Die Geschichte von Legend Entertainment ist eine faszinierende Reise durch die sich wandelnde Welt der Computerspiele, die exemplarisch für viele Studios steht, die sich den drastischen Veränderungen der Branche in den 1990er Jahren stellen mussten. Gegründet 1989 von Bob Bates und Mike Verdu, wollte Legend Entertainment ursprünglich die Tradition von Infocom weiterführen – jenem Pionier der textbasierten Abenteuer, der mit Titeln wie Zork Gaming-Geschichte schrieb und viele Herzen von Spielerinnen und Spielern gewann. Legend stand dabei für eine großzügige Interpretation des Textabenteuers, die die Grenzen dieses Genres neu definierte und gleichzeitig den Geist von Infocom bewahrte. In den Anfangsjahren entwickelte das Studio komplexe parserbasierte Spiele, bei denen ein ausgereiftes Menüsystem das klassische Tippen immer mehr ersetzte. So wurden Verben, Nomen und Präpositionen teilweise durch Menüs zugänglich, was den Zugang erleichterte und das Spielerlebnis mit Soundeffekten, Musik und Illustrationen bereicherte.
Diese Spiele belebten das Textabenteuer nicht nur wieder, sondern gaben ihm durch innovative multimediale Elemente eine neue Dimension. Die Konkurrenz und die sich ändernden Erwartungen der Spieler sorgten jedoch schon bald für den Wandel. In den frühen 1990ern begann Legend Entertainment die traditionelle Parser-Engine zu verwerfen und spielte nun voll auf Point-and-Click-Abenteuerspiele. Diese zweite Phase spiegelte eine Verlagerung der Spielformate wider, in der weniger die Eingabe von Befehlen, sondern mehr das intuitive Anklicken von Elementen auf einem Bildschirm im Vordergrund stand. Legend schuf in diesen Jahren eher subtilere Abenteuer, die weniger auf große Effekte oder breite Vermarktung setzten als beispielsweise Sierra oder LucasArts, aber bei einer treuen Fangemeinde für ihre non-frustrating Designs – also Spiele, die auf sinnvolles Rätseldesign anstatt auf Frustmomente setzen – hoch angesehen waren.
Außerdem begann das Studio stärker mit lizenzierten literarischen Werken zu arbeiten, die den Spielen durch exzellentes Writing einen gewissen Anspruch verliehen. Ein besonders ambitioniertes Projekt war Mission Critical aus dem Jahr 1995, ein Weltraum-Science-Fiction-Abenteuer, das weit über konventionelle Genresprünge hinausging. Gefördert durch eine Investition von 2,5 Millionen Dollar des Verlagsriesen Random House und mit einer aufwändigen Live-Action-Introsequenz mit Michael Dorn (berühmt als Worf aus Star Trek: The Next Generation), zeigte dieses Spiel die wahre Leidenschaft von Mike Verdu für den Sci-Fi-Bereich. Mission Critical konnte mit einem komplexen Echtzeitstrategiespiel, vielschichtigem Weltaufbau und einer ambitionierten Story aufwarten. Trotz seiner hoch gesteckten Ziele musste das Spiel allerdings mit enttäuschenden Verkaufszahlen kämpfen und wurde von der Masse an interaktiven Filmen und Adventure-Spielen dieser Zeit – allen voran Sierra’s Phantasmagoria – schlichtweg überstrahlt.
Die finanzielle Bilanz war drastisch und führte zu tiefgreifenden Konsequenzen für Legend Entertainment. Der Verlust von über zwei Millionen Dollar bei einem Umsatz von weniger als drei Millionen Dollar machte das Überleben des Studios fraglich und führte zu Spannungen mit dem Geldgeber Random House. Im folgenden Jahr 1996 veröffentlichte Legend einen weiteren unerwarteten Titel: Star Control 3. Dieses Projekt war eine Lizenzierung des beliebten Weltraum-Abenteuers Star Control II, ursprünglich von Toys for Bob entwickelt. Nachdem Toys for Bob kein Interesse an einer Fortsetzung hatte, übernahm Legend das Franchise nach intensivem Drängen ihres langjährigen Mitarbeiters Michael Lindner als Lead Designer.
