Die politische Welt ist von Persönlichkeiten geprägt, deren Führungsstile und Visionen die Gesellschaften nachhaltig prägen. Ein besonders spannender Vergleich wurde jüngst von Orville Schell, einem angesehenen Sinologen und Experten für zeitgenössische chinesische Geschichte, gezogen. Schell untersucht die überraschenden Parallelen zwischen Mao Zedong, dem Vater der chinesischen Kommunistischen Revolution, und Donald Trump, dem ehemaligen US-Präsidenten und Ikone der sogenannten „Make America Great Again“ (MAGA) Bewegung. Diese Gegenüberstellung offenbart tief verwurzelte Ähnlichkeiten in ihrer Psychologie, ihrem Führungsverhalten und in den politischen Folgen, die beide Persönlichkeiten für ihre Länder hinterlassen haben – wenn auch in sehr unterschiedlichen Kontexten und Zeiträumen. Die Grundlage für Schells Analyse ist die Persönlichkeit Mao Zedongs, der als charismatischer, aber auch unberechenbarer Autokrat bekannt war.
Mao war nicht nur ein strategischer Denker, sondern befürwortete regelmäßig gesellschaftliche und politische Umwälzungen, um Macht zu sichern und seinen revolutionären Kurs durchzusetzen. Sein berühmtes Motto, inspiriert von dem chinesischen Klassiker „Reise in den Westen“, lautete „dànào-tiāngōng“ („großes Chaos unter dem Himmel“). Diese Liebe zum Chaos und zur Zerstörung bestehender Ordnung wurde besonders während der Kulturrevolution (1966-1976) deutlich, einer Zeit intensiver sozialer und politischer Unruhen in China. Schell sieht in diesem „chaotischen Führungsstil“ eine wichtige Brücke zur Art und Weise, wie Donald Trump während seiner Präsidentschaft und darüber hinaus agierte. Trump, so Schell, zeigt ebenfalls eine starke Vorliebe für Unordnung und Konfrontation.
Wie Mao hat auch er eine ausgeprägte Abneigung gegen etablierte Institutionen, die er als „Tiefenstaat“ bezeichnet – eine verborgene Machtstruktur innerhalb der Regierung, die ihn angeblich behindert. Die wiederholten Angriffe Trumps auf das Justizsystem, Medien, akademische Einrichtungen und Regierungsbehörden spiegeln einen ähnlichen Impuls wider, wie Mao „das Hauptquartier zu bombardieren“ – eine Phrase, die Mao nutzte, um den Angriff auf die Parteiapparatführer zu beschreiben, die seine radikale Revolution zu behindern drohten. Ein weiterer bemerkenswerter Vergleich ist die familiäre Dimension beider Figuren. Sowohl Mao als auch Trump hatten komplizierte, manchmal sogar feindselige Beziehungen zu ihren Vätern, was laut Schell ihre Persönlichkeit und ihr Bedürfnis nach Macht und Kontrolle maßgeblich prägte. Mao sprach offen davon, wie konfliktbeladen seine Bindung zu seinem autoritären Vater war, was ihn dazu brachte, im jungen Alter mehrfach von zu Hause wegzulaufen.
Bei Trump wird ähnlich von einer dominanten und kritischen Vaterfigur berichtet, die sein Selbstbild und seine Art zu interagieren stark beeinflusste. Solche familienpsychologischen Wurzeln erklären, warum beide Männer so stark auf Affirmation, Anerkennung und Kontrolle angewiesen sind und warum sie eine Neigung zu provokativen und oftmals destruktiven Machtspielen zeigen. Die Parallelen erstrecken sich auch auf die Art und Weise, wie beide Männer mit ihren politischen Gefolgsleuten und Rivalen umgingen. Mao war bekannt für seine ständigen politischen Säuberungen, in denen er selbst langjährige Weggefährten wie Deng Xiaoping und Liu Shaoqi demütigte, aus der Parteiführung entfernte oder inhaftieren ließ. Dieser Mechanismus der Machtfestigung durch Angst, Loyalitätsforderungen und ständige innerparteiliche Kämpfe hat viele Gemeinsamkeiten mit Trumps Umgang mit der Republikanischen Partei.
Trump überprüfte ständig die Loyalität seiner Mitarbeiter, entließ Kritiker und belohnte Gefolgsleute, die uneingeschränkte Treue zeigten. Dieses Klima der Einschüchterung und des Misstrauens erinnert stark an die Atmosphäre während der Kulturrevolution. Trotz der vielen Ähnlichkeiten gibt es auch gewichtige Unterschiede, die Schell betont. Mao war ein ideologisch tief verwurzelter Kommunist, der an eine strikte marxistisch-leninistische Weltanschauung glaubte und seine politischen Maßnahmen als Teil eines geschichtlichen Fortschritts interpretierte. Trump hingegen wird eher als ein pragmatischer Opportunist ohne festes ideologisches Fundament gesehen.
Seine Politik ist mehr von persönlichen Impulsen, dem Bedürfnis nach Anerkennung und gelegentlichen Wirtschaftsinteressen geleitet als von einer kohärenten politischen Theorie. Das zeigt, wie Autokraten und starke Führungspersönlichkeiten sehr unterschiedliche Wege gehen können, um Macht auszuüben und zu sichern. Interessant ist auch, wie beide Führer mit Expertentum und Intellektuellen umgingen. Mao misstraute den Experten, Wissenschaftlern und Intellektuellen, die seiner Meinung nach dem bürokratischen Establishment und der Revolution im Weg standen. Er bevorzugte stattdessen eine unbedingte, persönliche Loyalität, selbst wenn dies zum Nachteil der praktischen Regierungsführung war.
Trump zeigte ähnliche Muster, indem er kritische Wissenschaftler, etwa im Bereich Gesundheitswesen, systematisch attackierte und durch loyalistische Personen ersetzte. Dieses Spannungsfeld zwischen „rot“ und „Experte“ ist ein gemeinsames Element, das auch in aktuellen politischen Debatten in den USA wieder aufscheint. Die Betrachtung der Nachwirkungen im sozialen und kulturellen Bereich verdeutlicht die langfristigen Traumata, die von Mao’s Kulturrevolution ausgingen. Durch systematische Verfolgung von Familien, Freunden und Kollegen sowie die Vererbung von Stigmata aufgrund von „Blutlinien“ entstanden gesamtgesellschaftliche Narben, welche in der Volksrepublik China bis heute spürbar sind. Schell verweist darauf, dass China auch Jahrzehnte später noch mit diesen psychologischen und sozialen Folgen ringt.
Sozialwissenschaftler und Literatur bieten hier Wege, die tiefgreifenden Auswirkungen zu erkennen und zu verstehen. Der Vergleich endet auch in der Gegenwart, wenn Schell die Unterschiede zwischen Xi Jinping und Trump diskutiert. Xi, Sohn eines purgeden Partei-Generals, lehnt Chaos ab und verfolgt eine autoritäre, aber kontrollierte Staatsführung, die Ordnung vor Unruhe stellt. Trump dagegen pflegt die Affinität fürs Chaos, das die bestehenden demokratischen und institutionellen Regeln herausfordert. Dies zeigt, dass historische und kulturelle Umstände sowie persönliche Erfahrungen den Führungsstil und die politischen Entscheidungen maßgeblich prägen.