Die Welt der Versandabwicklung ist für viele Unternehmen eine komplexe Herausforderung. Insbesondere für Start-ups und kleine bis mittelständische Unternehmen stellt sich oft die Frage, ob die gesamte Logistik ausgelagert oder im eigenen Haus organisiert werden sollte. Die Geschichte von TRMNL zeigt eindrucksvoll, wie das Festhalten an einer internen Fulfillment-Strategie weit mehr als nur ein logistischer Prozess sein kann – es ist ein zentraler Baustein für Kundenzufriedenheit, Kosteneffizienz und nachhaltiges Wachstum. Ursprünglich war TRMNL eine kleine Idee, die in einem fensterlosen Kellerraum begann. Zwischen alten Regalen und einem improvisierten Versandarbeitsplatz wurden erste Geräte zusammengebaut, verpackt und versendet.
Diese bescheidenen Anfänge stehen exemplarisch für eine Denkweise, die sich gegen vermeintliche Best Practices sträubt und stattdessen einen unkonventionellen Weg geht. Auf der Webseite oder im E-Commerce-Umfeld fehlen gängige Tools wie Exit-Intent-Rabatte, Newsletter-Pop-ups oder automatisierte Lifecycle-Mails. Das Team verzichtet bewusst auf künstliche Intelligenz oder Chatbots, stattdessen setzen sie auf menschliche Interaktion und direkten Kontakt. Die Entscheidung, Fulfillment intern zu halten, war bei TRMNL keine bloße Notwendigkeit, sondern entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem strategischen Vorteil. Nachdem rund 1500 vorbestellte Geräte verkauft und geliefert waren, führte ein unerwarteter Medienhype zu einer sprunghaften Nachfrage, die das ursprüngliche Produktions- und Versandvolumen schnell überstieg.
Der Griff zu externen Drittdienstleistern, sogenannten 3PL-Anbietern, schien naheliegend, wurde aber von Gründerseite bewusst abgelehnt. Die Kosten für Montage, Lagerung und Versand lagen bei mehreren US-Dollar pro Gerät, was in Summe zu hohen Margeneinbußen geführt hätte. Gleichzeitig bot die eigene Produktion eine Flexibilität und Kontrolle, die in der Zusammenarbeit mit 3PLs oft nicht möglich ist. Das Herzstück des internen Fulfillment-Systems von TRMNL ist die enge Verzahnung von Produktion, Qualitätskontrolle und Versand. Dabei wurden ab Februar 2025 massive Umbauten an einem nahegelegenen Stallgebäude vorgenommen, das zum Logistikzentrum umgestaltet wurde.
Das Budget dafür wurde aus privaten Mitteln finanziert, wobei klare Kosten-Nutzen-Rechnungen zeigen, dass sich die Investition mittelfristig amortisieren wird. Die eigens eingerichteten Arbeitsplätze, Lagerbereiche und optimierte Fertigungsprozesse erlauben eine Kapazitätssteigerung auf mehr als 100 Geräte täglich, während gleichzeitig die Fehlerquote minimiert wird. Ein bedeutender Vorteil der Inhouse-Versandabwicklung zeigt sich in der unmittelbaren Reaktionsfähigkeit. So verdeutlicht eine Geschichte, wie ein verlorengegangenes Paket kurz vor einem wichtigen Anlass durch eine schnelle Nachfertigung und direkte Übergabe an den Kurier am selben Tag gerettet werden konnte. Solch ein direkter Service ist mit der Auslagerung kaum realisierbar und trägt enorm zur Kundenzufriedenheit bei.
Im Kern geht es nicht nur um das Produkt selbst, sondern um das Gefühl, von einem echten Menschen betreut zu werden. Optimierungen im Ablauf erreichten bei TRMNL eine neue Qualität, als die technischen Fähigkeiten des Teams genutzt wurden, um Software zur Fehlervermeidung zu entwickeln. Die Provisioning-App für die Registrierung von Geräten beispielsweise spiegelt ein Verständnis für die besonderen Herausforderungen in der Montage und Versandkontrolle wider. Die damit verbundene Steigerung der Produktivität um das Vierfache zeigt, wie technologische Innovationen im internen Fulfillment direkt zum Wettbewerbsvorteil beitragen können. Ein weiterer Aspekt, der für die Eigenabwicklung spricht, ist die langfristige Kostenkontrolle.
Während Drittlager und Fulfillment-Provider meist mit pauschalen Tarifmodellen arbeiten, ist das interne System von TRMNL durch leistungsabhängige Entlohnung geprägt. Die Mitarbeiter werden nach tatsächlich erledigten Aufgaben bezahlt, was Anreize zur Effizienz und Qualität schafft. Zudem bietet der direkte Kontakt mit Kurierdiensten Vorteile bei Schadensfällen und Versicherungserstattungen, die sonst auf der Strecke bleiben würden. Die Anpassungsfähigkeit des internen Fulfillment-Systems zeigte sich auch in der Handhabung externer Herausforderungen wie plötzlichen Zolltarifen. Während andere Wettbewerber ihre Preise erhöhen mussten oder aufgaben, entwickelte TRMNL Strategien zur Reduzierung von Zollbelastungen durch internationale Montagepartnerschaften und optimierte Versandrouten.
Mit dieser Kombination aus Flexibilität und Innovationsbereitschaft konnten sie ihre Preispolitik stabil halten und das Vertrauen ihrer Kunden bewahren. Dabei geht es bei der Entscheidung für Inhouse-Fulfillment keinesfalls nur um Kosten- oder Prozessoptimierung. Vielmehr ist es eine Frage der Unternehmensphilosophie, die Verantwortung und Nähe zum Kunden als zentrale Werte begreift. Outsourcing bedeutet oft auch den Verlust der direkten Kontrolle und die Gefahr, dass das Qualitätsversprechen unter den Profit- und Skalierbarkeitsinteressen externer Dienstleister leidet. TRMNL zeigt damit exemplarisch, dass bewusstes Ignorieren von Trends und „best practices“ nicht zwangsläufig in Nachteilen münden muss.
Mit der richtigen Mischung aus Mut, Lernbereitschaft und Pragmatismus entsteht eine einzigartige Position am Markt, die nicht leicht kopierbar ist. Die Investition in Menschen, Prozesse und Technik zahlt sich aus und schafft eine Unternehmenskultur, die auf Fehlerkultur, Wertschätzung und kontinuierlichem Fortschritt fußt. Abschließend lässt sich sagen, dass die interne Versandabwicklung weit mehr ist als nur logistische Abwicklung. Sie ist Ausdruck von Unternehmergeist, Nachhaltigkeit und echter Kundenorientierung. Wer bereit ist, die Herausforderung anzunehmen, kann damit nicht nur Kosten senken, sondern auch eine emotionale Bindung zu Kunden aufbauen, die in der heutigen Zeit zum entscheidenden Erfolgsfaktor wird.
TRMNL befindet sich auf einem spannenden Wachstumspfad und zeigt, wie man mit Herzblut, technischen Innovationen und pragmatischem Optimismus die eigene Versandlogistik zum Wettbewerbsvorteil macht und damit die Zukunft des E-Commerce aktiv gestaltet.