich um den letzten, offiziellen Stand des Dokuments aus der Regierungszeit König Eduards I.
Diese Erkenntnis ist von großer historischer Bedeutung, weil die Magna Carta über die Jahre vielfach neu ausgestellt und angepasst wurde. Während viele Leute nur die Urfassung von 1215 oder später bekannte Versionen kennen, wurden insgesamt bis zu 200 Originale ausgefertigt und verteilt. Bis heute sind nur 24 Exemplare erhalten geblieben, die meisten befinden sich in Großbritannien. Zwei Originale finden sich in den Vereinigten Staaten in Washington D.C.
, eines in Australien in Canberra – und nun hat Harvard mit seinem Fund ein weiteres bedeutendes Original in seinen Archiven. Die Echtheitsfeststellung des Dokuments hat nicht nur einen enormen kulturellen, sondern auch finanziellen Wert. Professor Vincent bezog sich auf den Verkauf eines Magna Carta-Exemplars aus dem Jahr 1297, das 2007 bei einer Auktion in New York für 21 Millionen US-Dollar versteigert wurde. Dies unterstreicht, dass das Harvard-Dokument, auch wenn der genaue Wert schwer zu bestimmen ist, in einer ähnlichen Liga spielt und als unschätzbares Erbe gilt. Die Herkunft dieses Exemplars verweist auf die Stadt Appleby in Cumbria, England.
Die Spur führt zu der wohlhabenden Landbesitzerfamilie Lowther, die das Dokument im 18. Jahrhundert an den bekannten Abolitionisten Thomas Clarkson weiterreichte. Clarkson war maßgeblich im Kampf gegen die Sklaverei und dessen Nachlass gelangte über mehrere Generationen schließlich zum letzten Besitzer, der das Manuskript in den 1940er Jahren versteigerte. Die Londoner Buchhändler hatten das Dokument zunächst für 42 Pfund erworben – ein Preis, der im Vergleich zu seinem heutigen Wert geradezu lächerlich erscheint und es ermöglicht hat, dass Harvard es günstig kaufen konnte. Der Fund wirft auch ein Licht auf die Rolle von Bibliothekaren und Archivaren, deren sorgfältige Arbeit oft übersehen wird, aber grundlegend dafür ist, dass solche Schätze bewahrt und zugänglich bleiben.
Die Harvard Law School kommentierte, dass die Zusammenarbeit von Forschern und Bibliothekaren den Schlüssel für diese bemerkenswerte Entdeckung darstellt. Versteckte Dokumente wie das Manuskript HLS MS 172 können nur durch die Öffnung von Sammlungen und die fortschrittliche digitale Zugänglichmachung erforscht und auf ihren Wert hin überprüft werden. Die Professores hoffen nun, dass die Universität das Magna Carta-Original bald öffentlich präsentieren wird, um die breite Bevölkerung über deren Bedeutung und die historischen Errungenschaften aufzuklären, die das Dokument symbolisiert. Die Magna Carta ist mehr als nur ein altes Papierstück; sie steht als Symbol für die Rechtsstaatlichkeit, die Begrenzung monarchischer Herrschaft und die Grundrechte des Individuums. Darüber hinaus lenkt die Entdeckung auch die Aufmerksamkeit auf die faszinierende Geschichte juristischer Dokumente und deren Einfluss auf die moderne Rechtsprechung.
Die Magna Carta diente als Vorlage für zahlreiche Verfassungen und Rechte weltweit und ist ein Grundstein für die Konzepte der Freiheit und Gerechtigkeit. Die Tatsache, dass ein solches wertvolles und geschichtsträchtiges Dokument jahrelang unbeachtet in einem Universitätsarchiv lag, zeigt, wieviel unentdecktes Wissen noch in Bibliotheken schlummert. Die Erforschung historischer Dokumente wie dieses offenbart zudem, wie sorgfältig und komplex die Überlieferung in mittelalterlicher Zeit war. Neue Techniken der Bildgebung und Textanalyse ermöglichen es Wissenschaftlern heutzutage, selbst stark beschädigte Quellen zu lesen und zu rekonstruieren, was vorher unmöglich schien. Dadurch können verlorene Details wiederhergestellt und Ikonen der Rechtsgeschichte in neuem Licht betrachtet werden.
Zusammenfassend ist die Wiederentdeckung des Harvard Magna Carta-Manuskripts ein Meilenstein in der Erforschung mittelalterlicher Rechtsgeschichte und eine Erinnerung an den unermesslichen Wert kultureller Schätze. Sie zeigt vor allem, wie wichtig es ist, alte Archive nicht nur zu bewahren, sondern auch aktiv zu erforschen, um Geschichten von Freiheit, Recht und Menschlichkeit immer wieder neu erzählen zu können. Die Magna Carta bleibt ein lebendiges Symbol für die Wahrung von Rechten gegen Unterdrückung und ein begehrtes Zeugnis des Fortschritts auf dem Gebiet des Rechtsstaates.