Die Bank of London, ein junges und ambitioniertes Finanzinstitut, das erst 2021 als zweites Clearing-Bank-Unternehmen in Großbritannien in den Markt eintrat, sieht sich aktuell mit schwerwiegenden Herausforderungen konfrontiert, welche die Existenz des Unternehmens infrage stellen. Regulatorische Untersuchungen durch die Prudential Regulation Authority (PRA), finanzielle Verluste und der Weggang prominenter Führungskräfte werfen erhebliche Zweifel an der Fähigkeit der Bank auf, ihren Betrieb langfristig aufrechtzuerhalten. Als Clearing-Bank nimmt die Bank of London eine zentrale Rolle im britischen Finanzsystem ein, indem sie die Infrastruktur für Zahlungsabwicklungen und Transaktionsverarbeitung für Geschäftskunden bereitstellt. Diese Funktion ist essenziell für den reibungslosen Ablauf von Finanzgeschäften und bietet damit einen unverzichtbaren Service, der traditionell von den etablierten großen Geldhäusern NatWest, Lloyds, Barclays und HSBC dominiert wird. Der Markteintritt der Bank of London war daher von besonderem Interesse, da sie mittels moderner Fintech-Ansätze die Branche zu revolutionieren hoffte.
Trotz dieser ambitionierten Ziele haben die jüngsten Entwicklungen ein düsteres Bild gezeichnet. Im Jahr 2023 musste die Bank einen Verlust von 12 Millionen Pfund hinnehmen, was die ursprünglichen Erwartungen und Hoffnungen deutlich schmälert. Die Veröffentlichung der Jahresabschlüsse erfolgte mit beträchtlicher Verspätung um sieben Monate, was bereits ein Alarmsignal war. Hinzu kommt, dass die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY nur ihren eingeschränkten Bestätigungsvermerk vergab – ein Hinweis darauf, dass die finanziellen Unterlagen sowohl unvollständig als auch mangelhaft dokumentiert waren. Besonders problematisch war dabei die unzureichende Historie zu einem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm, welches Fragen hinsichtlich der Corporate Governance und der internen Kontrollmechanismen aufwarf.
Noch gewichtiger sind jedoch die regulatorischen Untersuchungen. Die Prudential Regulation Authority hat die Bank über mögliche Verstöße informiert, die vor dem Eigentümerwechsel im Mai 2024 erfolgt sein sollen. Diese Untersuchungen betreffen historische Vorgänge, die offenbar nicht mit den Vorgaben der Finanzaufsicht im Einklang stehen. Die Bank selbst hat ermittelt und weist auf den frühen Stand der Untersuchungen hin, sodass der finanzielle Umfang der Folgeforderungen und Sanktionen noch nicht abschätzbar ist. Dennoch ist klar, dass diese ungeklärten Fragen das Vertrauen der Investoren und Geschäftspartner erheblich beeinträchtigen.
Die Eigentümerstruktur hat sich im Frühling 2024 geändert: Die Fellesskap Group & Holdings, eine in Jersey ansässige Firma, übernahm die Führung der Bank und löste damit den früheren Besitzerkreis ab, zu dem unter anderem prominente Persönlichkeiten wie der ehemalige Labour-Politiker und britische Botschafter in den USA, Lord Peter Mandelson, sowie der US-amerikanische Private-Equity-Manager Harvey Schwartz gehörten. Beide verließen das Unternehmen in der jüngeren Vergangenheit, ebenso wie der Gründer Anthony Watson, was die Führungsschwäche und die Unsicherheit innerhalb der Bank zusätzlich verdeutlicht. Der Fall der Bank of London illustriert eindrücklich die Risiken und Schwierigkeiten, mit denen neue Marktteilnehmer im stark regulierten Finanzsektor konfrontiert sind. Der Versuch, als innovativer Fintech-Player in einem von vier großen Banken dominierten Marktsegment Fuß zu fassen, gestaltet sich als äußerst anspruchsvoll. Neben der enormen Komplexität der Abwicklungsprozesse und den hohen regulatorischen Anforderungen, die insbesondere für Clearing-Banken gelten, müssen junge Institute auch eine stabile und transparente Governance sowie belastbare Geschäftsmodelle vorweisen, um Vertrauen zu schaffen.
