Im Schuljahr 2025-2026 wird ein neuer Bildungsplan eingeführt, der das Bildungswesen in Oklahoma maßgeblich verändern wird. Zentraler Diskussionspunkt dieser Reform ist die Aufnahme von Inhalten, die die umstrittenen und längst widerlegten Behauptungen über Wahlunregelmäßigkeiten bei der US-Präsidentschaftswahl 2020 thematisieren. Die Entscheidung, diese Themen im offiziellen Sozialkundelehrplan aufzunehmen, verweist auf politische Einflussnahmen und stellt grundlegende Fragen über den Einfluss von Ideologie in der Bildung. Auf dem Lehrplan steht nicht die kritische Analyse von Verschwörungstheorien, sondern vielmehr die verpflichtende Auseinandersetzung mit Behauptungen, die von ehemaligen Präsidenten Donald Trump und seinen Anhängern als Beleg für Wahlfälschung dargestellt werden. Dabei sollen Schülerinnen und Schüler unter anderem „Diskrepanzen“ bei den Wahlergebnissen untersuchen, die sich anhand von Diagrammen und anderen Datenquellen etwa über pausierende Stimmauszählungen oder vermeintliche Sicherheitsrisiken bei der Briefwahl ergeben sollen.
Diese Darstellung umfasst zudem Themen wie angebliche „Plötzliche Batch Dumps,“ eine unerwartet hohe Wahlbeteiligung und weitere Indizien, die von der neuen Lehrplanversion als Verdachtsmomente präsentiert werden. Doch die Faktenlage spricht eine ganz andere Sprache. Wahlbeobachter und unabhängige Institutionen haben diese Vorwürfe umfassend untersucht und widerlegt. Weder gab es ein abruptes Anhalten der Stimmauszählung ohne triftigen Grund, noch sind Mail-in-Ballots unsicher. Die sogenannten „Batch Dumps“, größere Mengen an abgegebenen Stimmen, die gebündelt erfasst werden, sind Teil gängiger Wahlprozesse und kommen regelmäßig vor.
Die Rekordbeteiligung bei der Wahl 2020 war aufgrund der besonderen Umstände, wie etwa der Pandemie, erwartet worden. Diese Fakten werden im neuen Lehrplan jedoch ausgeblendet, um die umstrittenen Theorien zu legitimieren. Diese inhaltliche Politisierung im Bildungsbereich wird nicht nur von unabhängigen Experten kritisiert, sondern auch von Bildungsexperten vor Ort. Das Oklahoma Council for Social Studies (OCSS), eine Vereinigung von Lehrkräften und Sozialwissenschaftlern, hat sich klar gegen die geänderten Standards ausgesprochen. Sie bemängeln die historischen Ungenauigkeiten und die fehlende evidenzbasierte Vorgehensweise.
Ebenso wird die mangelnde Transparenz bei der Einführung der neuen Standards bemängelt: Knapp 400 Seiten an Standards wurden den Mitgliedern des Bildungsrats erst wenige Stunden vor einer entscheidenden Sitzung zugeschickt. Dadurch hatten die Verantwortlichen keine Chance, den Inhalt angemessen zu prüfen oder Einwände zu formulieren. Die Art und Weise, wie der Bildungsdezernent Ryan Walters die Änderungen durchsetzte, sorgt zusätzlich für Kritik. Walters rechtfertigt seine Vorgehensweise mit einem angeblichen Zeitdruck durch die Legislative, obwohl faktisch ausreichend Zeit bestanden hätte. Zudem wurden die Empfehlungen nicht breiterer Öffentlichkeit, sondern einer Auswahl von rechtspolitischen Aktivisten und Persönlichkeiten aus konservativen Think-Tanks vorgelegt.
