Echtzeit-Datenanalyse hat sich in den letzten Jahren zu einem unverzichtbaren Werkzeug vieler Branchen entwickelt, von Finanzmärkten über das Internet der Dinge bis hin zu industriellen Anwendungen. Der Wunsch, sowohl historische Daten als auch aktuelle Ereignisse in einem einheitlichen System auswerten zu können, wächst stetig. Doch die Frage ist: Haben wir heute bereits ein echtes All-in-One-System für Echtzeit-Analytics, oder befinden wir uns noch auf dem Weg dorthin? Die Antwort erfordert einen Blick auf die gegenwärtige Landschaft, die Kernherausforderungen und den Stand der Technik bei modernen Datenbanken und Analyseplattformen. Echtzeit-Analyse ist kein neues Konzept. Bereits seit mehr als einem Jahrzehnt bestehen Lösungen, doch eine durchgängige, robuste Pipeline benötigt meist noch viel handgefertigte Integration.
Typische Use Cases, wie das Erstellen von Open-High-Low-Close (OHLC) Charts im Finanzwesen, zeigen den Kern des Problems: Eine Analyse muss Daten aus verschiedenen Zeiträumen – von Sekunden bis zu Jahren – nahtlos vereinen. Für jede Zeitspanne müssen beispielsweise Minima, Maxima oder Durchschnittswerte ermittelt und in Aggregaten gespeichert werden. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, da die Datenmengen enorm sind und kontinuierlich wachsen. Zentrale Herausforderungen bestehen darin, massiv große Datenvolumen kostengünstig zu speichern, schnelle Antwortzeiten bei Abfragen zu gewährleisten und dabei auch Datenänderungen korrekt abzubilden. Zudem muss der Zugriff auf Daten stets effizient gehalten werden, da dieser Ressourcen bindet und Kosten verursacht.
Ein wichtiger Punkt ist die Trennung von sogenanntem „Hot“ und „Cold Storage“. Frische Daten werden in performanten, aber teureren Systemen vorgehalten, während ältere Daten oft in günstigeren, weniger zugriffsoptimierten Cloudspeichern wie Amazon S3 oder Google Cloud Storage abgelegt werden. Der Nachteil dabei ist, dass zwischen diesen Speicherschichten häufig eine Barriere entsteht, die Datentransparenz und Zugriffskomfort erschwert. In klassischen Architekturen kommen deshalb oft mehrere spezialisierte Systeme zum Einsatz. Beispielsweise werden Streaming-Systeme wie Apache Kafka genutzt, um Daten in Echtzeit zu erfassen.
Gleichzeitig läuft eine weitere Verarbeitung mittels Stream-Processing-Technologien wie Apache Flink, die schnelle Aggregationen im Arbeitsspeicher ausführen und Ergebnisse mit sehr geringer Latenz liefern. Für historische Daten setzen viele Unternehmen auf Data Lakes und Analyseplattformen wie Snowflake oder Spark, die jedoch oft deutlich höhere Latenzen und Komplexität mitbringen. Diese multi-systeme Architektur bringt jedoch zahlreiche Nachteile mit sich. Die Integration unterschiedlicher Technologien erfordert nicht nur aufwendiges manuelles Setup, sondern verursacht auch hohe Betriebskosten und bedingt spezielle Expertise. Oft müssen Ergebnisse aus Echtzeit-Streams durch zusätzliche Komponenten aggregiert und für Endanwender via API oder Datenbank bereitgestellt werden.
In diesem Kontext wächst das Interesse an sogenannten All-in-One-Lösungen, die in einem System sowohl Echtzeit- als auch historische Daten verarbeiten und vereinheitlichen. Besonders Zeitreihen-Datenbanken (Time-Series Databases) rücken dabei in den Fokus, da sie speziell auf zeitreihendaten optimierte Speicher- und Abfrageverfahren mitbringen. Ein vielversprechendes Konzept in diesem Bereich ist die Nutzung von Materialized Views oder kontinuierlichen Aggregationen. Dabei handelt es sich um vordefinierte, persistente Aggregationen von Basisdaten, welche bei Neuerungen automatisch aktualisiert werden und dank vorab berechneter Ergebnisse sehr schnelle Abfragen ermöglichen. Ein Blick auf etablierte Systeme zeigt verschiedene Ansätze.
TimescaleDB etwa baut als Postgres-Erweiterung auf einer bewährten Datenbank auf und ermöglicht kontinuierliche Aggregationen über sogenannte Continuous Aggregate Policies. Diese laufen in regelmäßigen Intervallen und balancieren so Systemlast und Aktualität. Allerdings sind sie komplex in der Einrichtung und erreichen durch ihr generationsübergreifendes Hybridmodell nicht immer die bestmögliche Performance bei Masseneinspeisungen. Die horizontale Skalierung gestaltet sich als Herausforderung. ClickHouse verfolgt einen anderen Weg.
