Rote Diamanten gehören zu den seltensten und begehrtesten Edelsteinen der Welt. Unter ihnen sind „Fancy Red“ Diamanten besonders außergewöhnlich, da sie eine reine rote Farbe ohne Modifikationen in Bezug auf Braun-, Orange- oder Purpurtöne aufweisen. Einer dieser spektakulären Edelsteine ist der Winston Red, ein 2,33 Karat schwerer Fancy Red Diamant, der als fünftgrößter bekannter Diamant seiner Art gilt und seit dem 1. April 2025 im Smithsonian National Museum of Natural History in Washington, D.C.
, der Öffentlichkeit präsentiert wird. Dieses Juwel verbindet Schönheit, wissenschaftliche Rätsel und eine reiche Geschichte wie kaum ein anderer roter Diamant. Der Winston Red ist nicht nur von beeindruckender Größe, sondern auch wahnsinnig selten in seiner charakteristischen Verteilung der roten Farbe. Es handelt sich um einen Diamanten im „Old Mine Brilliant“ Schliff mit einem Durchmesser von etwa 8 Millimetern, dessen leuchtend rote Farbe gleichmäßig verteilt ist. Trotz seiner relativ niedrigen Klarheitsstufe von I2, die auf einige Einschlüsse, Kantenabschürfungen und einen größeren, jedoch oberflächlichen „Feder“-Einschluss zurückzuführen ist, strahlt der Stein eine unvergleichliche Schönheit aus, die den kleineren Mängeln weit überlegen ist.
Forschungsexperten aus dem Smithsonian, dem Gemological Institute of America (GIA) und weiteren Spezialistitutionen führten eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung des Winston Red durch. Hierbei wurden Verfahren von optischer Mikroskopie über Spektroskopie bis hin zu hochauflösender Photolumineszenz und Kathodolumineszenz genutzt, um die Zusammensetzung und Entstehung des intensiven roten Farbtons zu erforschen. Die Ergebnisse zeigten, dass der Winston Red ein Diamant des Typs IaAB ist, was die Anwesenheit von Stickstoff in aggregierter Form widerspiegelt. Dabei spielen Defekte wie N3, H3 und H4 in der Kristallstruktur eine wesentliche Rolle für die Farbgebung. Ein zentraler Einflussfaktor ist jedoch ein breites Absorptionsband bei 550 Nanometern, das mit plastischer Verformung innerhalb der Diamantstruktur zusammenhängt.
Diese Deformationsprozesse und die damit verbundenen Gitterfehler sind ursächlich für den sattroten Farbton, den man beim Winston Red beobachten kann. Die plastische Verformung ist ein Indiz dafür, dass der Diamant hohen Drücken und Temperaturen ausgesetzt war, wie man sie nur im Erdmantel unter mehr als 100 Kilometern Tiefe findet. Während des Wachstums und in der geologischen Geschichte dieses Steins kam es zu Verschiebungen und Verformungen innerhalb der Diamanten-Gitterstruktur, was wiederum zur Entstehung der charakteristischen roten Farbe führte. Das Zusammenspiel zwischen aggregiertem Stickstoff und den verformungsbedingten Defekten ist einmalig und wohl verantwortlich für das intensive Farbspektrum. Die Analyse solcher Defekte ist entscheidend, um die Entstehung von Fancy Red Diamanten besser zu verstehen, da sie im Gegensatz zu anderen Farbdimensionen (wie zum Beispiel blauen oder gelben Diamanten) sehr selten und komplex in ihrer Verfärbungsursache sind.
Der Winston Red stellt in vielerlei Hinsicht eine Besonderheit dar. Er ist zwar der fünftgrößte reine Fancy Red Diamant der Welt, jedoch der größte jener Diamanten seiner Art, der der Öffentlichkeit ausgestellt wird. Interessanterweise wurde er zuvor als „Raj Red“ bezeichnet, wobei seine Geschichte bis ins Jahr 1938 zurückverfolgt werden kann. Dieser Diamant wurde ursprünglich von Jacques Cartier an den Maharadscha von Nawanagar, Digvijaysinhji, verkauft. Ausschlaggebend ist, dass Cartier den Stein für die berühmte Zeremonielle Halskette von Nawanagar vorgesehen hatte, einem Kunstwerk, das neben über 600 Karat anderer Edelsteine auch den kostbaren roten Diamanten enthalten sollte.
