Sahil Lavingia, bekannt als Gründer von Gumroad und früherer Mitarbeiter von Pinterest, hat kürzlich in einem offenherzigen Tagebuch seine Zeit bei DOGE geschildert. Nur 55 Tage dauerte sein Engagement bei dieser temporären Regierungsorganisation, die infolge einer Exekutivverordnung von Präsident Trump ins Leben gerufen wurde. Lavingia schildert dabei nicht nur persönliche Erfahrungen, sondern wirft auch ein Licht auf bürokratische Strukturen und den schwierigen Spagat zwischen Innovation und Verwaltung in staatlichen Institutionen. DOGE wurde als Beratungs- und Überwachungsorgan eingesetzt, insbesondere im Department of Veterans Affairs (VA), welcher eine der größten Regierungsbehörden mit etwa 473.000 Mitarbeitern ist.
Ziel war es, ineffiziente Strukturen zu identifizieren und potenzielle Einsparungen durch Vertragsprüfungen sowie Personalabbau aufzudecken. Allerdings offenbarte Lavingias Bericht eine komplexere Realität, die von strikten Regeln bei Personalentscheidungen und der besonderen Statuslage von Veteranen geprägt ist. Für Lavingia war der Einstieg in DOGE ein Wechsel aus seinem aufstrebenden Silicon-Valley-Umfeld in die oft zähe Welt des öffentlichen Dienstes. Seine Motivation, die Regierung durch Technologie zu modernisieren und so direkt positive Veränderungen für die Gesellschaft herbeizuführen, stieß auf teils unerwartete Hürden. Obwohl seine Rolle zunächst ehrenamtlich und ohne Gehalt war, wurde er schnell mit der Aufgabe betraut, „verschwendete“ Verträge und geeignete Kandidaten für Entlassungen bei der VA zu ermitteln.
Dabei waren Faktoren wie Dienstalter und Veteranenstatus entscheidend, Leistung war lediglich ein sekundäres Kriterium. Ein zentraler Kritikpunkt von Lavingia war das fehlende Mandat von DOGE selbst. Die Organisation fungierte mehr als Berater, ohne echte Entscheidungsbefugnis. Die eigentlichen Maßnahmen wurden von den von Präsident Trump ernannten Behördenleitern getroffen, während DOGE als Sündenbock für unpopuläre Entscheidungen diente. Diese Dynamik zeigt die Schwierigkeiten, die bei Reformen in großen Behörden oft auftreten, wenn Innovation auf etablierte Verwaltungsmechanismen trifft.
Lavingia beschreibt die Arbeitskultur als geprägt von vielen Meetings und vergleichsweise wenigen Entscheidungen. Trotz der Größe und vermeintlichen Trägheit der Behörde zeigte sich für ihn, dass viele Abläufe im VA durchaus funktionierten – ein Überraschungseffekt, der seine initiale Skepsis gegenüber der Ineffizienz großer staatlicher Einrichtungen relativierte. Dennoch wurden viele Projekte, die er als wertvoll erachtete, insbesondere zur Verbesserung der Nutzererfahrung bei digitalen Angeboten für Veteranen, nicht umgesetzt. Er erhielt keine Freigabe, seine Entwicklungen in die Produktion zu bringen, obwohl seine Arbeit offen zugänglich gemacht werden durfte. Zu seinen Beiträgen zählten Tools, die interne Dokumente auf relevante Schlagwörter im Bereich Diversität, Gesundheitspolitik und Umweltmaßnahmen durchsuchten, sowie Anwendungen, die Verträge analysierten oder Organisationsstrukturen visualisierten.
Von zentraler Bedeutung war für Lavingia auch das Fehlen eines wachsenden Wissensnetzwerks innerhalb von DOGE – jede technische Arbeit begann faktisch bei Null, ohne bestehende Dokumentationen oder Best-Practice-Methoden zitieren zu können. Der plötzliche und unerwartete Abgang Lavingias nach nur 55 Tagen folgte, nachdem dieser einem Journalisten von Fast Company über seine Arbeit berichtete. Der Entzug seines Zugangs ohne Vorwarnung verdeutlicht, wie sensibel und politisch die Position innerhalb der Organisation war. Dieser Umstand zog Parallelen zu jüngst öffentlich kritisierten Zuständen, etwa durch Elon Musk, der DOGE als „Prügelknaben“ bezeichnete, der für ungeliebte Entscheidungen verantwortlich gemacht wird. Lavingias Perspektive auf seine Zeit bei DOGE bietet wichtige Einsichten in die Herausforderungen von Digitalisierung und Reformen im öffentlichen Sektor.
Große staatliche Einrichtungen wie das VA funktionieren zwar, sind aber oft schwerfälliger als vergleichbare Startups oder private Unternehmen. Zugleich zeigen sich Hemmnisse und Grenzen, die sich aus komplexen sozialen Faktoren wie Veteranenstatus, Dienstalter oder politischer Verantwortung ergeben. Freiwillige und technikaffine Fachkräfte stoßen hier an institutionelle Grenzen, die nicht einfach mit technischem Know-how überwunden werden können. Die Anekdote um den kurzen Aufenthalt von Sahil Lavingia bei DOGE wirkt exemplarisch für die Schnittstelle zwischen Technologie und Staat. Sie betont die Notwendigkeit, realistische Erwartungen an schnelle Reformen im öffentlichen Dienst zu haben und die Bedeutung, sowohl soziale als auch bürokratische Rahmenbedingungen zu verstehen.
Gleichzeitig unterstreicht Lavingias Arbeit, dass technologischer Fortschritt, etwa durch den Einsatz von KI und digitalen Tools, durchaus Potenzial bietet, wenn er mit angemessener Unterstützung und struktureller Offenheit flankiert wird. Zusammenfassend offenbart Sahil Lavingias Bericht die Komplexität, die hinter „Modernerung“ von Regierungsbehörden steht. Während seine Erfahrungen seine anfänglichen Hoffnungen auf rasche Veränderungen dämpften, verdeutlichen sie auch, dass effektive Reformen ein tiefes Verständnis und Geduld erfordern. Ob und wie solche Initiativen langfristig Erfolg haben, bleibt eine offene Frage – doch der Dialog zwischen Experten aus Technologie und Verwaltung wird für den Fortschritt unerlässlich bleiben.