Der Erfolg einer App ist oft das Ergebnis harter Arbeit, innovativer Ideen und cleverem Marketing. Doch gerade wenn der Durchbruch gelungen ist und die Nutzerzahlen stark steigen, offenbart sich oft ein eklatanter Mangel: Barrierefreiheit wurde schlichtweg vernachlässigt. Dabei ist dieser Aspekt nicht nur aus ethischen und gesetzlichen Gründen bedeutsam, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht unverzichtbar. Rund 16 Prozent der Weltbevölkerung leben mit einer Behinderung, die barrierefreie Anwendungen notwendig macht – ignoriert man diese Nutzer, verschenkt man eine beachtliche Zielgruppe und riskiert negative Bewertungen sowie Imageschäden. Für Entwickler, die sich plötzlich mit der Realität konfrontiert sehen, dass ihre App zwar erfolgreich ist, aber vielen Menschen nicht zugänglich, beginnt die Herausforderung, Barrierefreiheit schnell und effektiv nachzurüsten.
Dank moderner Frameworks wie SwiftUI ist dies heute möglich, sofern man gezielt vorgeht und die richtigen Tools kennt. Besonders bei der Gestaltung von Benutzeroberflächen, die sich dynamisch an verschiedene Bedürfnisse anpassen, eröffnen sich dabei neue Chancen. Die erste Hürde für viele Entwickler ist die Auditing-Phase – die genaue Überprüfung, wie es um die Zugänglichkeit einer App bestellt ist. Einen echten Eindruck erhält man nur, wenn man die App auf einem echten Gerät testet, da dort sämtliche eingestellten Accessibility-Features aktiv sind. Für iOS-Nutzer empfiehlt es sich, die Einstellungen im Control Center sorgfältig anzupassen und die Controls für Textgröße und Barrierefreiheitsoptionen hinzuzufügen.
Das ermöglicht schnelles Anpassen der Textskalierung und unkomplizierten Zugriff auf Funktionen wie VoiceOver, AssistiveTouch oder Farbanpassungen. Für eine echte Belastungsprobe sollten insbesondere die größten Schriftgrößen geprüft werden – das reicht von der größten regulären Textgröße (extraExtraExtraLarge) bis hin zur maximal vergrößerten, barrierefreien Einstellung, die bis zu 310 Prozent größer sein kann. Gerade bei letzterer ist oft sichtbar, wo die UI zusammenbricht, Text überlappt oder Buttons außerhalb des sichtbaren Bereichs verschwinden. Wer solche Probleme frühzeitig erkennt, kann sie gezielt beheben und verhindert, dass Nutzer mit Sehbehinderungen oder anderen Einschränkungen frustriert aufgeben. Neben der Anpassung an große Schriftgrößen ist die Unterstützung von Screenreadern ein zentraler Baustein barrierefreier Apps.
VoiceOver auf iOS ist eine mächtige Technologie, die aber ohne geeignete semantische Hinweise in der App nur wenig sinnvoll genutzt werden kann. Entwickler sollten deshalb unbedingt die Standardansicht in SwiftUI mit entsprechenden accessibilityLabelen versehen, damit Bilder, Symbole und wichtige UI-Elemente auch verbal beschrieben werden können. Besonders kritisch sind dabei undurchsichtige Icons oder dekorative Bilder ohne Textalternative, die für Screenreader ansonsten schlichtweg unsichtbar sind. Durch das Kombinieren von UI-Elementen zu einem logischen, einzigen Accessibility-Element mit .accessibilityElement(children: .
combine) kann zudem die Navigation für blinde Nutzer deutlich vereinfacht werden und die App wirkt nicht mehr überfrachtet beim Durchgehen mit dem Finger. Ein oft übersehener Aspekt ist die dynamische Skalierung von Bildern und Icons. Während Text in SwiftUI dank dynamischer Schriftgrößen automatisch skaliert, werden Bilder häufig statisch mit festen Maßen eingesetzt, was bei sehr großen Textgrößen den optischen Gesamteindruck stören kann. Das Property Wrapper @ScaledMetric bietet hier eine hervorragende Lösung: Damit lassen sich Bildgrößen an die aktuelle Textgröße anpassen, sodass das Layout konsistent bleibt und auch bei maximaler Skalierung harmonisch wirkt. Das steigert die Benutzerfreundlichkeit erheblich, denn Nutzer mit großen Textgrößen profitieren von einer UI, die weder überladen noch unübersichtlich ist.
