Die menschliche Wahrnehmung beruht auf einem faszinierenden Zusammenspiel von sensorischer Aufnahme und motorischer Aktivität. Unsere Sinne nehmen die Umwelt nicht passiv auf, sondern werden durch aktive Bewegungen gesteuert, mit denen wir gezielt Informationen sammeln. Besonders hervorzuheben sind dabei die Augenbewegungen, speziell die sogenannten Sakkaden – schnelle, ruckartige Bewegungen des Auges, die es ermöglichen, den Blick auf neue Bereiche im Gesichtsfeld zu richten. Diese Sakkaden sind die schnellsten und häufigsten motorischen Bewegungen des Menschen und stellen einen Grundpfeiler unserer visuellen Erfahrung dar. Gleichzeitig bringen sie jedoch hochkomplexe Herausforderungen für das visuelle System mit sich, denn sie führen zu schnellen, großflächigen Bewegungen der retinalen Bilder.
Eine der bemerkenswertesten Beobachtungen aus der Forschung ist die Tatsache, dass wir während dieser Sakkaden keine verwischte oder verschwommene Welt wahrnehmen, obwohl das Bild auf der Netzhaut in der Tat schnell wandert. Dieses Phänomen wird als sakkadische Unterdrückung oder saccadic omission bezeichnet. Es zeigt sich, dass unser Gehirn die sensorischen Folgen der eigenen Augenbewegungen ausblendet, um eine stabile und klare visuelle Wahrnehmung zu gewährleisten. Doch wie genau wird diese visuelle Lücke umgesetzt, und welche Grenzen haben wir bei der Wahrnehmung von schnell bewegten Objekten? Diese Fragen stehen im Zentrum aktueller Untersuchungen, die aufzeigten, dass die kinematischen Eigenschaften der Augenbewegungen – ihre Geschwindigkeit, Dauer und Auslenkung – direkt mit den Grenzen unserer Hochgeschwindigkeitswahrnehmung zusammenhängen. Das wichtigste Gesetz zur Beschreibung der Sakkadenkinematik wird als die Hauptfolge (main sequence) bezeichnet.
Sie beschreibt eine mathematisch feststehende Beziehung zwischen der Amplitude der Augenbewegung (also dem Winkel, den das Auge zurücklegt), ihrer Geschwindigkeit und ihrer Dauer. Einfach gesagt bedeutet dies, dass größere Augenbewegungen langsamere Bewegungen sind, die länger dauern, während kürzere Bewegungen schnell und kurz sind. Eine solche Gesetzmäßigkeit wird über verschiedene Spezies hinweg beobachtet, von Menschen bis hin zu Fruchtfliegen. In Verbindung mit dieser Hauptfolge ist klar, dass die Geschwindigkeit, mit der die Bilder auf der Netzhaut während einer Sakkade verschoben werden, ebenfalls diesen Gesetzmäßigkeiten folgt. Daraus ergibt sich, dass das visuelle System speziell auf diesen Bereich schneller Bewegungen eingestellt sein muss.
Neueste Studien haben versucht, dieses Zusammenspiel von Augenbewegung und visueller Wahrnehmung experimentell zu erfassen, indem sie während Fixation visuelle Stimuli mit Geschwindigkeiten präsentieren, die die kinematischen Eigenschaften natürlicher Sakkaden imitieren oder davon abweichen. Durch psychophysische Aufgaben – in denen Probanden etwa die Richtung eines schnell bewegten visuellen Reizes erkennen sollen – wurde klar, dass die Sichtbarkeit des Reizes nicht nur von seiner absoluten Geschwindigkeit abhängt, sondern insbesondere von seiner Bewegungsgeschwindigkeit in Relation zu einer typischen Sakkadenbewegung derselben Amplitude. Anders ausgedrückt: Bewegungen, die innerhalb der natürlichen Grenzen von Sakkaden liegen, werden weniger wahrgenommen, was ein Hinweis darauf ist, dass die visuelle Wahrnehmung so eingestellt ist, dass sie Sensorik ignoriert, die von den eigenen schnellen Augenbewegungen herrührt, um eine stabile Wahrnehmung zu ermöglichen. Diese Beobachtung stellt eine grundlegende Verbindung zwischen der Motorik des Auges und der sensorischen Verarbeitung her und unterstreicht die Idee, dass Wahrnehmung und Aktion untrennbar miteinander verknüpft sind. Die visuelle Wahrnehmung ist somit nicht nur durch die biophysikalischen Eigenschaften der Sinnesorgane limitiert, sondern auch durch die strukturellen Grenzen der Bewegungen, mit denen diese Sinnesorgane Informationen sammeln.
