Die Augen sind nicht nur das Fenster zur Welt, sondern auch ein empfindliches und komplexes Organ, das präzise diagnostische Aufmerksamkeit benötigt. Insbesondere Aspekte wie der Augeninnendruck (IOP) und die Augenbewegung (EM) spielen eine entscheidende Rolle bei der Früherkennung und Behandlung von Augenerkrankungen wie dem Glaukom oder neurophysiologischen Erkrankungen, die mit der Kontrolle der Augenbewegung zusammenhängen. Bislang wurden diese Parameter hauptsächlich durch traditionelle Geräte wie Tonometern oder Eye-Tracking-Systemen bestimmt, die jedoch meist präzise Messungen nur bei geöffneten Augen erlauben und oft mit größeren Einschränkungen bei der Langzeitüberwachung verbunden sind. Hier kommen hoch entwickelte intelligente Kontaktlinsen ins Spiel, die eine neue Ära der kontinuierlichen und komfortablen Augenüberwachung, auch während des Schlafs oder bei geschlossenen Augen, einläuten. Die Herausforderung bei der Messung des Augeninnendrucks besteht vor allem darin, die Schwankungen über den Tag hinweg sowie während des Schlafs exakt zu erfassen.
Es ist erwiesen, dass der Augeninnendruck starken zirkadianen Schwankungen unterliegt und nachts, üblicherweise beim Liegen, Werte erreichen kann, die um mehrere Millimeter Quecksilbersäule höher liegen als tagsüber. Diese nocturnalen Spitzen stellen ein besonders hohes Risiko für Patienten dar, die an Winkelblockglaukom leiden, da akute Anfälle nachts wesentlich wahrscheinlicher sind. Klassische Verfahren wie die Goldmann Applanationstonometrie bieten sehr präzise Messungen, sind aber invasiv, erfordern professionelle Anwendung und wegfallen bei geschlossenen Augen oder im Schlaf. Entsprechend entstanden zahlreiche Bestrebungen, tragbare und nicht-invasive Sensoren zu entwickeln, wobei intelligente Kontaktlinsen mit eingebetteter Sensortechnik sich als besonders vielversprechend erwiesen haben. Innovative bimodale Kontaktlinsen-Systeme nutzen hierbei ein Zusammenspiel von Sensoren, die einerseits auf elektromagnetischer Kapazität beruhen, um den Augeninnendruck zu messen, und andererseits magnetische Sensoren, um feinste Augenbewegungen aufzuzeichnen.
Das sogenannte stretchable bimodale Kontaktlinsen-Konzept bindet spiralförmige Kupferspulen im Serpentinen-Design in ein flexibles, biokompatibles Polymer ein, welches sich optimal an die Krümmung des menschlichen Augapfels anpasst. Zwischen diesen Schichten ist eine hauchdünne magnetische Zwischenschicht aus einem NdFeB/PDMS-Komposit eingelagert, welches als präziser Sensor für die Augenbewegungen fungiert. Während die empfindliche Kapazitätsmessung verlässlich den Druck auf das Auge selbst bei geschlossenen Lidern registriert, detektiert die magnetische Komponente Bewegungen des Augapfels in Echtzeit und mit hoher Genauigkeit. Die erforderliche Flexibilität und Biokompatibilität sind bei der Kontaktlinsentechnik essenziell, da sie eine lange Tragezeit ohne Unwohlsein, Irritationen oder Schädigungen des empfindlichen Korneagewebes ermöglichen müssen. Ausgiebige Studien an Tiermodellen, insbesondere an Kaninchen, belegen, dass die eingesetzten Materialien nicht toxisch sind und keinerlei inflammatorische Reaktion hervorrufen.
Die Linsen weisen dabei eine Dicke von nur etwa 0,2 Millimeter auf, sind transparent und gestalten die Sicht für den Träger kaum beeinträchtigt. Darüber hinaus sind sie so konstruiert, dass sie größere Bewegungen wie Streckung oder Verwindung souverän ausgleichen, ohne ihre Funktionalität zu verlieren. Die Messungen selbst werden kabellos über spezialisierte Lesegeräte, die in den Brillenrahmen integrierbar sind, empfangen und ausgewertet. Dadurch entfällt die bisherige Abhängigkeit von sperrigen oder kabelgebundenen Geräten. Die Daten werden in Echtzeit erfasst und können unmittelbar an mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablets gesendet werden, um eine kontinuierliche und flexible Überwachung des Augenstatus auch außerhalb der klinischen Umgebung zu gewährleisten.
