Die Entscheidung von El Salvador, Bitcoin als offizielle Währung anzunehmen, war ein bedeutender Schritt, der weltweit Beachtung fand. Unter der Führung von Präsident Nayib Bukele galt das kleine mittelamerikanische Land als Vorreiter in der Kryptowährungsbewegung. Doch in einer überraschenden Wendung hat El Salvador kürzlich seine Position zu Bitcoin überdacht, um einen Deal mit dem Internationalen Währungsfonds (IMF) abzuschließen. Dies wirft die Frage auf: Ist dies ein Rückschritt für die Bitcoin-Adoption oder handelt es sich um einen strategischen Schachzug? Im Rahmen der Verhandlungen mit dem IMF, die darauf abzielten, ein Darlehen von 1,4 Milliarden Dollar zu sichern, um die Zahlungsbilanz des Landes zu stabilisieren und wirtschaftliche Reformen zu unterstützen, wurde beschlossen, die obrigatorische Akzeptanz von Bitcoin für den Privatsektor aufzuheben. Zudem wurde die öffentliche Sektor-Beteiligung an Bitcoin eingeschränkt und die Chivo-Wallet, das staatlich geförderte Wallet für Kryptowährungen, privatisiert.
Die Meinungen über diese Entwicklungen sind gespalten. Viele Bitcoin-Anhänger sind enttäuscht und sehen darin einen Rückschritt für die viel gepriesene Bitcoin-Revolution in El Salvador. Sie warnen vor den strengen Bedingungen des IMF, die ihrer Meinung nach das wirtschaftliche Wachstum hemmen können. Auf der anderen Seite argumentieren einige, dass Bukele möglicherweise ein größeres Ziel verfolgt. Der Crypto-Influencer Lina Seiche beschreibt den Deal als einen Vertrauensschub für Investoren.
„Das Darlehen hat auf dem traditionellen Markt eine große Bedeutung und könnte zu weiteren Finanzierungsmöglichkeiten für die Wirtschaft El Salvadors führen“, sagt sie. Einige Beobachter glauben auch, dass das Land die Bedingungen des Darlehens abwarten und anschließend die ursprünglichen Bitcoin-Gesetze wieder einführen könnte. Monica Taher, ehemalige Technologiedirektorin der Handels- und Investitionssekretariats von El Salvador, ist jedoch der Meinung, dass die Änderungen notwendig waren, um die zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Fehltritte der Regierung zu kompensieren. Ihrer Ansicht nach wurde von Anfang an versäumt, eine Bildungsstrategie zur Einführung von Bitcoin in der Bevölkerung zu implementieren. „Wenn das Ziel gewesen wäre, den Bürgern finanzielle Freiheit zu geben, hätte die Regierung die Priorität auf Bildung legen müssen“, erklärt sie.
Ein weiteres Hindernis für die Bitcoin-Adoption war der Verlust an ausländischen Investitionen. Die maximalistische Herangehensweise führte dazu, dass viele Unternehmen und Investoren Abstand von El Salvador nahmen. „Für viele Hardcore-Maximalisten ging es vor allem um persönliche Gewinne. Einige von ihnen kauften steuerfreie Immobilien in San Salvador, was deutlich macht, dass das Ziel nie war, die Bevölkerung zu bilden oder zu stärken“, so Taher. Das von Bukele geführte Land hat nicht nur unter wirtschaftlichen Herausforderungen gelitten, sondern kämpft auch mit einem umstrittenen Menschenrechtsrekord.
Insbesondere die Vorwürfe gegen die Regierung in Bezug auf die Erosion des Rechtsstaats und die mangelnde Transparenz tragen zur Unsicherheit bei. Weltweit sank das Vertrauen in El Salvador als Investitionsstandort, was sich auch in den nachlassenden ausländischen Direktinvestitionen niederschlägt. Trotz dieser negativen Entwicklungen denkt die Bitcoin-Community in El Salvador über die Zukunft nach. John Dennehy, Gründer der Bildungsorganisation My First Bitcoin, ermutigt die Menschen, nicht aufzugeben. „Die Graswurzelbewegung und Organisationen hier sind jetzt wichtiger denn je.
Unterstützt sie, statt zu trauern“, ruft er auf. Dies könnte zu einer neuen Welle der Bitcoin-Adoption führen, die unabhängig von staatlicher Unterstützung wächst. Jordan Urbs, ein Bitcoin-Befürworter und Unternehmer in El Salvador, sieht die Chancen für Bitcoin trotz der aktuellen Rückschläge. Er erwähnt die niedrige Kriminalitätsrate und die einfache Möglichkeit, ein Unternehmen zu gründen oder die Staatsangehörigkeit zu erwerben, als Anreize, die die Innovation im Land vorantreiben. „Dank des ‚Bitcoin-Tourismus‘ hat sich eine wachsende Kultur der dezentralen und souverän gerichteten Innovation in El Salvador etabliert“, sagt Urbs.
Auf der anderen Seite äußert Taher Bedenken, dass die Bitcoin-Adoption nicht nur stagniert, sondern sogar weiter rückläufig sein könnte. Ihrer Einschätzung nach wird das Bitcoin-Ökosystem in El Salvador auf ausländische Firmen und Investoren beschränkt sein. „Ich wage zu behaupten, dass 99 % der Bevölkerung Bitcoin nicht nutzt und dass die Akzeptanz weiter abnehmen wird.“ Zu den anfänglichen Erwartungen für die Bitcoin-Adoption in El Salvador gehörte die Idee, den Bereich der Remittances, der für die Wirtschaft des Landes von entscheidender Bedeutung ist, zu revolutionieren. Ein Bericht von PwC aus dem Jahr 2021 prognostizierte erhebliche Verbesserungen in Bezug auf Effizienz und Kostenreduktionen durch die Verwendung von Bitcoin und die staatlich geführte Walet Chivo.
Doch aktuelle Zahlen der Zentralbank von El Salvador zeigen, dass die Kryptowährungsüberweisungen nach einem anfänglichen Anstieg stark gesunken sind. Im Jahr 2024 machen sie gerade einmal 1 % der Gesamtoverwiesungen aus. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Verhältnis zwischen El Salvador und Bitcoin, sowie die jüngsten Entwicklungen im Hinblick auf den IMF-Deal, sowohl Herausforderungen als auch Chancen für die künftige Adoption von Kryptowährungen im Land mit sich bringen. Die Reaktionen der Bitcoin-Community werden entscheidend sein, um festzustellen, ob diese Hindernisse überwunden werden können oder ob El Salvador endgültig in eine passive Rolle innerhalb der globalen Kryptowährungsbewegung zurückfallen wird.