Fotografien aus dem Jahre 1947 zeigen den Maharadscha mit dieser Halskette, in der der Winston Red prominent integriert war. Der Diamant wurde später in den 1980er Jahren vom bekannten Schmuckhändler Ronald Winston erworben, der ihn einer weltweiten Öffentlichkeit präsentierte und ihn schließlich 2023 an die National Gem Collection des Smithsonian übergab. Seitdem zieht der Winston Red im neu eröffneten Ausstellungsraum „Winston Gallery“ unzählige Bewunderer an und steht neben Legenden wie dem Hope-Diamanten. Eine besondere Herausforderung bei der Untersuchung von roten Diamanten besteht darin, deren geologischen Ursprung zu bestimmen. Aufgrund ihrer Entstehung in großen Erdmänteltiefen und der damit einhergehenden geochemisch homogenen Umgebung ist die Herkunft nicht leicht feststellbar.
Für den Winston Red konnten die Wissenschaftler jedoch Hinweise gewinnen, die eine wahrscheinliche Herkunft aus Venezuela oder Brasilien nahelegen. Diese Einschätzung beruht auf dem vergleichbaren Typus von Stickstoff-Defektaggregationen und plastischen Verformungen in Diamanten aus diesen Regionen. Da der Argyle-Mine in Australien, einem bekannten Ursprung für rosa bis rote Diamanten, erst 1979 entdeckt wurde, kann diese Herkunft als ausgeschlossen betrachtet werden, insbesondere da der Winston Red deutlich älter dokumentiert ist. Strukturelle Untersuchungen des Winston Red enthüllten vielfältige, mit bloßem Auge nicht erkennbare Farblamellen und Graining, die typisch für plastisch deformierte Diamanten vom sogenannten Group 1 „pink diamond“ Typ sind. Die intensiven und spiralförmigen Verformungsmuster erzeugen eine gleichmäßige Farbdurchmischung, was den Diamanten selbst bei genauester Betrachtung faszinierend macht.
Diese Deformationsspuren ähneln den sogenannten „Rosenkanälen“, die in pinkfarbenen Diamanten vorkommen und eng mit dem Prozess der Mikrozwillinge in der Kristallstruktur verknüpft sind. Um der Farbursache noch tiefer auf den Grund zu gehen, wurden neben optischen Methoden Techniken wie Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie (FTIR), Photolumineszenz-Spektroskopie (PL) und Kathodolumineszenz (CL) eingesetzt. Diese Verfahren brachten nicht nur neue Erkenntnisse über den Stickstoffgehalt, sondern auch über die Art und Verteilung der Defekte zutage, die im Diamant vorliegen. Eine besondere Rolle spielen Absorptionsbanden bei 550 Nanometern, die in enger Verbindung mit der plastischen Verformung stehen und die lebendige rote Farbe des Diamanten maßgeblich definieren. Die spektroskopischen Befunde untermauern die Klassifikation des Winston Red als einen Group 1 „pink“ Diamanten mit einem relativ niedrigen Gesamtstickstoffgehalt von etwa 83 ppm, das heißt ungefähr 92 % des Stickstoffs liegt in B-Zentren (N4V0) vor.
Diese Gruppierung ist typisch für rosa und rote Diamanten, die in Proterozoischen Kratonen entstanden. Ein weiterer wichtiger Befund ist die Abwesenheit der sogenannten Plättchen (Platelets), was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass sie im Zuge von Deformationen oder Hitzeprozessen zerbrochen wurden. Alle diese Merkmale deuten darauf hin, dass der Winston Red eine komplexe geologische Geschichte durchlaufen hat, die für seine Farbentwicklung zentral ist. Die Untersuchung des Diamanten mit Deep-UV-Fluoreszenz brachte ein weiteres interessantes Phänomen zum Vorschein: Der Stein zeigte eine reversible Photochromie, das heißt seine Farbe verändert sich vorübergehend bei UV-Bestrahlung, wobei sich ein orangebrauner Ton einstellt, der sich nach Bestrahlung mit längerwelligerem Licht wieder zurückbildet. Solche Effekte sind ein typisches Merkmal von fancy farbigen Diamanten, insbesondere von solchen mit rosafarbenen und roten Tönungen.