Dies ist vor allem für Patient:innen mit Glaukom oder anderen degenerativen Augenerkrankungen ein Meilenstein, da sie so besser überwacht werden und Therapien präziser angepasst werden können. Neben der Kapazitätsmessung des Augeninnendrucks stellt die genaue Erfassung der Augenbewegungen einen weiteren wichtigen Fortschritt dar. Klassische Eye-Tracking-Verfahren sind oft durch den Einfluss von Lidern, Wimpern und unerwünschten Reflexionen beeinträchtigt und eignen sich daher nur begrenzt zur Anwendung bei geschlossenen Augen oder nachts. Die neuartige magnetische Sensorik des Kontaktlinsensystems ermöglicht hingegen eine präzise orts- und richtungsgebundene Bestimmung von Augenpositionen. Dies eröffnet Perspektiven für neurologische Diagnosen, da Pathologien wie etwa ein Aufmerksamkeitsdefizit oder neurodegenerative Erkrankungen durch charakteristische Muster von Augenbewegungen diagnostiziert werden können.
Darüber hinaus bieten sich Anwendungsfelder wie Assistenzsysteme für Menschen mit körperlichen Einschränkungen, die beispielsweise durch Blicksteuerung Computer bedienen können. Die Signale von intraokulärem Druck und Augenbewegung werden dabei durch ausgefeilte Deep-Learning-Algorithmen analysiert und interpretiert. So können selbst kleinste, komplexe Bewegungsmuster erkannt und zuverlässig differenziert werden. Die Systeme erreichen in Studien eine Genauigkeit von über 97 Prozent, sowohl bei geöffneten als auch bei geschlossenen Augen. Dies ist ein deutlicher Fortschritt gegenüber bisherigen Ansätzen, die sich meist auf offene Augen oder einzelne Parameter beschränkten.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Entwicklung flexibler, bimodaler und selbstentkoppelnder Kontaktlinsen ein bedeutendes technologisches und medizinisches Wunder vollbringt. Das Zusammenspiel von innovativem Materialdesign, fortschrittlicher Sensorik, kabelloser Datenübertragung und intelligenter Datenauswertung bringt eine Plattform hervor, die die Grenzen der bisherigen Augenüberwachung neu definiert. Diese Technologie wird es ermöglichen, chronische Augenerkrankungen wie Glaukom effizienter zu diagnostizieren und besser zu überwachen, indem sie die nächtlichen Druckspitzen und geschlossene Augenbewegungen erfasst – bislang Bereiche, in denen Messmethoden oft versagt haben. Patienten profitieren von einer komfortableren Methode, die weniger klinische Besuche erfordert und eine bessere Integration in den Alltag ermöglicht. Die Perspektive für die Zukunft ist vielversprechend: Mit zunehmender Miniaturisierung, verbessertem Tragekomfort und erhöhter Sensitivität könnten diese intelligenten Kontaktlinsen bald Standard bei der ophthalmologischen Diagnostik werden.
Zudem bietet die Technologie Potenzial für weitere multimodale Anwendungen, z. B. das gleichzeitige Monitoring weiterer wichtiger Parameter am Auge wie Sauerstoffsättigung, Temperatur oder metabolischer Veränderungen. Dies würde die persönliche, präventive Medizin weiter revolutionieren und maßgeschneiderte Behandlungsstrategien fördern. Insgesamt zeigt die Entwicklung geschlossener Augenüberwachung mittels smarter Kontaktlinsen eindrucksvoll, wie interdisziplinäre Forschung in Materialwissenschaften, Elektrotechnik, Medizin und künstlicher Intelligenz zusammenwirkt, um neue, patientenorientierte Lösungen in der Augengesundheit zu schaffen.
Die stetige Verbesserung der Technologie und die Integration in den klinischen Alltag wird die Lebensqualität von Millionen Menschen weltweit nachhaltig verbessern und gleichzeitig faszinierende neue Möglichkeiten im Bereich der digitalen Medizin und Wearables eröffnen.