Die chinesische Automobilindustrie befindet sich in einer dynamischen Phase des Umbruchs. Mit dem Übergang zur Elektromobilität und dem intensiven Wettbewerb auf globaler Ebene sind strategische Entscheidungen von großer Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. In diesem Kontext hat Geely Automobile, einer der bedeutendsten chinesischen Autohersteller, jüngst einen bemerkenswerten Schritt unternommen: Das Unternehmen bietet an, die komplette Kontrolle über seine Tochtergesellschaft Zeekr zu übernehmen, indem es die noch im Streubesitz befindlichen Anteile der Elektrofahrzeugmarke für 2,2 Milliarden US-Dollar aufkauft. Diese Entscheidung folgte nicht lange nach dem Erfolg des Börsengangs von Zeekr in den USA vor etwa einem Jahr und signalisiert eine wesentliche Konsolidierungsmaßnahme. Zeekr wurde 2021 als Premium-Elektrofahrzeugmarke von Geely gegründet.
Das Ziel war, eine exklusive EV-Marke zu etablieren, die mit fortschrittlicher Technologie und hochwertigem Design den umkämpften EV-Markt aufmischen sollte. Mit sechs Modellen, die im ersten Quartal des aktuellen Jahres mehr als 41.400 Fahrzeuge absetzten, verzeichnet Zeekr ein beeindruckendes Wachstum von 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Besonders bemerkenswert ist, dass Zeekr in diesem Segment sogar den Konkurrenten BYD mit seiner Premiummarke Denza übertroffen hat. Diese Entwicklung unterstreicht das Potenzial und die starke Marktposition einer Marke, die im Zuge des Börsengangs im Mai 2024 mit einer Unternehmensbewertung von rund 6,8 Milliarden US-Dollar an die US-Börse gebracht wurde.
Die geplante Privatisierung, also das Zurückziehen von Zeekr aus dem öffentlichen Aktienhandel, erfolgt zu einem Angebotspreis von 25,66 US-Dollar je American Depositary Share (ADS). Dieses Angebot entspricht einer Prämie von rund 13,6 Prozent auf den Schlusspreis der Aktie vom Vortag, was die Attraktivität der Offerte unterstreicht. Angesichts der Tatsache, dass Geely bereits rund 65,7 Prozent der Anteile an Zeekr besitzt, zielt die Übernahme darauf ab, die restlichen 34,3 Prozent zu erwerben und damit eine vollständige Kontrolle über das Unternehmen zu erlangen. Das bringt eine implizierte Gesamtbewertung von etwa 6,52 Milliarden US-Dollar für Zeekr mit sich. Geelys Vorsitzender Li Shufu erklärte im Zusammenhang mit dem Angebot, dass die Entscheidung zur Re-Privatisierung unter anderem auf den verschärften Wettbewerb im Markt und der immer komplexer werdenden wirtschaftlichen Lage basiere.
Das Unternehmen strebe danach, seine Geschäftsbereiche stärker zu integrieren und Synergien zu schaffen. Er verwies dabei auf die sogenannte „Taizhou-Deklaration“, die im letzten Jahr verkündet wurde und eine strategische Verschlankung und bessere Abstimmung innerhalb der Geely-Gruppe zum Ziel hat. Der chinesische Automobilkonzern hat in den letzten Jahren eine klare Neuausrichtung vollzogen. Statt wie früher vor allem durch aggressive Akquisitionen zu wachsen, stehen heute Effizienzsteigerung, Kostenkontrolle und Markenoptimierung im Zentrum der Strategie. Gerade der Preiswettbewerb im chinesischen Automarkt hat Unternehmen gezwungen, ihre Strukturen zu straffen und Wettbewerb zwischen eigenen Marken zu minimieren.
Ein Element dieser Strategie ist die Aufteilung in zwei Einheiten: Geely Auto fokussiert sich auf den Massenmarkt, während die Marke Zeekr das Premiumsegment bedient. Ein weiteres Beispiel für die Konsolidierungspolitik ist die Zusammenführung von drei Entwicklungsteams, die insgesamt fast 2.000 Ingenieure beschäftigten und an digitalen Cockpit-Systemen arbeiteten. Diese Teams wurden zu einer einzigen, geschlossenen Einheit fusioniert, um die Innovationskraft zu bündeln und die Produktentwicklung zu beschleunigen. Solche Maßnahmen zeigen das Bestreben von Geely, technologische Führerschaft mit wirtschaftlicher Effizienz zu verbinden.
