Die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI) wirft zunehmend komplexe rechtliche Fragen auf, insbesondere im Hinblick auf die Verwendung von urheberrechtlich geschützten Werken für das Training von KI-Modellen. Im Zentrum der Diskussion steht die sogenannte Durchsetzbarkeit von Opt-Outs – also der Möglichkeit von Urheberrechtsinhabern, der Nutzung ihrer Werke im KI-Training zu widersprechen. Diese Thematik gewinnt angesichts der zunehmenden Verbreitung und Kommerzialisierung von KI-Anwendungen immer größere Bedeutung und stellt Entwickler, Rechteinhaber und Juristen gleichermaßen vor Herausforderungen. Ursprünglich hat Creative Commons, eine bekannte gemeinnützige Organisation, die sich für offene Lizenzen einsetzt, einen Vorschlag entwickelt, um sogenannte Präferenzsignale einzuführen. Diese Signale sollen Rechteinhabern die Möglichkeit geben, auf Datensatzebene anzugeben, ob ihre Werke für KI-Trainingszwecke verwendet werden dürfen oder nicht.
Allerdings wurden diese Signale bisher nicht als juristisch verbindlich angesehen, da im US-amerikanischen Urheberrecht die Verwendung von Werken für das Training vieler KI-Modelle in der Regel unter die Schutzklausel des „Fair Use“ fällt. Fair Use ermöglicht bestimmte Nutzungen geschützter Inhalte ohne die ausdrückliche Erlaubnis des Rechteinhabers, insbesondere wenn die Nutzung transformativ ist oder einen gesellschaftlichen Nutzen bietet. Diese Sichtweise ist unter Experten allerdings umstritten, da das Prinzip des Fair Use vor allem in den USA gilt und viele andere Länder, insbesondere in der Europäischen Union (EU), deutlich strengere Regelungen kennen. In der EU wird das Urheberrecht nicht durch eine flexible Fair-Use-Doktrin, sondern durch fest definierte Ausnahmeregelungen geregelt. Besonders relevant ist hier die Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt, auch bekannt als CDSM-Richtlinie.
Sie eröffnet unter bestimmten Bedingungen, etwa wenn Werke rechtmäßig zugänglich sind, die Möglichkeit, urheberrechtlich geschützte Inhalte für Text- und Data-Mining (TDM) zu verwenden, also auch für KI-Training. Doch hierbei spielt ein entscheidender Aspekt eine Rolle: Die Rechteinhaber müssen die Möglichkeit haben, ein Opt-Out zu erklären, um die Nutzung ihrer Werke für diese Zwecke zu verbieten. Die Besonderheit liegt in der Verknüpfung der EU-Urheberrechtsregelungen mit dem Entwurf des EU-AI-Gesetzes. Artikel 53 des EU-AI-Gesetzes verpflichtet Anbieter von allgemein einsetzbaren KI-Modellen dazu, sich an die europäischen Urheberrechtsregelungen zu halten, selbst wenn das Training der Modelle außerhalb der EU stattfindet. Diese extraterritoriale Wirkung ist insofern ungewöhnlich, da Urheberrechte normalerweise nur in dem Gebiet gelten, in dem die Rechtsverletzung stattfindet.
Mit diesem Ansatz versucht die EU, einen starken Schutz für Rechteinhaber sicherzustellen und zugleich die Kontrollmöglichkeiten über die KI-Trainingsprozesse zu erhöhen. Die Reichweite des EU-AI-Gesetzes ist zudem sehr umfassend. Es gilt für alle Anbieter, deren KI-Modelle in der EU eingesetzt oder deren Ausgabeprodukte in der EU verwendet werden. Dies macht es beinahe unmöglich, sich dem Einfluss der europäischen Urheberrechtsregelungen zu entziehen, da selbst in Drittstaaten trainierte Modelle bei Verwendung innerhalb der EU unter die gesetzlichen Pflichten fallen. Vor diesem Hintergrund eröffnen sich neue Perspektiven für die Durchsetzbarkeit von Opt-Outs.
So könnten Rechteinhaber, die sich auf die Verbote gemäß den Opt-Out-Signalen berufen, durch nationale Behördenverfahren gegen Unternehmen vorgehen, die die Vorgaben missachten. Anders als in den USA, wo private Klagen zumeist im Vordergrund stehen, ist in der EU eine behördliche Überwachung und Sanktionierung vorgesehen, ähnlich dem Konzept der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Dort werden Verstöße in der Regel von Datenschutzbehörden untersucht und gegebenenfalls mit empfindlichen Bußgeldern belegt. Gleichzeitig eröffnen sich für Unternehmen, die KI-Dienstleistungen anbieten, Handlungsmöglichkeiten. Firmen, die KI-Modelle nutzen oder verkaufen, können vertraglich sicherstellen, dass ihre Anbieter die Urheberrechtsopt-Outs respektieren, um Rechtssicherheit zu schaffen und Haftungsrisiken zu minimieren.