Materialized Views werden hier beim Einfügen neuer Daten direkt und sofort aktualisiert, was für sehr niedrige Latenzen sorgt. Allerdings ist die Aktualisierung von Bestandsdaten schwieriger, da Änderungen erst manuell durchgeführt werden müssen. Zudem sind Monitoring- und Diagnose-Werkzeuge weniger umfangreich als bei anderen Systemen, was die Wartbarkeit erschweren kann. InfluxDB arbeitet ebenfalls mit kontinuierlichen Aggregationen, diese laufen jedoch zeitgesteuert und sind nicht triggerbasiert. Obwohl InfluxDB eine sehr hohe Integration in das Monitoring-Ökosystem mitbringt, stößt es bei komplexeren SQL-Abfragen an Grenzen, da eine eigene spezielle Abfragesprache genutzt wird.
Für vielfältige analytische Anforderungen allein reicht es daher oft nicht aus. QuestDB setzt hier mit einem besonders einfachen Setup an. Die Erstellung von Materialized Views erfolgt mit einem einzigen SQL-Befehl, der nicht nur die Aggregation vordefiniert, sondern auch automatisch historische Daten zurückarbeitet und alle Änderungen sofort berücksichtigt. So liefert QuestDB eine einheitliche Schnittstelle für Echtzeit- und historische Datenanalyse – ohne zusätzliche Pipeline-Komponenten oder mehrfachen Verwaltungsaufwand. Die Unterstützung von verschachtelten, also kaskadierbaren Materialized Views ermöglicht zudem effiziente mehrstufige Aggregationen auf verschiedenen Genauigkeitsebenen.
Offene Fragen bleiben jedoch bestehen. Trotz Fortschritten sind Materialized Views häufig noch empfindlich gegenüber Schemaänderungen. Auch die Balance zwischen Echtzeit-Performance und Systemlast bei der Aktualisierung ist ein Thema. Darüber hinaus wird die Integration von kaltem Speicher und die nahtlose Transparenz über Datenalter hinweg erst schrittweise verbessert. Die Enterprise-Versionen der Systeme bieten dafür vermehrt Unterstützung, insbesondere durch offene Formate wie Parquet, die ein schnelles Querlesen von archivierten Daten ermöglichen.
Die Konvergenz der Technologien – vom Data Lake über Stream Processing bis zur spezialisierten Zeitreihen-Datenbank – deutet aber klar in Richtung eines gemeinsamen Ziels: ein echtes All-in-One-System, das sowohl Daten per Sekunden aktualisiert als auch jahrzehntelanges historisches Wissen ohne Brüche bereitstellt. Ein solches System würde deutlich die Komplexität und Kosten aktueller Architekturen reduzieren und zugleich die Time-to-Insight minimieren. Insbesondere für Kapitalmärkte ist das von enormem Interesse, da dort die Anforderungen an Geschwindigkeit, Datenvolumen und Genauigkeit extrem hoch sind. Die Möglichkeit, innerhalb der gleichen Datenbasis sekundengenaue Echtzeit-Analysen mit umfassenden historischen Backtests zu kombinieren, kann Wettbewerbsvorteile schaffen und Risiken besser absichern. Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Weg zu einer vollständig integrierten Echtzeit-Analytics-Plattform ist in vollem Gange, aber noch nicht vollständig abgeschlossen.
Jedes der heute verfügbaren Systeme bringt wertvolle Bausteine mit, aber keine Lösung deckt alle Anforderungen ohne Komplexität oder Einschränkungen ab. Die Zukunft liegt in der Vereinigung bewährter Konzepte mit innovativen Ansätzen, um die Stärken der verschiedenen Welten zu verschmelzen. Während Entwickler und Unternehmen auf diesen Durchbruch warten, lohnt es sich, bereits heute Lösungen wie QuestDB, TimescaleDB, ClickHouse oder InfluxDB anhand ihrer Stärken und Schwächen genau zu prüfen. Mit dem richtigen Mix und beständigem Monitoring ist es möglich, robuste Echtzeit-Analysen zu realisieren, die den Kernanforderungen der Digitalisierung gerecht werden – nämlich schnelle, präzise und umfassende Erkenntnisse aus Big Data, die jederzeit im Zugriff sind. Die Technologie entwickelt sich rasant und integriert zunehmend Optimierungen für Skalierbarkeit, Kostenmanagement und Einfachheit.
Mit der fortschreitenden Automatisierung der Pflegeprozesse und der wachsenden Akzeptanz eines gemeinsamen SQL-Standards für Zeitreihendaten nähern wir uns einer Zukunft, in der All-in-One-Systeme für Echtzeit-Analytics zum Standard werden – und damit neue Maßstäbe in der Datenanalyse setzen.