Institutionelle Akzeptanz

Warum ich mein Climate-Tech-Startup 2022 aufgab: Eine ehrliche Reflexion über Chancen und Grenzen der Klimainnovation

Institutionelle Akzeptanz
I Quit My Climate Tech Startup in 2022 (2024)

Eine tiefgehende Analyse der persönlichen Erfahrungen und Herausforderungen bei der Gründung eines Climate-Tech-Startups im Bereich nachhaltiger Schifffahrt. Der Text beleuchtet, warum technologische Effizienz alleine nicht ausreicht, um Klimaziele zu erreichen, und setzt sich mit den systemischen Problemen des globalen Wirtschaftssystems auseinander.

Im September 2021 begann für mich ein aufregendes neues Kapitel, als ich mich entschloss, Teil der zweiten Climate-Tech-Kohorte bei Carbon13 in Cambridge zu werden. Carbon13 ist ein Venture Builder, dessen erklärtes Ziel es ist, Startups mit dem Potenzial zu schaffen, jährlich bis zu zehn Millionen Tonnen CO2 einzusparen. Für mich war dies das Signal, endlich meine Fähigkeiten einem echten und dringenden Problem zu widmen: dem Kampf gegen den Klimawandel. Doch was als hoffnungsvolle Reise begann, entwickelte sich bald zu einer persönlichen und fachlichen Zerreißprobe, die mich im Januar 2022 dazu bewegte, mein eigenes Startup zu verlassen. Die Gründe dafür sind tiefgreifender und zeigen nicht nur individuelle Herausforderungen, sondern auch grundlegende systemische Probleme, denen Climate-Tech-Startups gegenüberstehen.

Das Startup, das ich gemeinsam mit einem Schiffsarchitekten und einem Robotikingenieur gründete, trug den Namen Aloft Shipping, mittlerweile Aloft Systems. Unser Ziel war es, die immense Umweltbelastung durch die Schifffahrtsbranche durch den Einsatz von Windkraft und neuen Technologien zu reduzieren. Der maritime Bereich macht etwa neun Prozent der weltweiten CO2-Emissionen aus – eine Zahl, die gewaltig ist und noch größer wird, wenn man die gesamte Infrastruktur rund um Häfen, Containerproduktion und Schiffsbau berücksichtigt. Die Tatsache, dass etwa 90 Prozent der Weltgüter auf dem Wasserweg transportiert werden, macht die Schifffahrt zu einem Schlüsselthema im Kampf gegen den Klimawandel.Die Schifffahrtsindustrie ist allerdings kein einfacher Gegner.

Seit Monaten informierte ich mich intensiv über die komplexen Lieferketten und die Schattenseiten dieses Wirtschaftszweigs. Die Erkenntnisse waren erschreckend: Von der Förderung von Rohstoffen über die Produktion von Teilen, die Weiterverarbeitung zu Fertigprodukten bis hin zum Transport zum Endkunden durchläuft nahezu jeder Gegenstand mehrere maritime Transportstufen. Dabei ist der Großteil der Arbeit auf See längst ausgelagert an unterbezahlte Seeleute, die unter prekären Bedingungen oft für internationale Großkonzerne arbeiten.Unsere ursprüngliche Idee basierte auf der Wiederbelebung der Windkraft als natürliche und emissionsfreie Antriebsquelle, die die konventionellen, auf schweren Ölen basierenden Motoren ersetzt. Wir wollten damit die moderne Schifffahrtsindustrie, die von Ressourcenverschwendung und Ausbeutung geprägt ist, revolutionieren.

Leider traten frühzeitig ideologische und strategische Differenzen innerhalb des Gründerteams auf. Während meine Mitgründer und viele andere Akteure im sogenannten Ozeantech-Bereich darauf setzten, etablierte, zentralisierte Modelle durch effizientere, aber nicht grundsätzlich andere Lösungen zu ersetzen, hielt ich an einer radikaleren Vision fest. Ich glaubte, dass es nicht reicht, nur effizienter zu werden und weiterhin die gleichen Arten und Mengen an Gütern über die Meere zu transportieren. Vielmehr sollte das Ziel sein, den Konsum selbst zu hinterfragen, die Menge des transportierten Materials drastisch zu reduzieren und bestehende Produktions- und Lieferketten zu überdenken.Diese divergierende Haltung führte leider zu Spannungen und einem zunehmenden Bruch mit dem Team, der schließlich in meiner Entscheidung mündete, das Unternehmen zu verlassen.

Ich wollte innovation nicht auf Effizienz im Rahmen eines weiterhin expandierenden und ressourcenverbrauchenden Systems reduzuieren, sondern suchte nach Wegen, das System selbst zu verändern. Doch diese kritische Perspektive stieß auf wenig Verständnis, nicht zuletzt, weil mir zu diesem Zeitpunkt die passenden Worte oder Konzepte fehlten, um meiner Vision eine klare, gemeinsame Richtung zu geben.Ein wichtiger Aspekt, der mich zunehmend überzeugte, war das sogenannte Effizienzparadoxon oder der Rebound-Effekt, der besagt, dass höhere Effizienz in der Ressourcennutzung oft nicht zu einer Verminderung sondern zu einer Erhöhung des Gesamtverbrauchs führt. Wenn also Schiffe durch Windkraft einen Teil ihres Brennstoffverbrauchs einsparen, werden sie gleichzeitig wirtschaftlich attraktiver, was Investitionen in neue Schiffe anzieht, die insgesamt mehr Güter transportieren – und damit letztendlich mehr Emissionen verursachen. Es ist eine fatale Dynamik, die aus einem Gutsein-Motiv eine Verstärkung des Problems macht.