Auch das Layout der App sollte an Barrierefreiheit ausgerichtet sein. Statt grundsätzlich statische Abstände und Spacer zu verwenden, empfiehlt es sich, flexible Rahmen und adaptive Stack-Varianten zu nutzen. So kann das Layout je nach gewähltem Textskalierungsgrad dynamisch angepasst werden – bei kleinen Schriften werden Elemente nebeneinander dargestellt, mit großen Textgrößen wechselt die Anordnung in einen gestapelten vertikalen Modus. Solche intelligenten Bausteine wie A11yHStack helfen Entwicklerteams dabei, ihre Views kontextsensitiv zu gestalten, ohne viel eigenen Pilzcode schreiben zu müssen. Ziel ist stets, dass kein Nutzer durch überlappende Texte, abgeschnittene Buttons oder zu kleine Touchtargets behindert wird.
Ein weiterer großer Vorteil der Barrierefreiheit liegt darin, native UI-Komponenten wie List statt scrollbarer LazyVStacks zu verwenden. SwiftUI List bringt nicht nur Performancevorteile mit sich, weil es auf dem bewährten UICollectionView basiert und Zellen wiederverwertet, wodurch selbst große Datenmengen flüssig dargestellt werden, sondern hat auch von Haus aus semantische Bedeutung für Accessibility-Tools. Für Screenreader ist eine List eine logische Containerstruktur, die schnelle Navigationen erlaubt und unnötige Wiederholungen des Inhalts vermeidet. Anders formuliert: Nutzer müssen nicht mehr 100-mal durch eine Auflistung swipen, um zu wichtigen Buttons zu gelangen. Das erleichtert das gesamte Nutzungserlebnis erheblich.
Zuletzt spielt die Überzeugung der Stakeholder eine wesentliche Rolle, um Accessibility als festen Bestandteil im Produktzyklus zu verankern. Technische Argumente sind wichtig, aber der wahre Schlüssel liegt in der Kommunikation: Wer mit Führungskräften über Barrierefreiheit spricht, sollte nicht nur auf geltende gesetzliche Vorgaben verweisen, sondern auch den betriebswirtschaftlichen Nutzen hervorheben. Nutzer mit Behinderungen sind eine große Zielgruppe, die ansonsten verloren geht, und ein inklusives Design kann die Markenwahrnehmung verbessern und die Kundenzufriedenheit steigern. Außerdem zeigt das tatsächliche Aufzeigen von funktionalen Problemen bei Tests mit großen Schriftgrößen oder Screenreadern oft viel stärker, wie dringend Anpassungen notwendig sind, als theoretische Diskussionen. Empfehlenswert ist zudem die Einbindung eines Accessibility-Champions im Team oder auf Führungsebene, der die Belange aktiv vertritt und damit Barrieren für Verbesserungen im Unternehmen abbaut.
Hat man es geschafft, die anfänglichen Probleme schnell zu lösen und die App barrierearm zu gestalten, sollte Accessibility als natürlicher Bestandteil im Design- und Entwicklungsprozess etabliert werden. Das vermeidet, dass Barrierefreiheit erneut zur Last wird oder im Eifer des Gefechts vernachlässigt wird. Einmal implementierte Standards und wiederverwendbare Komponenten sowie die Nutzung von speziell dafür entwickelten Bibliotheken erleichtern den dauerhaften Umgang. Damit wird die App nicht nur für Menschen mit Einschränkungen besser bedienbar, sondern gewinnt auch an Qualität und Robustheit insgesamt. Der sogenannte Speedrun zur Barrierefreiheit in SwiftUI zeigt, dass sich mit dem richtigen Wissen und den passenden Tools eine umfassende Zugänglichkeit auch nachträglich mit moderatem Aufwand herstellen lässt.
Es bedarf nur eines grundlegenden Change in der Perspektive: Barrierefreiheit ist nicht die Kür, sondern ein Muss auf dem Weg zu einer wirklich nutzerzentrierten App. Egal ob Sie ein Hobbyentwickler sind, der plötzlich mehr Nutzer erreicht, oder ein etabliertes Unternehmen mit einem erfolgreichen Produkt – Barrierefreie Apps sind der Weg, um Vertrauen, Reichweite und nicht zuletzt die Akzeptanz in einer vielfältigen Welt zu sichern.