Die im Fall von Bank of London aufgetretenen Probleme – verspätete Rechnungslegung, lückenhafte Dokumentation, regulatorische Untersuchungen und Führungskrisen – wirken sich nicht nur unmittelbar auf die operativen Abläufe aus, sondern erschweren auch die Kapitalbeschaffung. Gerade in einem so kapitalintensiven Segment wie dem Clearing- und Settlement-Bereich ist die Sicherstellung ausreichender Finanzmittel zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur unabdingbar. Die Wirtschaftsprüfer äußerten entsprechend ernstzunehmende Zweifel daran, dass das Unternehmen in der Lage sein wird, sich die notwendigen Mittel zu sichern und somit langfristig als „Going Concern“ fortzufahren. Für den britischen Finanzmarkt hat die Situation um die Bank of London strategische Bedeutung. Die Gründung der Bank galt als Schlüsselmoment, da seit 250 Jahren kein neues Clearing-Bank-Unternehmen den Markt erweiterte.
Es war ein Hoffnungsträger für mehr Wettbewerb, geringere Abhängigkeit von Großbanken und eine Modernisierung der Zahlungsabwicklung durch innovative Technologien. Insbesondere Wirtschaftsexperten und politische Beobachter hatten die Entwicklung der Bank als Indikator für die Innovationsfähigkeit des britischen Finanzsektors bewertet. Dementsprechend sorgt die angesprochene Krise bei Banken und Marktteilnehmern sowie bei Regulierungsbehörden für Besorgnis. Die Aufsicht nimmt eine genaue Prüfung und bei Bedarf auch härtere Maßnahmen vor, um Nachteile für Kunden und das Finanzsystem zu vermeiden. Die Bank selbst hat versichert, uneingeschränkt mit der PRA zusammenzuarbeiten und alle notwendigen internen Untersuchungen zu veranlassen.
Dennoch besteht Ungewissheit bezüglich der finanziellen Belastungen, die noch auf die Institution zukommen könnten. Die Lehren aus dem Fall Bank of London könnten weitreichend sein. Sie zeigen, wie wichtig eine exzellente, transparente Buchführung, robuste Kontrollsysteme und ein erfahrenes Managementteam in sensiblen Bereichen der Finanzbranche sind. Außerdem weisen sie auf die Notwendigkeit eines engen Dialogs und einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Regulierungsbehörden hin. Startup-Fintechs im Bankensektor müssen diese Aspekte besonders berücksichtigen, um nachhaltigen Erfolg zu sichern und Marktinnovationen voranzutreiben.
Wie es für die Bank of London weitergeht, bleibt unklar. Die Maßnahmen der neuen Eigentümer, mögliche Kapitalerhöhungen und das Ergebnis der laufenden Prüfungen werden entscheidend sein. Sollte es der Bank nicht gelingen, die regulatorischen Bedenken auszuräumen und ihre Kapitalbasis zu stärken, könnte sie in ernsthafte Liquiditätsprobleme geraten, was über kurz oder lang eine Insolvenz oder einen Verkauf zur Folge haben könnte. Für Kunden und Geschäftspartner der Bank ist es wichtig, die Lage aufmerksam zu verfolgen, um Risiken rechtzeitig einschätzen und umgehen zu können. Gleichzeitig bietet die Situation eine Chance für alternative Anbieter, die Lücke der Bank of London zu füllen und weiteres Vertrauen im Markt zu schaffen.
Insgesamt steht die Bank of London exemplarisch dafür, wie komplex und herausfordernd der Schritt in den etablierten, regulierten und stark überwachten Bankenmarkt sein kann – vor allem wenn Klarheit, Glaubwürdigkeit und finanzielle Stabilität nicht in vollem Umfang gegeben sind. Die weitere Entwicklung wird nicht nur vom Engagement und der Strategie des Unternehmens abhängen, sondern auch von der Fähigkeit der britischen Finanzaufsicht, einen ausgewogenen Schutz des Finanzsystems mit der Förderung von Innovation zu verbinden.