Weiterhin beobachtete ich mit Sorge, dass die Interessenten und frühesten potenziellen Kunden für „grüne“ Technologien ausgerechnet jene Unternehmen waren, die wir als „Klima-Schurken“ bezeichnen können – etwa Ölkonzerne, Flugzeughersteller oder große Möbelketten. Diese Unternehmen nutzen Innovationen primär, um ihre bestehenden Geschäftsmodelle weiter auszubauen, ohne das zugrunde liegende Problem des Überkonsums oder der Ressourcenverschwendung anzugehen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Investition von Airbus in windbetriebene Schiffe, um Teile für Flugzeuge CO2-ärmer zu transportieren – ein Vorhaben, das zwar Emissionen auf der Transportstrecke senken mag, jedoch letztlich den Bau zusätzlicher Flugzeuge ermöglicht, die erheblichen Schaden für das Klima anrichten.Diese Perspektive führte mich zu der Überzeugung, dass reine technologische Lösungen oder Verbesserungen in einem kapitalistischen System, das auf Wachstum und Ausbeutung beruht, wenig nützen oder sogar kontraproduktiv sein können. Anstatt das grundsätzliche Problem der Expandierung und ständigen Produktion zu lösen, tragen viele Innovationen oft nur dazu bei, dass mehr Emissionen erzeugt werden.

Die Antwort auf die Klimakrise liegt für mich deshalb weniger in technologischem Innovationswettlauf, sondern in radikal anders gedachten Wirtschaftsmodellen. Konzepte wie Degrowth – also bewusstes Schrumpfen der Wirtschaft – postkapitalistische Ökonomien und Geschäftsmodelle mit dezentralem Eigentum, fairer Verteilung von Ressourcen und einem Schwerpunkt auf sozial-ökologisches Wohlbefinden könnten der Schlüssel zu echten Veränderungen sein. Das bedeutet auch, dass der Datenzugang, das Wissen und technologische Lösungen offen und gemeinsam nutzbar gemacht werden, um nicht nur wenige Profiteure zu bedienen, sondern die Gesamtheit an Beteiligten miteinzubeziehen und zu befähigen.Viele der heute dominierenden Gründer*innen und Investoren träumen davon, der „Tesla der jeweiligen Branche“ oder der „Elon Musk“ zu werden, was letztlich oft ein Ausschwärmen der gleichen, kapitalgetriebenen Innovationslogik bedeutet. Diesen Visionen gegenüber steht die Frage nach einer kollektiven und nachhaltigen Zukunft, die weniger auf Wachstum setzt, sondern auf Suffizienz und Resilienz.

Es braucht die Kreativität und Freiheitsgrade dieser ungebundenen Innovationskraft, um solche Vorstellungen umzusetzen, anstatt die Kontrolle nur in andere Hände zu legen.Rückblickend auf meine Zeit im Startup-Feld fühle ich heute keine Enttäuschung mehr, sondern vielmehr eine Bestätigung, dass meine Intuition und kritische Haltung berechtigt waren. Die Klimakrise ist zu komplex und tief verwurzelt, als dass sie allein durch technische Verbesserungen in bestehenden Modellen gelöst werden könnte. Die großen Herausforderungen erfordern ein Umdenken, begleitet von politischem Mut und gesellschaftlicher Diskussion. Die Schifffahrtsbranche, wie viele andere Industrien, wird sich nicht ausschließlich durch neue Motoren oder Automatisierung verändern, sondern durch das bewusste Reduzieren von Produktion und Konsum, durch das Hinterfragen dessen, was wir wirklich brauchen und durch einen faireren Umgang mit den Ressourcen unseres Planeten.

Mein Abschied von Aloft Shipping war für mich ein Schritt zurück, aber auch ein Schritt vorwärts, um mit klarerer Sicht und einer anderen Stimme zum Diskurs beizutragen. Mich haben auf diesem Weg viele Denker*innen inspiriert, darunter Kate Raworth mit ihrer Doughnut-Ökonomie, Donella Meadows und ihre Arbeiten zur Systemdenken, Robin Wall-Kimmerer sowie Jason Hickel und Amitav Ghosh, die tiefe Einblicke in ökologische und soziale Zusammenhänge geben.Die Debatte um Climate-Tech darf nicht nur von Investoren und Unternehmern geprägt sein, die Effizienzsteigerungen und Wachstum wollen. Sie muss von all jenen mitgestaltet werden, die eine gerechte und nachhaltige Zukunft vor Augen haben. Nur so entsteht eine Bewegung, die den Anforderungen der Klimakrise wirklich gerecht wird und über technologische Schnellschüsse hinausweist.

Die Herausforderung ist immens, aber auch die Chance, neue Wege zu beschreiten, die das Leben auf unserem Planeten sichern und nicht nur ökonomische Interessen bedienen.

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