Ethereum erfährt mit dem Pectra Upgrade, das am 7. Mai 2025 eingeführt wird, eine der weitreichendsten Änderungen seiner Geschichte. Zentraler Bestandteil dieses Upgrades ist die Ethereum Improvement Proposal 7702, kurz EIP-7702, die das Verhalten von Externally Owned Accounts (EOAs) grundlegend verändert. Bislang waren EOAs einfache Konten, die über private Schlüssel gesteuert werden und lediglich grundlegende Transaktionen ausführen können. Mit EIP-7702 erhalten diese Konten erstmals die Möglichkeit, Smart Contract-Logiken vorübergehend auszuführen.
Dieses Konzept bringt Ethereum einen großen Schritt näher an die sogenannte Account-Abstraction, bei der die Grenzen zwischen herkömmlichen Konten und Smart Contracts zunehmend verschmelzen. EOAs, welche als die üblichen Nutzerkonten gelten, konnten bisher keinen programmierbaren Code direkt ausführen – diese Fähigkeit war ausschließlich Smart Contract Accounts vorbehalten. Mit der Einführung eines neuen Transaktionstyps, SET_CODE_TX_TYPE 0x04, können EOAs nun temporär eine Delegation an einen Smart Contract vornehmen, um für die Dauer einer Transaktion dessen Funktionalität zu nutzen. Diese sogenannte Delegation erfolgt über einen sogenannten „Delegation Designator“, der mit 0xef0100 gefolgt von einer Adressangabe auf den entsprechenden Smart Contract referenziert. Diese Innovation eröffnet vielfältige neue Anwendungsmöglichkeiten für Nutzer und Entwickler gleichermaßen.
Anwender profitieren von moderneren, vom klassischen Web2 inspirierten Nutzererfahrungen. So ermöglichen gasgesponserte Transaktionen etwa das Bezahlen von Gebühren in Tokens außerhalb von ETH, was die Hürden für neue Nutzer deutlich senkt. Auch Session-Keys, die ein nahtloses Interagieren mit dApps ohne wiederholtes Signieren erlauben, werden durch die neue Funktion erleichtert. Entwickler können komplexe Funktionen wie Onchain-Transaktionssimulationen, Batch-Transaktionen ohne manuelle Token-Freigaben und spezielle Sicherheitsmechanismen integrieren. Ein praktisches Beispiel ist die Ambire Wallet, die EIP-7702 bereits auf Ethereum-Testnetzwerken implementiert hat und so wesentlich sicherere Abläufe ohne traditionelle Genehmigungsprobleme ermöglicht.
Trotz der vielen Vorteile sind auch neue Sicherheitsaspekte zu beachten. Das zentrale Kontrollinstrument – der private Schlüssel – bleibt weiterhin der entscheidende Faktor, stellt jedoch auch eine Schwachstelle dar, insbesondere in Multisignatur-Setups. Die mit EIP-7702 verbundene Möglichkeit, dass EOAs Programmcode ausführen können, hebt bislang geltende Sicherheitsannahmen auf und verlangt daher ein Umdenken bei der Kontraktentwicklung. So zeigt eine Analyse von CertiK aus dem April 2025, dass ähnliche Upgrades auf Binance Smart Chain bereits zu Angriffen geführt haben, vor allem bei Verträgen, die auf tx.origin == msg.
sender vertrauen. Solche Checks, die verhindern sollen, dass Smart Contracts von anderen Verträgen aufgerufen werden, sind mit EIP-7702 nicht mehr zuverlässig, da EOAs durch die Delegation praktisch als Smart Contracts agieren können. Auch Token-Standards wie ERC-721 und ERC-777 sind betroffen, da Delegations-EOAs eventuell nicht alle erwarteten Callback-Funktionen bereitstellen, was zu unerwarteten Transaktionsabbrüchen führen kann. Entwickler werden daher aufgefordert, bewährte Sicherheitsmuster wie Checks-Effects-Interactions, Reentrancy-Guards und eine Vermeidung veralteter EOA-Prüfungen konsequent anzuwenden. Die Wichtigkeit robuster Audits hat Ethereum-Gründer Vitalik Buterin mehrfach betont, um Exploits zu verhindern.
Das Pectra Upgrade stärkt zudem die Skalierbarkeit von Ethereum und senkt potenziell die Gasgebühren, was zu einem besseren Nutzungserlebnis beiträgt und die Massenadoption fördern kann. Die Begeisterung in der Community ist groß, zahlreiche Stimmen sprechen von einem der bedeutendsten Upgrades in Ethereum-Geschichte. Doch für den erfolgreichen Übergang ist die Integration von EIP-7702 in Wallets wie MetaMask essenziell. Während große Anbieter unter Umständen eigene Lösungen entwickeln, ist native Unterstützung besonders für kleinere Anbieter ein Schlüssel zum Wettbewerb. Letztlich öffnet das Upgrade Ethereum und kompatiblen Blockchains die Tür zu innovativen Anwendungen, von neuen Token-Modellen über verbesserte Sicherheitsschichten bis hin zu benutzerfreundlichen Zahlungserfahrungen.
Die Brücke, die EIP-7702 zwischen klassischen EOAs und Smart Contracts schlägt, vereint das Beste aus beiden Welten und schafft ein flexibleres, moderneres Ökosystem. Zugleich ist die erhöhte Komplexität ein Aufruf an Entwickler, Sicherheits- und Best-Practice-Standards rigoros einzuhalten, um die Integrität und Vertrauenswürdigkeit der Blockchain zu wahren. In einem sich rasant entwickelnden Umfeld markiert das Pectra Upgrade somit den Beginn einer neuen Ära für Ethereum-Nutzer und Entwickler, in der die Grenzen zwischen Kontotypen verschwimmen und innovative Nutzungsszenarien Wirklichkeit werden.