PostgreSQL gilt seit Jahren als zuverlässige, leistungsstarke und vielseitige Open-Source-Datenbanklösung. Vor allem im Bereich der relationalen Datenbanken überzeugt sie durch Stabilität, umfangreiche Funktionen und eine aktive Community. Doch sobald Anwendungen wachsen und massive Datenmengen oder eine hohe Anzahl paralleler Nutzer bewältigt werden müssen, stößt PostgreSQL durchaus an seine Grenzen. Eine häufig gewählte Methode zur Skalierung von PostgreSQL ist das sogenannte Sharding. Dabei wird die Datenbank horizontal in mehrere Teile aufgeteilt, die auf unterschiedlichen Servern liegen.
Die vermeintliche Vorstellung ist oft, dass durch Sharding PostgreSQL automatisch zu einem verteilten System mit all seinen Vorteilen wird. Doch in der Realität sind die Begriffe Sharding und verteilte Datenbank weit voneinander entfernt – was fatal sein kann, wenn man die Grenzen und Unterschiede nicht kennt. Ein grundlegendes Verständnis dieser Unterschiede ist entscheidend, um Fehlentscheidungen bei Architektur und Technologieauswahl zu vermeiden – und letztlich eine skalierbare, konsistente und performante Datenhaltung zu gewährleisten. Sharding: Konzept und Grenzen Sharding beschreibt die Aufteilung einer Datenbank in mehrere „Shards“, also kleinere Datenbankpartitionsbereiche. Dabei übernimmt jeder Shard eine Teilmenge der Daten, beispielsweise anhand bestimmter Schlüsselbereiche oder geografischer Zeichen.
Ziel ist die horizontale Skalierung: Mehr Server können mehr Daten parallel verarbeiten, wobei der einzelne Server entlastet wird. In PostgreSQL-Umgebungen wird Sharding häufig über Lösungen wie Citus implementiert. Diese erlauben die Aufteilung von Daten auf mehrere PostgreSQL-Instanzen, wobei eine Koordinationsschicht für die Verteilung der Anfragen zuständig ist. Wichtig zu verstehen ist, dass diese PostgreSQL-Instanzen untereinander keine nativ verteilte Kommunikation besitzen. Jede Datenbank kennt nur ihren eigenen Shard und führt Transaktionen eigenständig durch.
Das bedeutet, dass die vollständigen ACID-Eigenschaften bei Transaktionen, die mehrere Shards betreffen, häufig nicht mehr gewährleistet werden können. Sharding allein macht aus PostgreSQL noch keine verteilte Datenbank im klassischen Sinne. Es handelt sich eher um eine horizontale Partitionierung ohne eng integriertes verteiltes Transaktionsmanagement. Die Problematik bei Multi-Shard-Transaktionen wird besonders deutlich, wenn man sich mit den ACID-Eigenschaften auseinandersetzt. Insbesondere die Isolation, die sicherstellen soll, dass parallele Transaktionen sich nicht gegenseitig beeinflussen, lässt sich mit Sharding allein nicht entsprechend gewährleisten.
Zwar kann beispielsweise das zwei-Phasen-Commit-Protokoll (2PC) zur Koordination von Multi-Shard-Commits genutzt werden, doch dieses garantiert vor allem die Atomizität. Das heißt, alle beteiligten Shards wenden die Änderungen entweder vollständig an oder verwerfen sie komplett. Allerdings sorgt 2PC nicht für eine einheitliche Sichtbarkeit der vorgenommenen Änderungen zum gleichen Zeitpunkt. Das bedeutet, im Rahmen von parallelen Leseanfragen können sogenannte Inkonsistenzen auftreten, die in einem echten verteilten System durch globale Snapshot-Isolation vermieden werden. Konkret illustriert sich das Problem etwa anhand eines einfachen Kontotransfers, der zwei verschiedene Shards betrifft.
