Pulgasari ist ein fesselnder nordkoreanischer Monsterfilm, der oft als Godzilla-Klon beschrieben wird, aber weit mehr als das ist. Der Kultfilm aus dem Jahr 1985 entstand unter außergewöhnlichen und dramatischen Umständen, die eng mit der Geschichte Nordkoreas und dem Regime von Kim Jong Il verknüpft sind. Während Pulgasari auf den ersten Blick wie ein klassischer Monsterfilm erscheint, ist seine Geschichte vielschichtig und spannend – ein düsteres Kapitel in der Filmgeschichte, das manchmal eher an einen politischen Thriller erinnert als an das Genre des Science-Fiction-Kinos. Die Entstehung von Pulgasari begann während der Herrschaft von Kim Jong Il, der nicht nur nordkoreanischer Machthaber, sondern auch ein großer Filmfanatiker war. Schon bevor er offiziell an der Spitze des Staates stand, hatte er eine Leidenschaft für das Kino entwickelt und besaß eine umfangreiche Filmsammlung mit Tausenden von Titeln aus aller Welt.
Er bewunderte insbesondere westliche Action- und Spionagefilme wie James Bond oder Rambo, deren technische Qualität und Erzählweise ihn faszinierte. Gleichzeitig wollte er den nordkoreanischen Filmsektor revolutionieren, da er glaubte, dass die heimische Filmindustrie weit hinter den internationalen Standards zurückblieb. Für Kim war das Medium Film nicht nur Unterhaltung, sondern ein politisches Werkzeug, um die kommunistischen Ideale Nordkoreas zu verbreiten und das Ansehen seines Landes zu stärken. Um die Filmindustrie Nordkoreas auf ein höheres technisches und qualitativen Niveau zu heben, war Kim Jong Il bereit, radikale Maßnahmen zu ergreifen. Sein Blick richtete sich auf Shin Sang Ok, einen der bekanntesten Regisseure Südkoreas, dessen Filme in den 1970er Jahren große Erfolge feierten.
Noch bemerkenswerter war, dass Shins Frau, Choi Eun Hee, eine gefeierte Schauspielerin im Süden war. Um die Expertise ins Land zu holen, ließ Kim Jong Il beide entführen. Zuerst wurde Choi unter einem Vorwand nach China gelockt und dort entführt, kurz darauf verschwand auch Shin in Folge entführungsähnlicher Umstände. Dieses dramatische Ereignis markierte den Beginn einer unfassbaren Geschichte, in der zwei Künstler gezwungen wurden, für ein Regime zu arbeiten, das sie gefangen hielt. Choi und Shin fanden sich in Nordkorea wieder, wo ihnen trotz der Gefangenschaft relativ komfortable Umstände geboten wurden, besonders im Vergleich zu den üblichen Bedingungen im Land.
Dennoch war ihre Freiheit stark eingeschränkt. Nachdem Shin mehrere Fluchtversuche unternommen hatte und daraufhin in ein Lager gebracht wurde, wurde beiden klar, dass ihre einzige Chance auf ein Überleben darin bestand, mit der nordkoreanischen Führung zu kooperieren und Filme zu produzieren, die den Idealen des Regimes entsprechen sollten. Für Shin, der Kommunismus ablehnte, war das eine bittere Realität, wie er später in Interviews ehrlicherweise erklärte. So begann eine ungewöhnliche Karriere als Filmemacher in einem Land, das er zutiefst ablehnte und von dem er kaum etwas verstand. Das herausragendste und letzte gemeinsame Projekt von Shin und Choi war Pulgasari, ein Monsterfilm, der bewusst inspiriert war von japanischen Produktionen rund um Godzilla.
Trotz der damals noch angespannten Beziehung zwischen Nordkorea und Japan schickte Kim Jong Il sogar Spezialisten aus Japan, einschließlich dem Schauspieler, der im populären Godzilla-Film in dem Monsterkostüm steckte. Diese internationale Zusammenarbeit hinter den Kulissen wirft ein Licht auf die widersprüchlichen Aspekte des nordkoreanischen Regimes: einerseits isoliert und feindlich gegenüber der Außenwelt, andererseits bereit, Bestleistungen auf unkonventionelle Weise einzukaufen, um das eigene Ansehen zu stärken. Pulgasari erzählt die Geschichte eines riesigen Monsters, das aus einer Mischung aus Magie und handwerklicher Kunst entsteht. Im Film ist die Titelfigur eine Art eiserner Drache, geschaffen von einem alten Schmied in einer Zeit der Hungerkrise. Das Monster wird zum Symbol des Widerstands gegen einen tyrannischen Herrscher, der die Landbevölkerung unterdrückt und ausbeutet.