Star Control 3 sollte sowohl die klassischen Elemente des Action-Adventure aufgreifen als auch neue Features wie ein Koloniemanagement einführen. Trotz guter Kritiken von Fachmagazinen wie Computer Gaming World und GameSpot blieb die Freude unter den Fans überschaubar. Besonders die eingefleischte Anhängerschaft von Star Control II lehnte die Fortsetzung abschätzig ab, da sie die Abwesenheit der Originalentwickler und den neuen Stil ablehnten. Das Spiel zeigte Schwächen, die insbesondere in überfrachteten und wenig spaßigen Elementen wie dem Koloniesystem zum Tragen kamen. Das Feature wirkte eher als lästige Pflicht denn als Bereicherung und zog das Tempo und den Spielspaß nach unten.
Das Interface und die Action-Kämpfe entsprachen nicht den hohen Erwartungen und hatten Schwierigkeiten, die Atmosphäre und den Charme des Vorgängers einzufangen. Somit stand Star Control 3 symbolisch für Legend Entertainment in einer Zwickmühle: neue Wege zu gehen und dabei die eigene Expertise teilweise aufzugeben führte nicht zum erhofften Erfolg – während das Beharren auf Altbewährtem oft nur wenig frische Impulse brachte. Diese Phase sollte jedoch nicht das Ende der Abenteuerpioniere sein, sondern ein entscheidender Wendepunkt. Legend ging andere Wege, um sich in einer sich rasant verändernden Welt der Computergames zu behaupten. Neben der Arbeit an Star Control 3 und den schwierig verkauften Adventures wurde klar, dass die Zeit der klassischen Point-and-Click-Abenteuer unter Druck geraten war.
Die Veröffentlichung von Phantasmagoria durch Sierra war das letzte große Commercial-Hit-Abenteuer, und das Genre begann langsam seinen Zenit zu überschreiten. Stattdessen gewannen First-Person-Shooter (FPS) und Echtzeit-Strategiespiele immer mehr an Bedeutung – Genres, die bei der Gründung von Legend noch nicht einmal existierten. Mike Verdu, der in seiner Spielvorlieben offener für vielfältige Genres war als Bob Bates, erkannte diese Entwicklung früh. Er sah die Möglichkeit, die narrative Stärke und die sorgfältige Weltgestaltung, für die Legend bekannt war, auf das Shooter-Genre zu übertragen. Die Idee: Shooter mit einer tieferen Geschichte, glaubwürdigen Charakteren und Adventure-artigen Elementen, die über das reine Ballern hinausgehen sollten.
Dies war zu einer Zeit revolutionär, als die meiste Shooter-Erfahrung eher auf simpler Action basierte, ohne große Erzählbögen. Die Projekte Jedi Knight von LucasArts und Half-Life von Valve waren Beispiele für diesen Trend. Legend war konzeptionell gut positioniert, um hier anzusetzen, brauchte aber dringend Kapital, um diesen ambitionierten Schritt zu finanzieren. Das Studio suchte Partner, die bereit waren, Risiken einzugehen und den Ausstieg aus der Adventure-Nische zu ermöglichen. Den großen literarischen Lizenzdeckel hatten sich Bates und Verdu bereits geschnappt: Robert Jordans Fantasy-Epos "Das Rad der Zeit" (Wheel of Time), eine der zu dieser Zeit kommerziell erfolgreichsten Fantasy-Reihen.
Der Plan war, ein 3D-Action-Adventure oder Shooter im universellen Universum der Bücher zu entwickeln, um mit der neuen Technik und den erzählerischen Möglichkeiten zu überzeugen. Sie fanden schließlich mit GT Interactive einen passenden Publisher, der mit dem Unreal-Engine-basierten Shooter "Unreal" eine spieltechnologische Releasemacht war und dem Studio das nötige Vertrauen und Ressourcen zukommen ließ. Doch die Entwicklung erwies sich als komplexer und länger als erwartet – das Spiel erschien erst Ende 1999, über zweieinhalb Jahre nach Beginn. Während Legend sich also auf die Zukunft fokussierte, blieben einige Entwickler dem klassischen Abenteuer treu und brachten zwei weitere traditionelle Spiele heraus. Das erste war die Adaption von Spider Robinsons "Callahan’s Crosstime Saloon".
