In den letzten Jahren hat sich das Thema Künstliche Intelligenz (KI) rapide entwickelt und ist in nahezu allen Technologiebereichen präsent geworden. Besonders im Bereich des Site Reliability Engineering (SRE) rückt AIOps, die Anwendung von KI und maschinellem Lernen für IT-Operations, zunehmend in den Fokus. Doch trotz des enormen Hypes sind viele SREs gegenüber KI-Lösungen skeptisch – eine Haltung, die tief in ihrer Erfahrung und Verantwortung wurzelt. In einem offenen Brief, der auf der USENIX-Konferenz im März 2025 vorgestellt wurde, richten Experten von Honeycomb.io eine klare Botschaft an Anbieter von KI-basierten Lösungen, die sich an SREs wenden.
Dieser Aufruf fordert Anbieter dazu auf, Beweise für die Wirksamkeit ihrer Produkte zu liefern und einen echten pragmatischen Mehrwert zu bieten, anstatt nur Marketingversprechen zu präsentieren. Die Skepsis der SRE-Community ist kein Zufall. SREs tragen die Verantwortung dafür, dass komplexe verteilte Systeme zuverlässig laufen. Hierbei lassen sich keine Experimente mit bloßen Versprechungen eingehen. Systeme, die ausfallen, verursachen nicht nur massive Störungen, sondern gefährden häufig auch die Reputation von Unternehmen und den Geschäftserfolg.
Daher reagieren SREs zurückhaltend auf Technologien, die mehr Hype als Nutzen mitbringen. Diese Zurückhaltung ist eine gesunde Grundhaltung, die auf jahrzehntelanger Erfahrung mit Systemausfällen und ineffizienten Werkzeugen beruht. Gleichzeitig erkennen viele SREs, dass die rasante Entwicklung im Bereich der generativen KI kein kurzlebiger Trend ist. Im Gegenteil, diese Technologien haben das Potenzial, den Betrieb von Software-Infrastrukturen fundamental zu verändern. Der offene Brief betont, dass gerade die Skeptiker und pragmatischen Betreiber sich aktiv mit KI auseinandersetzen sollten, um den Wandel mitzugestalten, anstatt an alten Mustern festzuhalten.
KI könnte dabei helfen, komplexe Probleme bei der Überwachung, Fehlerdiagnose, Vorhersage von Ausfällen und Automatisierung von Reaktionsmaßnahmen zu lösen. Das verspricht verbesserte Software-Lieferzyklen und höhere Stabilität der Systeme. Doch die entscheidende Frage bleibt: Wie kann die SRE-Community die zahlreichen Behauptungen der Anbieter prüfen und die Spreu vom Weizen trennen? Die Autoren des offenen Briefs raten zu einem sehr pragmatischen Zugang. Anbieter müssten messbare Daten, valide Metriken und transparente Nachweise bieten, die zeigen, wie ihre KI-Lösungen tatsächlich zu einer nachhaltigen Verbesserung im Betrieb beitragen. Pauschale Versprechen und Marketingphrasen genügen nicht mehr.
Die KI-Tools müssen reale Probleme verstehen und lösen – wie etwa das Vermeiden von Fehlalarmen, die Beschleunigung der Root-Cause-Analyse oder die Steigerung der Resilienz in verteilten Systemen. Charity Majors, Co-Gründerin und CTO von Honeycomb.io, bringt es auf den Punkt: Moderne Observability ist die Grundlage für eine erfolgreiche Integration von KI in den Betrieb. Nur wenn ein tiefes Verständnis der Systemdaten vorliegt, kann KI tatsächlich sinnvoll eingesetzt werden. Das bedeutet, dass AIOps-Lösungen auf transparenter, nachvollziehbarer und strukturierter Datenanalyse aufbauen müssen.
So werden automatisierte Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen erst möglich. Majors‘ reiche Erfahrung aus der Verwaltung riesiger verteilter Systeme bei Firmen wie Facebook unterstreicht die Glaubwürdigkeit und Pragmatik ihres Ansatzes. Fred Hebert, Staff SRE bei Honeycomb.io, ergänzt, dass KI-Lösungen auch die Menschen hinter den Systemen unterstützen müssen. Es gehe nicht darum, SREs zu ersetzen, sondern ihre Arbeit besser und effektiver zu machen.
Aspekte wie On-Call-Gesundheit, Alarmhygiene, Fehlerbudgets und Reaktionsfähigkeit stehen im Mittelpunkt. AIOps sollte die psychologische Belastung reduzieren und gleichzeitig die betriebliche Effizienz steigern. Der Mensch bleibt hier ein zentraler Faktor, KI ist ein Werkzeug zur Erweiterung menschlicher Fähigkeiten. Für Anbieter lohnt sich dieses Feedback, denn die Erwartungshaltung im Markt ist klar: Nur wer bewährte Ergebnisse liefern kann, wird langfristig erfolgreich sein. Hype, leere Versprechen oder gar „Schlangenöl“ führen zu Vertrauensverlust.
Die Herausforderung besteht darin, die oft hochkomplexen Probleme im Betrieb verständlich anzugehen und messbare Verbesserungen zu erzielen. Der offene Brief fordert Anbieter außerdem auf, sich aktiv mit der SRE-Community auszutauschen, offen Feedback aufzunehmen und die Lösungen kontinuierlich zu verbessern. Nur durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und echten Dialog lässt sich die starke Skepsis überwinden. Dieser Weg erfordert Geduld, Transparenz und ein tiefes Verständnis für die Herausforderungen des realen Betriebs. AIOps ist kein Allheilmittel.
Doch mit einem klaren Fokus auf Realität, Datenqualität und menschliche Faktoren kann die Anwendung von KI im Betrieb einen echten Unterschied machen. Die Zukunft der IT-Operations wird hybrider sein, in der Menschen und KI-Systeme Hand in Hand arbeiten, um Systeme resilienter, skalierbarer und sicherer zu gestalten. Abschließend lässt sich festhalten, dass der offene Brief von Charity Majors und Fred Hebert wichtige Impulse für Anbieter und Nutzer gleichermaßen liefert. Der Appell lautet: Beweisen Sie den Wert Ihrer KI-Lösungen im Umfeld von SREs mit klaren, nachvollziehbaren Ergebnissen. Nur so wird die viel beschworene Revolution in der IT-Betriebswelt wirklich gelingen und dabei helfen, Software besser und schneller auszuliefern.
Die Zukunft gehört einer verantwortungsvollen und faktenbasierten Integration von KI in den Betrieb – und genau dafür benötigen wir echte Innovation statt oberflächlichen Hype.