Während der eine Shard seine Änderungen schon ausgeführt hat, wartet ein zweiter Shard noch auf das Commit-Signal. Ein Benutzer, der in dieser Zwischenphase eine Anfrage stellt, kann somit einen inkonsistenten Zustand sehen: Einen Gesamtbetrag, der technisch nicht korrekt ist, weil die Transaktion noch nicht überall vollständig sichtbar wurde. Solche Situationen führen zu unerwarteten Fehlern, komplizierter Fehlerbehebung und einem erhöhten Risiko für Dateninkonsistenzen. PostgreSQL vs. echte verteilte Systeme Echte verteilte Datenbanken entkoppeln sich in ihrer Architektur deutlich vom Sharding-Ansatz, wie er bei PostgreSQL mit Erweiterungen wie Citus gebräuchlich ist.
Diese Systeme implementieren ein umfassendes verteiltes Transaktionsmanagement, welches auch globale Snapshots für konsistente Sichtweisen unterstützt. Das bedeutet, dass alle beteiligten Knoten im Cluster zu jedem Zeitpunkt dasselbe, konsistente Bild der Daten haben – auch bei gleichzeitiger hoher Last und komplexen Multi-Shard-Operationen. Darüber hinaus bieten verteilte Datenbanken meist strenge ACID-Garantien über alle Knoten hinweg, inklusive atomischer, konsistenter, isolierter und dauerhafter Transaktionen. Technologien wie YDB, CockroachDB oder YugabyteDB sind Beispiele hierfür, die speziell für horizontale Skalierbarkeit in verteilten Umgebungen entwickelt wurden. Diese Systeme ermöglichen es, auch bei stark verteilten oder georedundanten Architekturen konsistente, performante Transaktionen durchzuführen – ohne die Kompromisse, die bei klassischen Sharding-Lösungen üblich sind.
Performance und Kosten verteilter Transaktionen Es liegt auf der Hand, dass verteilte Transaktionen komplexer sind und höhere Kommunikationskosten verursachen. Im Vergleich zu einer einfachen lokalen Transaktion in einem einzelnen PostgreSQL-Server sind mehrere Kommunikationsrunden (Round-Trip Times, RTT) zwischen verschiedenen Knoten notwendig, um Konsistenz und Abstimmung zu garantieren. Das beeinträchtigt zwar die Latenz pro Transaktion, führt aber zu konsistenteren und sichereren Ergebnissen. Interessanterweise wiegen diese Latenzunterschiede in modernen Rechenzentren mit sehr schnellen Netzwerken und geringer Verzögerung oft weniger schwer, als vielfach angenommen wird. Studien legen nahe, dass bei RTTs unter 7 Millisekunden die Differenz zwischen reinen Sharding-Lösungen und vollverteilten Systemen überschaubar ist.
Die Optimierungen in der Planung, Parallelisierung und Batch-Verarbeitung wirken sich ebenfalls positiv auf die Performance aus. Somit ist der vermeintliche Performancevorteil eines sharded PostgreSQL durch den Entfall von verteiltem Snapshot oft geringer als die praktischen Nachteile durch Inkonsistenzen und Fehleranfälligkeit. Der Mythos von Citus und anderen Sharding-Lösungen Citus wird häufig als naheliegende und einfache Erweiterung von PostgreSQL gesehen, um Skalierbarkeit durch Sharding zu erzielen. Während Citus durchaus valide Anwendungen hat, muss man sich der Einschränkungen bewusst sein. Im Wesentlichen stimmt Citus nur dann vollumfänglich mit klassischen ACID-Eigenschaften überein, wenn die Transaktionen auf einzelne Shards beschränkt bleiben.
In Multi-Shard-Szenarien stellt Citus standardmäßig nur eine Isolation auf „Read Committed“-Niveau bereit, ohne verteilte Snapshot-Mechanismen. Dieses Verhalten ist nicht nur eine technische Fußnote, sondern hat direkte Auswirkungen auf die Anwendungslogik und die Datenkonsistenz. Viele Entwickler unterschätzen die Konsequenzen und nehmen eventuell subtil auftretende Inkonsistenzen erst spät im Produktivbetrieb wahr – was besonders in sensiblen Bereichen, etwa im Finanzsektor, zu katastrophalen Fehlern führen kann. Der Grund für diese Kompromisse liegt in der Architektur von PostgreSQL selbst, die nicht ohne tiefgreifenden Mehraufwand oder fundamentale Anpassungen verteilte Snapshot-Isolation ermöglicht. Angesichts der dabei entstehenden Performanceeinbußen und Komplexität hat sich Citus bewusst für diese pragmatische Lösung entschieden, um Skalierbarkeit zu bieten, ohne allzu stark in die Kernmechanismen von PostgreSQL einzugreifen.
