Die Kryptowährungsbranche steht weltweit vor immer strengeren regulatorischen Maßnahmen, insbesondere in Bezug auf Stablecoins, die als Brücke zwischen traditionellem Finanzwesen und digitaler Währung fungieren. Eine der bedeutendsten Entwicklungen in diesem Kontext ist die Ankündigung von Paolo Ardoino, dem CEO von Tether, der erwägt, einen neuen Stablecoin mit Sitz in den USA auf den Markt zu bringen, um den Herausforderungen durch neue regulatorische Vorgaben zu begegnen. Diese möglichen Veränderungen sind besonders relevant, da das etablierte Stablecoin USDT, das von Tether ausgegeben wird, in den Vereinigten Staaten aufgrund geplanter Gesetzesänderungen mit einem möglichen Verbot konfrontiert ist. Die Anpassung an immer strengere Anforderungen könnte die gesamte Landschaft der Stablecoins verändern und neue Impulse für den Wettbewerb in diesem Sektor setzen. Die Entwicklung ist ebenso bedeutend für Anleger, Unternehmen sowie für die gestalterische Evolution der digitalen Finanzwelt.
Tether, das derzeit als der größte Stablecoin-Anbieter mit einem Marktvolumen von etwa 144 Milliarden US-Dollar gilt, hat bislang eine einzigartige Position eingenommen, da es im Vergleich zu Konkurrenten kaum vollständig offenen Finanzprüfungen unterlag. Das USDT gilt seit vielen Jahren als bevorzugtes digitales Pendant zum US-Dollar und genießt eine breite Akzeptanz in zahlreichen Handelsplattformen und Wallets weltweit. Jedoch stehen die gesamtwirtschaftlichen Regulierungen nun auf dem Prüfstand, da Gesetzgeber in verschiedenen Staaten, insbesondere in den USA und der Europäischen Union, klare Rahmenbedingungen schaffen möchten, um Risiken durch mögliche Illiquidität, mangelnde Transparenz und Geldwäschevorwürfe zu minimieren. Insbesondere zwei Gesetzentwürfe in den USA, der STABLE Act und der GENIUS Act, könnten die Zukunft von USDT entscheidend beeinflussen. Diese Gesetze sehen strenge Vorgaben vor, unter anderem obligatorische Reserveanforderungen, regelmäßige und detaillierte Audits sowie eine stärkere Zusammenarbeit mit Finanzaufsichtsbehörden.
Der GENIUS Act sieht vor, dass Anbieter von Stablecoins mit einem Vermögen von mehr als zehn Milliarden US-Dollar strenge Bundesaufsichten unterliegen und monatliche Offenlegungen gegenüber dem Office of the Comptroller of the Currency – der US-amerikanischen Finanzaufsichtsbehörde – einreichen müssen. Diese Transparenzanforderungen sind neu und stellen für Tether eine besondere Herausforderung dar, da das Unternehmen bislang keine umfassenden Finanzaudits veröffentlichte. Vor diesem Hintergrund steht Tether vor der komplexen Aufgabe, entweder signifikante Anpassungen am USDT vorzunehmen, um die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen, oder Alternativen zu entwickeln, die von vornherein auf die Einhaltung der neuen Gesetze ausgelegt sind. Paolo Ardoino hat daher mehrfach betont, dass ein komplett neuer, in den USA ansässiger Stablecoin angedacht wird, der gezielt die gesetzlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt und somit eine langfristige Positionierung im US-Markt ermöglichen soll. Dies könnte Tether helfen, einem möglichen Verbot oder Beschränkungen des USDT in den Vereinigten Staaten entgegenzuwirken.
Die Einführung eines US-Domiciled Stablecoins ist strategisch nicht nur wegen der regulatorischen Erfordernisse interessant, sondern auch wegen der wachsenden Bedeutung der USA als Finanzmarkt. Trotz des globalen Wachstums des Krypto-Sektors ist der US-amerikanische Markt aufgrund seiner Größe und seines Einflusses weiterhin eine zentrale Bühne für Innovationen und Marktanteile. Sollte Tether mit einem neuen Produkt erfolgreich sein, könnte das Unternehmen seine starke Marktposition verteidigen oder sogar ausbauen, auch wenn dies mit Herausforderungen und zusätzlichem Aufwand verbunden wäre. Gleichzeitig könnte die Einführung neuer Vorschriften in der Europäischen Union weitere Hürden für USDT bedeuten. Bereits im April 2025 hat Binance dazu gezwungen, USDT aus seinem europäischen Angebot zu entfernen, da die Münze die neuen europäischen Anforderungen für Stablecoin-Herausgeber nicht erfüllte.