Zu diesen zählen unter anderem Vertreter der Heritage Foundation, bekannte konservative Medienpersönlichkeiten sowie Aktivisten aus der PragerU-Bewegung. Diese Besetzung wirft Fragen auf, ob die Lehrplangestaltung eher politischen als pädagogischen Kriterien folgt. Neben der Fokussierung auf die angeblichen Wahlbetrugsvorwürfe gibt es zudem eine Verstärkung der Vermittlung christlicher Werte an den Schulen. Die Anzahl der biblischen Bezüge im Lehrplan steigt drastisch an, von anfänglichen zwei bis auf nahezu fünfzig Erwähnungen bereits ab der ersten Klasse. Themen wie die Zehn Gebote oder biblische Geschichten wie David und Goliath gehören künftig zum Unterricht.
Noch vor dem Abschluss der Mittelstufe sollen Schülerinnen und Schüler die Bedeutung der Bibel im Kontext der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung verstehen. Für die höheren Klassen wird sogar ein eigener Kurs zur Geschichte des Christentums und der frühen Christen angeboten. Diese Betonung religiöser Inhalte erfolgt trotz der rechtlichen Trennung von Kirche und Staat in den Vereinigten Staaten. Vertreter wie Walters und die ihn beratenden christlichen Nationalisten bezweifeln die Verfassungsmäßigkeit dieser Trennung und betrachten sie als Fehler oder Mythos. Diese Haltung setzt ein deutliches Signal und steht im starken Kontrast zu einer pluralistischen und säkularen Bildungsvision.
Ein weiterer kontroverser Aspekt des Lehrplans betrifft die Darstellung der aktuellen politischen Realität. Während die Amtszeit von Präsident Joe Biden im ursprünglichen Lehrplan sowohl Herausforderungen als auch Erfolge umfasst, wird in der neuen Version der Fokus deutlich einseitiger. Die positiven Errungenschaften, etwa die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie oder das überparteiliche Infrastrukturgesetz, fehlen nahezu komplett. Stattdessen setzen die Lerninhalte vor allem auf Krisen und Konflikte wie die Situation an der US-mexikanischen Grenze, den Rückzug aus Afghanistan sowie internationale Krisen wie den Ukraine-Krieg und den Gaza-Israel-Konflikt. Diese Umgestaltung der Inhalte hat eine tiefergehende politische Dimension, die über die reine Bildungsinhalte hinausgeht.
Sie spiegelt eine Strategie wider, die das Bild der USA und ihrer Politik gezielt in eine konservative Perspektive rückt. Begleitend verschärfen sich auch die Drohungen gegenüber moderaten Republikanern, die gegen derartige Veränderungen gestimmt hätten. Solche Machtspielchen unterstreichen die Polarisierung, die sich in diesem Bildungsstreit offenbart. Dass ein Bundesstaat wie Oklahoma mit solch weitreichenden Maßnahmen und einem Budget von über 33 Millionen US-Dollar eine neue Bildungsrichtlinie durchdrückt, kommt nicht ohne Widerstand. Der Versuch, eine Resolution des Bildungsausschusses des Senats zu initiieren, um den Lehrplan weiter zu überprüfen, wurde trotz großer Bedenken nicht zur Abstimmung gebracht.
Dies lässt auf eine rigide politische Steuerung der Entscheidungsschritte schließen. Die Debatte um den neuen Bildungsplan wird nicht nur in Oklahoma geführt. Sie ist ein Spiegelbild der landesweiten Spannungen zwischen unterschiedlichen politischen Lagern, die den Umgang mit Geschichte, Fakten und Religion in der Bildung stark beeinflussen. Es stellt sich die Frage, welchen Stellenwert objektive, evidenzbasierte Bildung zukünftig besitzen wird und wie politische Ideologien die Bildungspolitik durchdringen können. Eltern, Lehrkräfte und Bildungsexperten sind herausgefordert, diese Entwicklungen kritisch zu beobachten und für eine ausgewogene, wissenschaftlich fundierte Lehre einzutreten.