Die weltweiten Märkte für Edelmetalle haben in den letzten Wochen deutliche Bewegungen verzeichnet, doch besonders der Silberpreis hat für Aufsehen gesorgt. Am 5. Juni 2025 durchbrach der Preis für Silber erstmals seit mehr als 13 Jahren die Marke von 35 US-Dollar pro Unze und kletterte sogar zeitweise auf rund 35,90 Dollar. Die anhaltende Schwäche des US-Dollars, gepaart mit Unsicherheiten über die Handels- und Tarifpolitik der USA, hat zu dieser beeindruckenden Rallye beigetragen, die viele Beobachter als bedeutenden Wendepunkt im Markt für Silber sehen. Die Entwicklung ist dabei weit mehr als nur ein kurzfristiges Spekulationsphänomen – vielmehr schlägt sie eine Brücke zu fundamentalen Verschiebungen in Angebot und Nachfrage sowie der geopolitischen und wirtschaftlichen Landschaft im globalen Handel.
Die Schwäche des US-Dollars hat einen großen Einfluss auf die Preisgestaltung von Edelmetallen, dazu zählt auch Silber. In der Regel korreliert der Wert des Dollars invers mit Rohstoffpreisen, da ein schwächerer Greenback die Rohstoffe für Käufer mit anderen Währungen günstiger macht. Das führt zu gesteigerter Nachfrage und folglich zu höheren Preisen. Dieses Phänomen spiegelt sich aktuell eindrucksvoll wider, da Anleger verstärkt in Silber investieren, um sich gegen die Gefahr von Inflation und Wechselkursschwankungen abzusichern. Der Dollarindex (DX-Y.
NYB) ist in den letzten Wochen deutlich gefallen, was den Silberpreis zusätzlich befeuert hat. Neben Währungseinflüssen steht vor allem die politische Unsicherheit bezüglich der US-Handelspolitik im Fokus. Die von Präsident Trump in den Jahren seit Amtsantritt implementierten und oft wechselnden Zollmaßnahmen haben weltweit für Verunsicherung gesorgt, insbesondere in wichtigen Industrie- und Rohstoffsektoren. Die Möglichkeit von neuen Zollerhöhungen und Sanktionen lässt viele Marktteilnehmer vorsichtiger agieren. Gleichzeitig begünstigt dieses Klima die Nachfrage nach sicheren Anlagen wie Silber und Gold.
Die Investoren wissen nicht genau, wie stark und dauerhaft sich diese Unsicherheiten auswirken werden, weshalb sie zunehmend auf physische Edelmetalle setzen, die als Wertaufbewahrungsmittel gelten. Maria Smirnova, Senior-Portfolio-Managerin und Chief Investment Officer bei Sprott Asset Management, beschrieb die Preisbewegung als „lange vorbereiteten Ausbruch“. Sie wies darauf hin, dass Silber in den Monaten zuvor mehrfach versucht hatte, die Schwelle von 35 Dollar zu überwinden. Das nun geglückte Überschreiten gilt als technisch bedeutsames Signal, das neue Investorenschichten anziehen könnte. Sollte sich dieses Momentum mit verstärktem physischem Kauf untermauern, ist ein schneller weiterer Anstieg realistisch.
Im Vergleich zu Gold, dessen Marktkapitalisierung mit über 22 Billionen US-Dollar wesentlich größer ist, liegt das Marktvolumen von Silber bei etwa 2 Billionen Dollar. Diese Größenordnung begünstigt stärkere Kursschwankungen, die häufig schneller verlaufen als jene des gelben Metalls. Ein weiterer wesentlicher Faktor für die positive Silberpreisentwicklung sind die fundamentalen Angebots- und Nachfragebedingungen. Seit 2021 wurde auf dem Silbermarkt ein kumulatives Defizit von ungefähr 800 Millionen Unzen verzeichnet. Die Nachfrage übersteigt das Angebot bereits seit geraumer Zeit, und diese Engpässe werden voraussichtlich anhalten oder sich sogar verschärfen.
Silber ist nicht nur ein wertvolles Investmentgut, sondern auch ein unverzichtbarer Rohstoff in diversen Industriezweigen. Elektronik, Solartechnik, automobile Komponenten – zahlreiche Anwendungen sind von Silber abhängig. Insbesondere die Bemühungen der USA, die nationale Produktion und Fertigung zu stärken, könnten den industriellen Bedarf weiter steigern und somit Preispotenzial freisetzen. Der Vergleich zu Gold erschließt auch die unterschiedlichen Marktnarrative: Während Gold traditionell als ultimative Krisenwährung gilt, profitiert Silber zusätzlich durch seine industrielle Relevanz. Diese Doppelrolle macht Silber für Investoren besonders attraktiv in einer Zeit wirtschaftlicher und politischer Unsicherheiten.
Dennoch mahnen Experten zur Vorsicht, da das Edelmetall auch für seine Volatilität berüchtigt ist. Rhona O’Connell, Leiterin der Marktanalyse bei StoneX, warnt davor, dass trotz des Aufwärtstrends ebenso gut heftige Rückschläge möglich sind. Nach starken Anstiegen gilt Silber als überkauft, und Korrekturen sind nahrhaft und häufig Teil des normalen Marktzyklus. Jahresbetrachtet hat Silber damit eine Wertsteigerung von mehr als 23 Prozent erzielt. Gold konnte mit knapp 29 Prozent Zuwachs sogar noch etwas mehr an Wert gewinnen.
Diese Entwicklung reflektiert das gestiegene Vertrauen in Edelmetalle als Absicherung gegen die volatile geopolitische Lage, die gefährdeten Handelsbeziehungen und potenzielle fiskalische Herausforderungen in den USA, etwa im Zusammenhang mit Trumps Steuerplan zur Anhebung der Schuldenobergrenze um 4 Billionen US-Dollar, der im Mai 2025 vom Repräsentantenhaus verabschiedet wurde. Investoren, die sich für Silber interessieren, sollten die aktuellen Trends genau beobachten. Die Kombinationswirkung aus einem schwindenden Dollar, anhaltender handelspolitischer Unklarheit, fundamentalen Marktdefiziten sowie der industriellen Nachfrage gibt Silber zweifelsohne eine starke Ausgangslage. Analysten empfehlen jedoch, die Marktbewegungen mit Bedacht zu behandeln und sich der inhärenten Schwankungen bewusst zu sein. Physisches Silber, ETFs, Minenaktien oder Derivate bieten unterschiedliche Zugänge, je nach Risikobereitschaft und Investitionsstrategie.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Silberpreise sich in einer interessanten Phase befinden, die sowohl Chancen als auch Risiken birgt. Die jüngsten Höchststände nach über einem Jahrzehnt markieren eine wichtige Wegmarke, die durch fundamentale und technische Faktoren untermauert wird. Anleger und Marktbeobachter sollten den Silbermarkt weiterhin mit Fokus auf die volatilitätsbedingten Bewegungen und das geopolitisch-wirtschaftliche Umfeld verfolgen, um fundierte Entscheidungen treffen zu können. Die kommende Zeit könnte für Silber einen neuen Zyklus einläuten, in dem das weiße Metall stärker als bisher als sowohl wertbeständige Anlage als auch als kritischer Rohstoff wahrgenommen wird.