Die Suche nach Therapien, die das Altern hinauszögern und die Lebensdauer verlängern, hat mit der Weiterentwicklung der medizinischen Wissenschaft stark an Bedeutung gewonnen. Besonders bei chronischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes steht nicht nur die Blutglukosekontrolle im Fokus, sondern zunehmend auch die Auswirkung der Medikamente auf die allgemeine Lebenserwartung und die verschiedensten Alterungsprozesse. Zwei der am häufigsten verschriebenen oralen Antidiabetika sind Metformin und Sulfonylharnstoffe. In den letzten Jahren rückt Metformin vermehrt als ein potenzielles Gerotherapeutikum in den Mittelpunkt, welches über seine blutzuckersenkende Wirkung hinaus einen positiven Einfluss auf das Altern und die Langlebigkeit haben könnte. Doch wie verhält sich Metformin im direkten Vergleich zu Sulfonylharnstoffen in Bezug auf außergewöhnliche Langlebigkeit? Eine neue Studie unter Einbeziehung älterer Frauen mit Typ-2-Diabetes liefert spannende Erkenntnisse zu dieser Fragestellung.
Die Definition außergewöhnlicher Langlebigkeit umfasst eine Lebensdauer, die weit über den durchschnittlichen Erwartungen liegt, häufig das Erreichen des 90. Lebensjahres und darüber hinaus. Es handelt sich dabei nicht nur um das Vermeiden früher Mortalität, sondern auch um eine bessere Gesundheit in sehr hohem Alter, spricht für eine erweiterte sogenannte Gesundheitsspanne. Die Women's Health Initiative (WHI), eine umfassende Langzeitstudie mit einer großen Kohorte von postmenopausalen Frauen, bot die ideale Plattform, um die Effekte von Metformin im Vergleich zu Sulfonylharnstoffen auf diese besondere Form der Langlebigkeit zu untersuchen. Die im Jahr 2025 veröffentlichte Studie nutzte einen innovativen methodischen Ansatz, die sogenannte Zieltrialsimulation (Target Trial Emulation).
Dieses Verfahren ahmt eine randomisierte kontrollierte Studie mithilfe von Beobachtungsdaten nach und versucht damit, die typischen Verzerrungen bei solchen Studien zu minimieren. Teilnehmerinnen mit neu diagnostiziertem Typ-2-Diabetes, die entweder Metformin oder Sulfonylharnstoffe als Monotherapie einnahmen und mindestens 60 Jahre alt waren, wurden miteinander verglichen. Dabei sorgte ein ausgeklügeltes Matching-Verfahren dafür, dass die beiden Gruppen in Hinblick auf Alter, Lebensstil, Begleiterkrankungen und weitere relevante Faktoren vergleichbar waren. Die Ergebnisse sind beeindruckend. Frauen, die mit Metformin die Behandlung begannen, hatten eine um 30 Prozent reduzierte Wahrscheinlichkeit, vor dem Alter von 90 Jahren zu versterben, im Vergleich zu jenen, die Sulfonylharnstoffe erhielten.
Dies zeigt sich auch in der Sterberate: Unter Metformin lag die Mortalitätsrate vor dem 90. Lebensjahr bei 3,7 Todesfällen pro 100 Personenjahre, während sie bei Sulfonylharnstoff-Patientinnen bei 5,0 lag. Eine bemerkenswerte Differenz, die auf einen potenziellen Überlebensvorteil durch Metformin hindeutet. Biologisch betrachtet wirkt Metformin auf zahlreiche Alterungsmechanismen. Es reduziert die Insulinspiegel und die Signalaktivität des insulinähnlichen Wachstumsfaktors 1 (IGF-1), welche mit verschiedenen altersbedingten Krankheiten in Verbindung stehen.
Metformin hemmt den mTOR-Signalweg, der eine Schlüsselrolle bei Zellwachstum und Alterung spielt, und kann reaktive Sauerstoffspezies vermindern, welche DNA-Schäden und Zellalterung verursachen. Zudem aktiviert es den AMP-aktivierten Proteinkinase-Weg (AMPK) und beeinflusst Gene, die mit Langlebigkeit assoziiert sind, wie FOXO3. Darüber hinaus trägt Metformin zur Reduktion von Entzündungen bei, fördert die Autophagie und kann die zelluläre Seneszenz verringern – alles Prozesse, die mit einer gesünderen Alterung verbunden sind. Im Gegensatz dazu wirken Sulfonylharnstoffe vor allem durch Stimulation der Insulinausschüttung aus der Bauchspeicheldrüse. Obwohl sie wirksam bei der Senkung des Blutzuckers sind, können sie das Risiko von Hypoglykämien erhöhen und scheinen weniger direkt auf biologische Alterungsprozesse einzuwirken.