Die Entscheidung zur Rückführung Zeekrs in den privaten Besitz erweist sich auch als vorausschauender Schritt im Kontext geopolitischer Spannungen. Vor kurzem wurde Zeekr nämlich von zwei republikanischen US-Politikern in einem Schreiben an die US-Börsenaufsicht SEC kritisiert. Die Politiker nannten Zeekr zusammen mit 24 anderen chinesischen Firmen auf einer Liste, die angeblich Verbindungen zum Militär habe und daher ein Risiko für die nationale Sicherheit der USA darstelle. Obwohl Zeekr selbst keine öffentliche Stellungnahme zu diesen Vorwürfen abgegeben hat, dürfte der Plan zur Privatisierung teilweise auch dazu dienen, regulatorische Risiken und negativen Einfluss der US-Märkte zu minimieren. Die Börsennotierung von Zeekr war damals ein Meilenstein: Sie markierte den ersten großen IPO einer chinesischen Firma in den Vereinigten Staaten seit 2021 und setzte ein Zeichen für die Innovationskraft der chinesischen EV-Branche.
Gleichzeitig gewährte die Börsennotierung Zeekr Zugang zu Kapital und internationalem Ansehen. Die Rückkehr zur Privatstellung zeigt aber auch, dass in einem Umfeld von gesteigertem regulatorischem Druck und volatilen Märkten Flexibilität und interne Kontrolle zunehmend wichtiger werden. Im Vergleich zu vielen Konkurrenten ist Zeekr technologisch sehr gut aufgestellt. Die Fahrzeuge basieren komplett auf Geelys eigener Elektrofahrzeugplattform, die eine hohe Integration von Batterietechnologien und weiteren Schlüsselkomponenten gewährleistet. Durch die enge Verknüpfung mit der Muttergesellschaft profitiert die Marke von deren Forschungs- und Entwicklungskapazitäten, während es gleichzeitig gelingt, die Markenpositionierung und das Kundenerlebnis differenziert zu gestalten.
Die Strategie von Geely, Zeekr als Premiumsegment auszubauen und gleichzeitig Geely Auto im Massenmarkt zu positionieren, folgt einem bewährten Muster, das auch andere global agierende Autohersteller verfolgen. Diese klare Segmentierung reduziert interne Konkurrenz und ermöglicht präzisere Marktansprache. Zudem schafft es Raum für Innovation, die speziell auf unterschiedliche Kundengruppen zugeschnitten ist. Auf dem internationalen Parkett stehen chinesische Automobilhersteller zunehmend im Fokus. Neben technologischen Innovationen wird auch die Marktmacht und die politische Dimension ihres Engagements thematisiert.
Die Zukunft der Mobilität wird stark durch nachhaltige Antriebe und digitale Technologien bestimmt; Hersteller, die in diesen Feldern früh und konsequent investieren, sichern sich entscheidende Wettbewerbsvorteile. Geely setzt mit der Übernahme von Zeekr auf eben diese Weichenstellungen und untermauert seinen Anspruch als wichtiger Player im globalen EV-Markt. Nicht zuletzt könnte die Privatisierung auch eine Antwort auf die Herausforderungen der Kapitalmärkte sein. Börsennotierte Unternehmen sind häufig stärker dem Druck kurzfristiger Investoren ausgesetzt, was langfristige Planung und strategische Investitionen erschwert. Als private Einheit kann Zeekr agiler auf Marktveränderungen reagieren und gezielter Ressourcen für Forschung, Entwicklung und Expansion einsetzen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die geplante Übernahme von Zeekr durch Geely ein prägnantes Beispiel für die Innovations- und Strategiekonstellation der chinesischen Automobilindustrie darstellt. Neben der technologischen Exzellenz spiegelt der Zusammenschluss die wachsende Bedeutung von integrierten Geschäftsmodellen und unternehmerischer Flexibilität wider. Die nächsten Jahre werden zeigen, wie erfolgreich Geely mit diesem Schritt sein wird, doch die Weichen für weiteres Wachstum und den Erhalt starker Wettbewerbsvorteile sind gelegt.