Im Juni 2025 kündigte G2 die Übernahme von unSurvey an, einer Firma, die mit revolutionärer, mehragentiger KI-Technologie beeindruckte, die angeblich menschlich wirkende, KI-moderierte Gespräche und Interviews durchführt. Die Ankündigung wurde von marketinggetriebenen Begriffen wie „proprietär“, „bahnbrechend“ und „game-changing“ begleitet. Für viele klang das nach einem großen Schritt in der KI-gestützten Marktforschung und Umfragebranche. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich ein ganz anderes Bild, das nicht nur Zweifel an den technischen Innovationen von unSurvey aufwirft, sondern auch die Seriosität der gesamten Übernahme infrage stellt. Die zugrundeliegende Technologie von unSurvey, so zeigen tiefgreifende Untersuchungen, basiert im Kern auf der Integration bewährter KI-Dienste wie OpenAI, Deepgram oder ElevenLabs, anstatt auf einer eigenständigen, selbstentwickelten künstlichen Intelligenz.
Diese Erkenntnis wirft grundlegende Fragen über den Wert der Übernahme und über den wahren Innovationsgrad der Technologie auf. Die vermeintliche „proprietäre Multi-Agenten-KI“ ist in Wirklichkeit ein Orchestrierungssystem, das verschiedene bestehende KI-APIs miteinander verbindet, ähnlich wie ein Zapier für KI-Dienste. Die KI-Assistenten von unSurvey können nicht einmal technische Details zu ihrer eigenen Funktionsweise preisgeben und verweisen stattdessen auf Vertraulichkeitsvereinbarungen, was auf Nutzungsbeschränkungen Dritter hinweist. Die überraschende Wendung dahinter ist der Zusammenhang mit Corrily, dem eigentlichen Mutterunternehmen von unSurvey. Corrily ist ein kleines, Y Combinator unterstütztes SaaS-Startup, das sich auf Preisoptimierung spezialisiert hat und die gleiche Integrationsmethodik, jedoch für Abrechnungssysteme wie Stripe und Chargebee, nutzt.
unSurvey ist somit kein eigenständiges KI-Unternehmen, sondern ein Seitenprojekt von Corrily, das die Integrationsstrategie auf KI-Dienste überträgt. Dies zeigt, dass unSurvey weder ein revolutionärer Technologiewegbereiter noch ein KI-Forschungsunternehmen ist, sondern vielmehr eine geschickte Komposition bestehender Technologien mit einem marketingwirksamen Etikett. Der tiefere Blick in die Dokumentationen von Corrily enthüllt zudem eine Gefahr, die über reine technische Irreführung hinausgeht: Die Plattform verfügt über eine ausgeklügelte Infrastruktur zur Verhaltensmanipulation und Experimentierung, mit der Nutzer in dynamische Kohorten segmentiert werden können, um gezielte Tests und Optimierungen in Echtzeit durchzuführen. Ein Algorithmus – genannt Multi-Armed-Bandit – steuert dabei adaptive Experimente, die das Verhalten beeinflussen, Empfehlungen manipulierbar machen und Verkaufsprozesse als A/B-Tests optimieren. In der Verbindung mit den Möglichkeiten von unSurvey zur automatisierten Generierung von synthetischen, sprachbasierten Kundenerfahrungen entsteht so ein mächtiges System zur intransparenten Beeinflussung von Käufern und Plattformnutzern.
Das bekanntgewordene Potenzial, mit Hilfe von KI-basiertem Voice-Cloning gefälschte, aber authentisch wirkende Kundenstimmen zu erzeugen, birgt massive Risiken für die Vertrauenswürdigkeit von Online-Bewertungen und Testimonials. Das gilt sowohl für Software-Käufer, die sich auf echte Nutzermeinungen verlassen, als auch für Anbieter, deren Reputation durch synthetische, manipulierte Bewertungen beschädigt werden könnte. Unheilsam ist dabei bereits die technische Fähigkeit allein – unabhängig davon, ob G2 diese Funktionalitäten tatsächlich in der Praxis einsetzen wird. G2s Übernahme beinhaltet nicht wirklich ein KI-Forschungsunternehmen mit eigenen Modellen oder innovativer Technologie, sondern den Erwerb einer hochgradig manipulativen Orchestrierungs- und Experimentierplattform, die als „revolutionäre KI“ vermarktet wird. Die Tatsache, dass ein Großunternehmen Millionen für eine in Wahrheit mehrschichtige API-Integration bezahlt, zeigt eine bedenkliche Unkenntnis oder bewusste Irreführung in der Branche.
Die Implikationen reichen weit über den Fall unSurvey hinaus: Die Glaubwürdigkeit von Peer-Reviews und Kundenfeedback als Entscheidungsgrundlage im digitalen Zeitalter wird massiv erschüttert. Wenn die Erstellung von Bewertungen, Testimonials und interaktiven Gesprächen beliebig synthetisch erzeugt und mit authentisch klingenden Stimmen versehen werden kann, entsteht ein enormes Misstrauen gegenüber der Echtheit der Inhalte. Dies könnte den Software-Markt wie auch andere Branchen nachhaltig verändern, denn das Vertrauen in die Erfahrungsberichte anderer als Fundament jeder Kaufentscheidung wird untergraben. Branchenexperten sehen daher die dringende Notwendigkeit, klare ethische Richtlinien, Verantwortlichkeiten und technische Schutzmechanismen für den Einsatz solcher KI-Systeme zu etablieren, um Missbrauch vorzubeugen und Vertrauen wiederherzustellen. Bis diese Maßnahmen greifen, sollte jede Nutzung und Bewertung von KI-generierten Inhalten kritisch hinterfragt werden.
G2s unSurvey-Übernahme ist somit ein Weckruf an die Technologiebranche: Innovation darf nicht durch Marketinghype und technische Täuschung ersetzt werden. Unternehmen müssen transparenter mit ihren KI-Technologien umgehen und aufgrund ihrer umfassenden Wirkung Verantwortung übernehmen. Nur so kann die Integrität digitaler Ökosysteme, wie jener der Softwarebewertung, bewahrt bleiben. Die Entwicklung zeigt, wie wichtig es ist, nicht nur die oberflächliche Versprechungen technischer Neuerungen zu betrachten, sondern auch die dahinter liegende Substanz genau zu analysieren. Letztlich steht viel auf dem Spiel – das Vertrauen von Millionen von Software-Nutzern, die auf transparente und ehrliche Informationen angewiesen sind, um sinnvolle Entscheidungen zu treffen.
Die G2/unSurvey-Story fordert eine kritische Debatte darüber, wie KI-Technologie in Zukunft eingesetzt und reguliert werden sollte, damit sie zum Nutzen aller und nicht zur Untergrabung von Vertrauen beiträgt.