Dies könnte ein Grund sein, warum im Vergleich zur Metformin-Gruppe eine höhere Sterblichkeit vor dem Alter von 90 Jahren festgestellt wurde. Es ist wichtig zu erwähnen, dass die Studie keinen Vergleich mit Placebo oder Nicht-Diabetikern zuließ, da beide Medikamentenklassen in der Diabetesbehandlung etabliert sind. Zudem handelt es sich trotz des innovativen Studiendesigns um eine Beobachtungsstudie, weshalb keine definitive Kausalität festgestellt werden kann. Dennoch wurde durch die Zieltrialsimulation versucht, Störfaktoren und Bias bestmöglich auszuschließen. Die E-Werte, eine Maßzahl für die Robustheit gegenüber unbekannten Störfaktoren, lagen auf einem moderat hohen Niveau, was auf eine solide Assoziation zwischen Metformin und erhöhter Überlebenswahrscheinlichkeit hindeutet.
Frühere Studien lieferten gemischte Ergebnisse zum Einfluss von Metformin auf die Lebensdauer. Einige Tierversuche zeigten, dass Metformin die mittlere Lebensdauer verlängerte und Alterskrankheiten verzögerte, während andere Studien keine signifikanten Effekte fanden. Gleichermaßen wiesen klinische Studien bei Menschen sowohl Vorteile als auch neutrale Effekte auf. Doch keine Studie hatte zuvor systematisch das Erreichen eines hohen Alters wie 90 Jahre als primäres Ziel definiert. Hier setzt die WHI-Studie an und bringt neue Erkenntnisse zur Rolle von Metformin in der Förderung außergewöhnlicher Langlebigkeit.
Abgesehen von der Langlebigkeit zeigte Metformin auch in anderen Untersuchungen Vorteile in Bezug auf altersbedingte Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Demenz, allerdings sind auch in diesen Feldern weitere, kontrollierte Studien notwendig, um den tatsächlichen Nutzen zu verifizieren. Die kontroversen Ergebnisse der früheren Studien mögen durch unterschiedliche Studiendesigns, Populationen, Behandlungszeiträume und Dosierungen bedingt sein. Aus klinischer Sicht unterstreichen diese Erkenntnisse den Stellenwert von Metformin als bevorzugtes Erstlinienmedikament bei Typ-2-Diabetes, nicht nur wegen seiner blutzuckersenkenden Wirkung, sondern auch wegen seines möglichen positiven Einflusses auf die langfristige Gesundheit und Überlebensdauer. Für Patienten und Ärztinnen könnte dies ein Argument sein, bei der Wahl des antidiabetischen Medikaments Metformin bevorzugt einzusetzen, sofern keine Kontraindikationen vorliegen. Doch was bedeutet das für zukünftige Forschungsarbeiten? Die Ergebnisse fordern nachfolgende Studien heraus, auch randomisierte kontrollierte Studien, die das Potenzial von Metformin zur Verlängerung nicht nur der Lebenserwartung, sondern auch der Gesundheitsspanne untersuchen.
Das sogenannte TAME-Projekt (Targeting Aging with Metformin) zielt darauf ab, die Auswirkungen von Metformin auf altersbedingte Krankheiten wie Krebs, Demenz und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erforschen, allerdings wird es aufgrund der Langzeitnatur dieser Fragestellungen schwierig sein, unmittelbare Schlussfolgerungen zur extremen Langlebigkeit zu ziehen. Wichtig ist ebenso, dass die WHI-Studie sich auf eine spezifische Population konzentrierte – ältere postmenopausale Frauen mit Typ-2-Diabetes. Damit sind generelle Aussagen etwa für Männer oder jüngere Patienten bislang nicht möglich. Ebenfalls gilt es zu berücksichtigen, dass individuelle Faktoren wie Begleiterkrankungen, Zeitpunkt der Diabetesdiagnose und genetische Ausstattung die Ergebnisse beeinflussen können. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Metformin im direkten Vergleich zu Sulfonylharnstoffen bei älteren Frauen mit Typ-2-Diabetes mit einer höheren Wahrscheinlichkeit verbunden ist, ein Alter von 90 Jahren und mehr zu erreichen.
Diese Erkenntnis stützt die Hypothese, dass Metformin über seine antidiabetische Wirkung hinaus positive Effekte auf die Alterung und Langlebigkeit haben könnte. Während definitive Kausalitätsbeweise noch ausstehen, liefert die Studie fundierte Daten und Denkanstöße für eine zukünftige Entwicklung medikamentöser Therapien, die nicht nur Krankheiten bekämpfen, sondern auch das Leben verlängern und die Gesundheit im Alter fördern. Angesichts der steigenden Lebenserwartung und der zunehmenden Zahl älterer Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes ist die Erforschung von Medikamenten mit zusätzlichem Nutzen für Langlebigkeit von hoher gesellschaftlicher und medizinischer Relevanz. Metformin könnte dabei eine Schlüsselrolle spielen, nicht nur als bewährtes, sicheres und kostengünstiges Diabetesmedikament, sondern auch als Hoffnungsträger in der Gerontologie und Altersmedizin.