Dieses Spiel folgte der unaufgeregten, warmherzigen Erzählweise der Bücher, die einem eher als behagliche Sitcom mit Sci-Fi-Elementen beschrieben werden kann. Für Fans der literarischen Vorlage bot das Spiel authentische Umsetzungen und eine Vielzahl von Szenarien, die an verschiedensten Orten spielten. Doch die humoristischen Eigenarten der Vorlage – Wortspiele, Kalauer, respektvolle, aber stellenweise vielleicht zu gemütliche Atmosphäre – kamen nicht bei jedem Spieler ideal an. Die Kombination aus umfangreichen Hotspots und ausführlichen Texten führte zu einer langsamen Spielgeschwindigkeit, die man mögen muss. Wesentlich erfolgreicher künstlerisch und atmosphärisch, wenn auch kommerziell ähnlich bescheiden, war Legend’s letztes Adventure "The Blackstone Chronicles – An Adventure in Terror" basierend auf der gleichnamigen Horror-Buchreihe von John Saul.
Das Spiel spielte in einem alten, verlassenen Irrenhaus in Neuengland und erzählte eine emotionale, düstere Geschichte rund um Geister, traurige Schicksale und psychologischen Horror. Erstmalig leitete Bob Bates wieder ein Projekt als Lead Designer, wobei ein Großteil der Programmierung ausgelagert wurde. Die Umsetzung des Asyls in einer 3rd-Person-Point-of-View-Myst-artigen Grafik und kreatives Sounddesign erzeugten eine melancholisch-gruselige Atmosphäre, die noch lange nachhallte. Anders als in konventionellen Horror-Spielen ging es weniger um Jump-Scares als um das Spiel mit psychologischen Schatten und tragischen Figuren. John Saul zeigte echtes Interesse an der Entwicklung und stand beratend zur Seite, was sich im hochwertigen narrativen Aufbau widerspiegelte.
Trotz der hohen Qualität und der ansprechenden Geschichte blieb der Erfolg auf dem Markt aus. Der Adventure-Boom war schon seit Jahren vorüber, und weder Callahan’s noch Blackstone konnten genug Aufmerksamkeit oder Umsatz generieren, um Legend langfristig in diesem Genre zu halten. Das Vorhaben, den Horror-Adventure-Markt im Jahr 1998 oder 1999 noch einmal zu beleben, scheiterte somit trotz künstlerischer Stärken deutlich. Am Ende dieses bewegten Jahrzehnts steht Legend Entertainment als Beispiel für die Herausforderungen und Chancen, die das sich rasant wandelnde Spielegeschäft bot. Von den Anfängen als textparser-basierte Abenteuerfirma, die Innovationen in Richtung Multimedia wagte, über die Point-and-Click-Erlebnisse bis hin zu ambitionierten Hybridprojekten im Bereich Weltraumstrategie und Action-Adventures mitten im sich wandelnden Markt der späten 90er, wurde stetig versucht, sich neu zu erfinden.
Mit dem 3D-Shooter "Wheel of Time", der in einem anderen Artikel dieser Serie Thema sein wird, begann schließlich der dritte Abschnitt der Firmenhistorie, die sich endgültig vom Adventure-Traditionserbe entfernte und in ein neues Zeitalter aufbrach. Der Abstieg des klassischen Adventures war für Legend zu einer Realität geworden, der selbst mit Liebe zum Detail und literarischer Qualität nicht mehr entgegengewirkt werden konnte. Die Veränderungen in den vertrieblichen Rahmenbedingungen, der steigende Druck der Wettbewerber, die schrumpfenden Verkaufszahlen und der Übergang der Spielerpräferenzen hin zu actionorientierten und grafisch aufwändigen Spielen führten schließlich dazu, dass Legend einen radikalen Wandel vollziehen musste – ein Wandel, der die Pionierzeit des Studios besiegelte. Aus heutiger Sicht sind Legends letzte Abenteuer Kulturgüter, die einen besonderen Platz in der Geschichte des Genres und der Spieleentwicklung verdienen. Sie zeigen, welche Potenziale, Schwierigkeiten und Motivationen eine Boutique-Schmiede wie Legend in einem sich schnell verändernden Markt erlebte.
Wer heute diese Spielegeneration entdeckt, erlangt nicht nur einen Eindruck von den kreativen Stärken einer vergangenen Ära, sondern auch vom leidenschaftlichen Kampf um Relevanz in einer digitalen Welt des Übergangs.