Im Geschäftsleben begegnet man oft der Konfrontation zwischen Härte und Fairness, zwischen Durchsetzungsvermögen und Rücksichtslosigkeit. Der Begriff "Asshole" mag vulgär und provokant klingen, doch paradoxerweise ist es genau diese Eigenschaft, die in manchen Kreisen als unabdingbar für das Überleben großer Unternehmen gilt. Dabei steht die Frage im Raum, ob man diesen Weg wirklich gehen muss und vor allem, was man in diesem Prozess über sich selbst verliert oder gewinnt. Das Bild des unnachgiebigen Geschäftsmannes, der ohne Skrupel seine Ziele verfolgt, ist in vielen Geschichten präsent. Einer dieser Berichte stammt aus dem Buch "Apple in China" von Patrick McGee, das exemplarisch beschreibt, wie ein Manager in Apples Lieferkette so kompromisslos verhandelte, dass seine Verhandlungspartner sich im Nachhinein oft fragen mussten, wie sie überhaupt einem solchen Deal zugestimmt hatten.
Diese Praxis scheint in der Geschäftswelt allgegenwärtig, ja sogar notwendig zu sein – zumindest glaubt man das vielfach. Die Aussage eines Apple-Exekutivmitgliedes, dass es im Unternehmen zwei Arten von Lieferanten gegeben habe: diejenigen, die "vollkommene Assholes" waren, und diejenigen, die nicht mehr im Geschäft sind, illustriert auf drastische Weise die Hartherzigkeit und das Überlebenskampfprinzip, das oft als gegeben hingenommen wird. Dieses Zitat wirft ein Schlaglicht auf den Glauben, dass Erfolg und Überleben im Geschäftsleben nur möglich sind, wenn man bereit ist, rücksichtslos und aggressiv zu agieren. Doch warum ist das so? Warum wird eine solch harte Haltung als notwendig erachtet? Ein Grund liegt in der Annahme, dass alle Mittel gerechtfertigt sind, solange es dem eigenen Überleben dient. In einer Welt, die als "survival of the fittest" verstanden wird, scheint es fast unvermeidlich, die moralische Fassade fallen zu lassen.
In diesem Kontext wird das "Asshole-Sein" zu einem strategischen Mittel zur Sicherung der eigenen Position im Wettbewerb. Dabei stellt sich die fundamentale Frage: Ist es genug, einfach nur zu überleben? Oder sollte nicht die Art und Weise, wie wir überleben, genauso wichtig sein? Diese Reflexion führt tief in die persönlichen und kollektiven Werte, die hinter unternehmerischem Handeln stehen. Über den Erfolg hinaus geht es darum, welcher Mensch man wird, während man versucht, sich durchzusetzen. Der rasche Weg zum Gewinn mag verlockend sein, doch was passiert mit dem eigenen Charakter und den Beziehungen zu anderen, wenn dieser Preis dafür bezahlt wird? Die Verlockung, sich an den erfolgreichen, jedoch rücksichtslosen Figuren zu orientieren, ist groß. Oft hören wir bewundernde Kommentare für deren Tenazität und Zielstrebigkeit, ohne uns die Perspektive derjenigen zu vergegenwärtigen, die auf der anderen Seite des Verhandlungstisches sitzen.
Für diese Menschen kann das Vorgehen eines "Assholes" erniedrigend, schädlich und existenzbedrohend sein. Ein solches Verhalten erzeugt nicht nur kurzfristige Gewinne, sondern auch langfristige Spannungen und Misstrauen. Es ist wertvoll, sich regelmäßig selbst zu fragen, welche Auswirkungen das eigene Handeln auf das Umfeld hat und ob man wirklich zu der Person werden möchte, die man in schwierigen Situationen repräsentiert. Diese Selbstreflexion kann als Schutzmechanismus dienen, um nicht nahtlos in das Rollenbild des unerbittlichen Geschäftsmannes hineinzuwachsen, der für seinen Erfolg moralische Grenzen überschreitet. Erfolg kann auch anders definiert werden.
Unternehmen, die auf nachhaltige Beziehungen, Respekt und langfristige Kooperation setzen, beweisen, dass es möglich ist, in umkämpften Märkten zu bestehen, ohne zum "Asshole" zu mutieren. Diese Alternative verlangt jedoch Mut, Geduld und eine klare Definition von Werten, die über kurzfristige Profite hinausgehen. Die Vorstellung, dass man immer jemand in seinem Team braucht, der eben diese unangenehme Rolle übernimmt, um das Unternehmen zu schützen, ist nicht neu. Dennoch sollte diese Strategie hinterfragt werden. Nicht selten geraten Organisationen durch diese inneren Spannungen in einen Fragestellungskreislauf, der letztendlich dem Unternehmensimage und der Mitarbeiterzufriedenheit schadet.
Im digitalen Zeitalter ist Transparenz immer leichter zu durchdringen. Soziale Netzwerke, Bewertungen und Medienberichte bringen Missstände schneller ans Licht. Unternehmen, die auf ehrliche, faire und respektvolle Praktiken setzen, bauen Vertrauen auf – ein oftmals unterschätztes Kapital im Wettbewerb. Letztendlich ist die Frage, was nach dem Überleben kommt, ebenso relevant wie das Überleben selbst. Ein Unternehmen mag am Markt bleiben, doch zu welchem Preis? Ohne Rücksicht auf ethische Standards könnte dieser Gewinn hohl wirken und das Fundament für nachhaltigen Erfolg untergraben.
Menschliche Beziehungen sind die Basis jeder Geschäftstätigkeit, sei es mit Mitarbeitern, Kunden oder Geschäftspartnern. Wer diese Beziehungen respektiert und pflegt, beschreitet häufig den langfristig erfolgreicheren Weg. Die Kunst besteht darin, sich durchzusetzen, ohne dabei in Arroganz oder Rücksichtslosigkeit zu verfallen. Jeder Einzelne ist aufgefordert, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, welchen Charakter er im Geschäftsalltag zeigen möchte. Der Schritt vom „Notwendigen Übel“ hin zu einem positiven Miteinander ist eine Herausforderung, die sich lohnt.
So betrachtet wird das "Asshole-Sein" nicht als erstrebenswertes Ziel verstanden, sondern als Warnung davor, welchen Preis man für kurzfristigen Erfolg zahlt. Der wahre Gewinn liegt in einer Balance, die Erfolg ermöglicht, ohne dabei die eigene Integrität aufzugeben. Die Entscheidung liegt letztlich bei jedem selbst: Will man nur überleben oder möchte man auch mit Würde und Respekt bestehen? Und wie kann man in einem harten Marktumfeld bestehen, ohne seinen Charakter zu verlieren? Diese Reflexionen sind nicht nur für Führungskräfte und Unternehmer relevant, sondern für jeden, der sich täglich in Verhandlungen, Konflikten und Herausforderungen behaupten muss. Die Art und Weise, wie wir uns positionieren, prägt nicht nur unsere Karriere, sondern unser gesamtes Leben. Vielleicht ist es an der Zeit, das Klischee des "Assholes" zu hinterfragen und neue Modelle der Zusammenarbeit und des Erfolgs zu fördern, die Menschlichkeit, Vertrauen und Fairness in den Mittelpunkt stellen.
Denn am Ende zählt nicht nur, was man erreicht, sondern auch, wer man dabei geworden ist.