Der Commitment der Wissenschaftler und das Zusammenspiel verschiedener analytischer Verfahren offenbarten, dass die außergewöhnliche Reinheit und Farbintensität des Winston Red nicht zuletzt auf seine perfekte Balance zwischen Nitrogen-Defekten und der plastischen Verformung zurückzuführen ist. Das Zusammenspiel dieser Faktoren führte dazu, dass sich der 550 nm Farbzentralband besonders ausgeprägt zeigt und die seltene „pure“ rote Farbe entsteht, die Fancy Red Diamanten so unverwechselbar macht. Historisch gesehen stehen rote Diamanten oft für eine Verbindung von kulturellem Erbe und naturwissenschaftlicher Faszination. Der Winston Red ist auch in dieser Hinsicht eine Brücke zwischen beiden Welten. Seine Rolle in der prächtigen Zeremoniellen Halskette von Nawanagar unterstreicht den Reichtum und die Bedeutung dieses Edelsteins in historischen Königshäusern, während seine Sammlung im Smithsonian und die daraus resultierende wissenschaftliche Analyse auf dem neuesten Stand der Forschung den Fokus auf seine geologische und mineralogische Bedeutung legen.
Die Erforschung des Winston Red bietet zugleich wertvolle Erkenntnisse für die Gesamtgruppe der Fancy Red Diamanten. Nur etwa 24 unmodifizierte Fancy Red Diamanten größer als ein Karat sind weltweit bekannt. Im Vergleich zu anderen fancy farbigen Diamanten machen reine rote Diamanten weniger als 0,07 % der Einreichungen in Gemmologischen Laboratorien aus, was ihre Seltenheit unterstreicht. Meist sind sie klein, mit geringer Klarheit, da die plastische Verformung oft Einschlüsse verursacht oder lässt. Entsprechend gering ist die Anzahl großer, makelloser Steine.
Der Winston Red hilft dabei, das Verständnis der geologischen Prozesse zu vertiefen, die außergewöhnlich gefärbte Diamanten hervorrufen können. Die Kombination von hohen Drücken und Temperaturen im Erdmantel sowie plastischer Deformation formten nicht nur die Struktur, sondern auch die Farbwelt dieses Steins und lassen Rückschlüsse auf seine Reise durch den Erdmantel und die Oberfläche zu – eine solche geologische Reise, so zeigen Untersuchungen, ist rar und erfordert perfekte Bedingungen. Durch die laufende Zusammenarbeit zwischen Museen, wissenschaftlichen Institutionen und privaten Sammlern wird die Bedeutung von Steinen wie dem Winston Red keineswegs nur auf ihre Seltenheit als Schmuckobjekt reduziert. Vielmehr erzielen sie eine doppelte Wirkung: Sie begeistern visuell und bieten der Wissenschaft ein einmaliges Labor auf kleinstem Raum. Gerade dieses Zusammenspiel macht den Winston Red zu einem Schlüssel zum besseren Verständnis natürlicher Farbprozesse, geologischer Prozesse und eines faszinierenden Kapitels mineralogischer Forschung.
Abschließend zeigt der Winston Red beispiellos, wie Natur, Geschichte und Wissenschaft verschmelzen können. Seine Ausstellung im Smithsonian bietet einer breiten Öffentlichkeit Einblicke in eine der seltensten Edelsteinarten der Welt. Zugleich setzt sie einen Meilenstein in der Forschung farbigierter Diamanten und lädt dazu ein, weitere spannende Geschichten aus den Tiefen der Erde zu entdecken, die in solchen funkelnden Schätzen verborgen liegen.