Darüber hinaus zeigte die Forschung, dass diese Beziehung nicht nur für den Durchschnitt gilt, sondern auch individuelle Unterschiede in der Kinematik der Augenbewegungen eng mit Unterschieden in der Wahrnehmungsfähigkeit zusammenhängen. Menschen mit leicht unterschiedlichen Sakkadenprofilen zeigen auch graduell unterschiedliche Wahrnehmungsgrenzen für schnell bewegte Stimuli. Diese enge Verknüpfung verdeutlicht, dass unser visuelles System durch jahrelange, wenn nicht lebenslange Erfahrung mit den Bewegungen unserer eigenen Augen trainiert wird und sich auf diese typischen Bewegungsmuster einstellt. Neben den reine kinematischen Parametern ist auch die Präsenz statischer Endpunkte der Bewegung für die Wahrnehmung entscheidend. Die Studien zeigten, dass statische Phasen vor und nach der Bewegung eine große Rolle spielen, um die Wahrnehmung dieser Bewegung als kontinuierlich oder als sprunghaft zu formen.
Sind diese statischen Endpunkte nicht vorhanden, verändert sich die Sichtbarkeit der Bewegung automatisch. In der natürlichen Wahrnehmung stabilisieren diese statischen Informationen also die visuelle Erfahrung und helfen dem Gehirn, Bewegungen auszublenden, die durch eigene Augenbewegungen verursacht werden. Ein erklärendes Modell für diese komplexen Vorgänge findet sich auf der Ebene der frühen visuellen Verarbeitung. Hier wird angenommen, dass die Wahrnehmung von Bewegung durch die Verarbeitung von Raum-Zeit-Informationen in retinotopen Feldern erfolgt, die räumlich und zeitlich aufeinander abgestimmt sind. Dabei unterliegt die Verarbeitung einer gewissen zeitlichen Verzögerung und Anpassung, die durch die Kombination von statischem und bewegtem Input bestimmt wird.
Das Modell zeigt, dass hohe Geschwindigkeiten zu schwachen neuronalen Aktivierungen führen, die durch den starken statischen Input an den Bewegungsendpunkten überdeckt werden. Dies führt unmittelbar dazu, dass schnelle Bewegungen oft nicht als solche wahrgenommen werden, sondern als diskrete Sprünge, was den subjektiven Eindruck der saccadischen Unterdrückung erklärt. Es ist bemerkenswert, dass dieses simpel gehaltene Modell die wesentlichen Ergebnisse der Experimente reproduzieren kann, was auf eine tief verwurzelte Funktion der frühen visuellen Verarbeitung schließen lässt. Die Erkenntnisse haben weitreichende Folgen für unser Verständnis von Wahrnehmung und Bewegung. Sie legen nahe, dass unser visuelles System nicht isoliert arbeitet, sondern auf die Gesetzmäßigkeiten der motorischen Aktivität abgestimmt ist.
Diese Abstimmung ermöglicht es, störende Eigenbewegungen auszublenden und gleichzeitig hohe Sensitivität für relevante schnelle Bewegungen in der Umwelt aufrechtzuerhalten. Dies stellt einen optimalen Kompromiss zwischen Stabilität und Sensitivität sicher und vermeidet eine Informationsflut durch selbst verursachte Bewegungssignale. Darüber hinaus stellt diese Erkenntnis eine neue Perspektive für die Erklärung von Phänomenen wie der saccadischen Unterdrückung dar, die bisher häufig auf Korollar-Entladungen oder extraretinale Signale zurückgeführt wurden. Statt auf komplexe Vorhersagemechanismen angewiesen zu sein, ermöglicht das Gesetzmäßigkeitenprinzip der Kinematik einen parsimonischen Erklärungsansatz, der allein auf der Zuverlässigkeit der sensorischen Konsequenzen der Augenbewegungen beruht. Zukünftige Forschungen könnten untersuchen, ob diese Gesetzmäßigkeiten auch in anderen sensorischen Modalitäten oder bei anderen Bewegungen des Körpers Gültigkeit besitzen.