Doch Pulgasari entwickelt sich weiter und seine unersättliche Gier nach Eisen droht schließlich, die Ressourcen der Bauern zu zerstören, die ihn zuerst unterstützt hatten. Dieses doppeldeutige Narrativ spiegelt das komplizierte Verhältnis zwischen Revolution und Macht wider und lässt kodiert auch Parallelen zur nordkoreanischen Führung erkennen. Auf cineastischer Ebene zeichnet sich Pulgasari durch eine charmant altmodische Ästhetik aus, die heute eher als kultig gilt. Die Effekte wirken antiquiert, die Kostüme erinnern an das Monsterkino der 1960er Jahre, und der bekanntlich quietschende Sound des Baby-Pulgasari wirkt fast wie ein Spielzeugsound. Die filmische Umsetzung hat nicht die technische Raffinesse, die Kim Jong Il anstrebte, dennoch hat der Film in der Szene der Kult- und Undergroundfans weltweit einen festen Platz gefunden.
Trotz mehrerer Mängel an Ausstattung und Produktionswerten hat Pulgasari genau deshalb einen besonderen Reiz – seine sehr menschliche, fast groteske Darstellung eines tyrannischen Monsters und seiner Beziehung zu den Menschen dahinter fesselt Zuschauer bis heute. Nach der Fertigstellung von Pulgasari bot sich Shin und Choi schließlich die Gelegenheit zur Flucht. Im Jahr 1986 reisten sie nach Österreich und entkamen während eines Geschäftsbesuchs zur US-Botschaft in Wien, wo sie um Asyl baten. Diese spektakuläre Flucht markierte das Ende ihrer unfreiwilligen Karriere im nordkoreanischen Filmbetrieb. Kim Jong Il reagierte auf ihre Flucht mit Vergeltungsmaßnahmen, erklärte Shin zum Verräter, löschte seine Namen von den Filmen und verbot die Vorführung seiner Werke, einschließlich Pulgasari, im Inland.
Trotz des offiziellen Verbots gelangte Pulgasari im Laufe der Jahre über Bootleg-Kopien und spätere Veröffentlichungen zu einem internationalen Publikum. Heute gilt Pulgasari als ein kurioses Studio-Relikt, das sowohl Filmfans als auch Historiker gleichermaßen fasziniert. Seine begrenzte Verbreitung außerhalb Nordkoreas führte dazu, dass der Film in Kultkreisen nahezu legendären Status erlangte und oft in kleinen Independent- und Underground-Kinos gezeigt wird. Videos und digitale Versionen sind mittlerweile über Plattformen wie YouTube zugänglich, wodurch der Film mehr Aufmerksamkeit erfahren hat, als es Nordkorea je zugelassen hätte. Insbesondere in westlichen Städten wie New York, Toronto oder London wurden immer wieder spezielle Screenings veranstaltet, die das Interesse an diesem nordkoreanischen Monsterabenteuer weiter anfachten.
Pulgasari bietet auch heute noch eine faszinierende Möglichkeit, die Verbindung von Kunst, Politik und Propaganda zu studieren. Während es auf der Oberfläche eine simple, sogar kitschige Monstergeschichte ist, erlaubt der Film Einblicke in die Machenschaften eines totalitären Regimes und die komplizierte Rolle, die Kunst darin spielen kann. Die Zwänge und Opfer der beiden Entführten Filmemacher, die gezwungen wurden, für das Regime zu arbeiten, machen den Film zu einem einzigartigen Zeugnis menschlicher Widerstands- und Anpassungsfähigkeit unter extremen Bedingungen. Der Film stellt außerdem eine seltene Gelegenheit dar, einen Einblick in die nordkoreanische Kultur und Ideologie zu erhalten, die ansonsten meist undurchsichtig bleibt. Die Nebenbedeutungen und politisch chiffrierten Botschaften in Pulgasari zeigen, wie Kunst und Film auch als strategisches Instrument der Herrschaftssicherung verwendet werden können.