Wann ist PostgreSQL nicht mehr genug? PostgreSQL ist für viele Anwendungen die beste Wahl – insbesondere wenn es um robuste OLTP-Anwendungen, Data-Warehousing oder traditionelle monolithische Systeme geht. Doch sobald die Anforderungen stark wachsen, komplexe Multi-Shard-Transaktionen benötigt werden oder hohe Verfügbarkeit und geografische Verteilung entscheidend sind, stößt es an seine Grenzen. Wer beispielsweise eine globale Anwendung betreibt, die weltweit konsistente Daten in Echtzeit benötigt, für den genügt Sharding mit PostgreSQL allein nicht. Ebenso wenn Street-Level-Latenzen, hohe Schreiblasten und Skalierung weit über die Kapazitäten eines einzelnen Servers hinaus erforderlich sind, lohnt sich die Investition in echte verteilte Systeme, die solche Szenarien von Grund auf unterstützen. Die Rolle der Entwickler und des Anwendungsdesigns Die Entscheidung zwischen sharded PostgreSQL und verteilten Datenbanken ist nicht nur eine technische, sondern auch eine Frage des Anwendungsdesigns und der Fehlerakzeptanz.
Verteilte Systeme mit starken Konsistenzgarantien entlasten Entwickler von belastenden Folgefehlern, erfordern aber meist einen höheren initialen Investitions- und Kompetenzaufwand. Auf der anderen Seite ermöglichen es schwächere Guarantees wie beim Sharding mit Citus, Skalierung zu erreichen – allerdings auf Kosten komplexerer Fehlerfälle, die sorgfältig im Anwendungscode behandelt werden müssen. Entwickler müssen also die Risiken verstehen und abwägen: Ist die Komplexität und Fehleranfälligkeit akzeptabel? Können potenzielle Inkonsistenzen ausgeglichen oder toleriert werden? Oder ist es unabdingbar, sich für ein System mit starken ACID-Garantien zu entscheiden? Ausblick: Moderne verteilte Datenbanken als echte Alternative Die Fortschritte moderner verteilter Datenbanken zeigen, dass es längst Alternativen zu klassischen monolithischen PostgreSQL-Installationen und simplen Sharding-Lösungen gibt. Systeme wie YDB bieten strenge ACID-Garantien in verteilten Umgebungen, verbunden mit hoher Verfügbarkeit und Skalierbarkeit. Sie kombinieren die Vorteile relationaler Datenmodelle mit den Anforderungen hochskalierender, global verteilter Anwendungen.
Dies eröffnet Entwicklern und Unternehmen neue Möglichkeiten, sich von den Beschränkungen einzelner Server oder einfachen Sharding-Ansätzen zu lösen und dabei auf ein robustes transaktionales Fundament zu setzen. Gerade in Zeiten wachsender Datenmengen, global verteilter Nutzer und komplexer Geschäftslogiken gewinnen solche Technologien zunehmend an Bedeutung. Fazit Es ist verführerisch, Sharding als einfachen Ausweg aus der Limitierung eines einzelnen PostgreSQL-Servers zu betrachten. Tatsächlich wandelt Sharding jedoch keine einfache PostgreSQL-Datenbank automatisch in ein verteiltes System mit vollumfänglichen ACID-Transaktionen um. Die Grenzen liegen gerade in der Konsistenz und Isolation von Multi-Shard-Transaktionen, die klassische Sharding-Lösungen nicht ohne weiteres beheben können.
Wer robustere und skalierbare Anwendungssysteme bauen möchte, sollte diese Unterschiede kennen und abwägen, wann der Einsatz echter verteilter Datenbanken sinnvoll ist. Nur so kann die Balance zwischen Performance und Datenintegrität gewahrt und eine langfristig stabile Datenhaltung gewährleistet werden. PostgreSQL bleibt dabei ein hervorragendes Tool – aber es ist nicht immer die Endlösung für alle Herausforderungen moderner datenintensiver Anwendungen.