Auch im Rahmen von Ausschreibungen können solche Compliance-Anforderungen als Voraussetzung für die Vergabe definiert werden. Während die EU somit einen strengen regulatorischen Rahmen setzt, bleibt die Situation in den USA komplex und unsicher. Trotz zahlreicher publizierter Analysen von Prominenten aus dem Bereich des geistigen Eigentums ist die Rechtsprechung bislang uneinheitlich. Fair Use wird als Verteidigungsmechanismus vor Gericht angewandt und ergibt sich aus einer vielschichtigen Abwägung von Faktoren, die je nach Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden. Gerichtliche Entscheidungen haben in der Vergangenheit gezeigt, dass selbst bei ähnlich gelagerten Sachverhalten gegensätzliche Urteile möglich sind, die stark von den Umständen und dem Auftreten der Parteien abhängig sind.
Die juristische Unsicherheit wird durch die vielfältigen Einsatzbereiche von KI und unterschiedliche Arten von Daten noch verstärkt. So kann etwa zwischen generativen und prädiktiven Modellen unterschieden werden, sowie zwischen Text-, Bild- oder Audioinhalten. Auch der jeweilige Verwendungszweck der KI spielt eine Rolle bei der Bewertung einer möglichen Urheberrechtsverletzung. Die Copyright Alliance weist beispielsweise darauf hin, dass eine allgemeine Ausnahme für die Verwendung von urheberrechtlich geschütztem Material zu Trainingszwecken nicht bestehend ist – jede Nutzung muss im Einzelfall unter rechtlichen Gesichtspunkten geprüft werden. Interessanterweise zeigt die Rechtsprechung, dass auch weitverbreitete technische Innovationen nicht immer unproblematisch aufgenommen werden.
So hat das US-amerikanische Oberste Gericht im Fall Sony Corp. of America gegen Universal City Studios die Verwendung von Videorekordern als „Fair Use“ anerkannt, während in einer späteren Entscheidung das Netzwerk Grokster für unerlaubte Verbreitung von urheberrechtlich geschütztem Material haftbar gemacht wurde. Solche Entscheidungen zeigen, wie stark Rechtsauslegungen von den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Kontexten beeinflusst sind. Ein aktuelles Beispiel für die Unvorhersehbarkeit von Gerichtsentscheidungen ist der Fall Thomson Reuters gegen Ross Intelligence. Hier wurde dem KI-unterstützten juristischen Suchdienst die Fair-Use-Verteidigung abgesprochen, obwohl die Argumente für einen fairen Gebrauch vorlagen.
Ein wesentlicher Kritikpunkt war, dass der Richter frühere Präzedenzfälle ignorierte und auf eine technologische Unterscheidung abstellte, die in der Fachwelt umstritten ist. Aufgrund all dieser Unsicherheiten ist es riskant, die Opt-Out-Signale von Creative Commons pauschal als nicht durchsetzbar abzuschreiben. Vielmehr wäre es sinnvoll, sie als potenziell verbindlich anzusehen, um Anreize für deren Verbreitung und ernsthafte Berücksichtigung in der KI-Branche zu schaffen – insbesondere im europäischen Raum. Auch wenn die juristische Lage in einzelnen Ländern oder über längere Zeiträume unklar bleiben sollte, können solche Signale eine wichtige normative Rolle spielen und den Schutz von Urheberrechten stärken. Darüber hinaus könnte die Entwicklung spezialisierter Signale für einzelne Werke oder Werksegmente eine weiterführende Möglichkeit darstellen, den unterschiedlichen Bedürfnissen von Rechteinhabern gerecht zu werden.
So entwickelte Protokolle, die maschinenlesbar sind und von globalen Akteuren wie Common Crawl oder EleutherAI unterstützt werden, könnten dafür sorgen, dass Opt-Outs technokratisch überwacht und respektiert werden. Die Herausforderungen bei der Identifikation von urheberrechtlich geschützten Werken und der Zuordnung der Rechte sind dabei jedoch nicht zu unterschätzen. Weder in der EU noch in den USA gibt es zentrale Register, die lückenlos Auskunft über Rechteinhaber und geltende Schutzfristen geben. Zusätzlich erschweren häufig mehrfache Autoren, unterschiedliche nationale Rechtslagen und private Vertragsregelungen die rechtliche Bewertung. Nicht zuletzt führen die hohen Strafen und regulatorischen Rahmenbedingungen in der EU dazu, dass Marktteilnehmer sehr vorsichtig agieren und im Zweifel die Opt-Out-Signale respektieren, um teure Bußgelder oder negative Publicity zu vermeiden.
In den USA und anderen Ländern wiederum kann das Risiko von Rechtsstreitigkeiten und nur schwer kalkulierbaren Gerichtsurteilen Unternehmen dazu bewegen, freiwillige Compliance-Maßnahmen zu ergreifen, auch wenn eine gesetzliche Verpflichtung fehlt. Abschließend lässt sich sagen, dass die Durchsetzbarkeit von Opt-Outs im KI-Training eine der drängendsten Fragen im Zusammenspiel von Technologie und Recht darstellt. Internationale Divergenzen in der Rechtslage erfordern, dass KI-Entwickler und Nutzer eine umsichtige und differenzierte Strategie verfolgen. Die Integration von Opt-Out-Protokollen, der Dialog mit Rechteinhabern sowie der Fokus auf rechtliche Entwicklungen sind dabei essenziell, um eine nachhaltige Entwicklung von KI-Lösungen im Einklang mit dem Schutz geistigen Eigentums zu gewährleisten.