Die EU setzt auf eine Kombination aus Transparenz, Liquiditätsanforderungen und Anti-Geldwäsche-Maßnahmen, die auch für Anbieter digitaler Währungen in Europa bindend sind. Tether hat zwar in verschiedene europäische Projekte investiert, die konforme euro- und dollarbasierte Stablecoins entwickeln, doch Ardoino stellt klar, dass USDT unter diesen Rahmenbedingungen keine langfristige bedeutende Rolle mehr in Europa spielen wird. Für Tether bedeutet das: Der Markt wird fragmentierter und die Konkurrenz im Stablecoin-Segment wächst. Wettbewerber wie Circle mit ihrem Stablecoin USDC sind bereits gut auf die neuen regulatorischen Anforderungen vorbereitet. USDC genießt den Ruf hoher Transparenz, regelmäßiger Prüfungen durch renommierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wie Deloitte und einer starken Einhaltung von Vorschriften, was ihn zu einem attraktiven Kandidaten für institutionelle Investoren und Börsen macht.
Dadurch könnte USDC weitere Marktanteile gewinnen und Tether dazu zwingen, eigene Compliance-Standards erheblich zu verschärfen. Paolo Ardoino hält jedoch an einem positiven Compliance-Image von Tether fest und verweist auf die Zusammenarbeit mit mehr als 200 Strafverfolgungsbehörden weltweit, um illegale Aktivitäten zu verhindern. Dennoch hat er betont, dass die Anpassung des bisherigen USDT an die Vorgaben der STABLE und GENIUS Acts eine äußerst komplexe Herausforderung darstellt. Das Unternehmen ist in Verhandlungen mit verschiedenen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bezüglich eines vollständigen Audits, was bisher aufgrund der Neuartigkeit des Stablecoin-Marktes und der Risiken für Prüfungsfirmen schwer umsetzbar ist. Die Regulierungsentwicklungen dürften für den Stablecoin-Markt insgesamt eine Schlüsselfunktion einnehmen, denn sie zielen darauf ab, Vertrauen zu schaffen, Risiken für das traditionelle Finanzsystem zu minimieren und zugleich Innovationen nicht zu behindern.
Die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit in der Kryptowelt ist seit jeher Thema intensiver Diskussionen. Die Verschärfung gesetzlicher Anforderungen kann als Ermutigung für erhöhte Transparenz und Verantwortlichkeit interpretiert werden, birgt aber auch die Gefahr, kleinere und weniger compliancebereite Anbieter aus dem Markt zu drängen oder diesen gar ins Ausland zu verlegen. Obwohl die Gesetzgebungen vor allem auf den US-amerikanischen Markt abzielen, haben sie oft globale Auswirkungen. Stablecoins wie USDT werden weltweit gehandelt, als Brücke für grenzüberschreitende Transaktionen und Remittances genutzt und sind Bestandteil vieler DeFi-Protokolle (dezentrale Finanzen). Ein Verbot oder eine starke Einschränkung in den USA könnte die Liquidität verringern und Alternativen wie USDC, BUSD oder andere regionale Stablecoins begünstigen.
Ardoino sieht dennoch einen zukünftigen Bedarf an USDT in sekundären US-Märkten und hebt die Bedeutung des Tokens für weltweite Überweisungen hervor. Gerade im Bereich der Remittances ist die einfache, schnelle und kostengünstige Abwicklung von Zahlungen mittels Stablecoin ein entscheidender Vorteil gegenüber traditionellen Systemen. Diese Funktion unterstreicht die Relevanz von Tether über die rein spekulativen oder investitionsorientierten Anwendungsfälle hinaus. Die zukünftige Entwicklung wird maßgeblich von der legislativen Umsetzung und der Reaktion der Marktteilnehmer abhängen. Die Stabilität und das Vertrauen in stablecoins hängen stark von deren Compliance-Standards und deren Fähigkeit ab, sich regulatorisch anzupassen.