Zugfahren in Tokio ist für viele Bewohner sowie Besucher ein integraler Bestandteil des Alltags. Die Stadt verfügt über eines der dichtesten und komplexesten Eisenbahnnetze der Welt, das es oft erschwert, sich schnell und unkompliziert zu orientieren. Genau hier setzt die iOS-App Eki Live an, eine innovative Lösung, die derzeit bei Twocentstudios entwickelt wird. Mit der App ist es möglich, automatisch zu erkennen, auf welchem Zug man sich befindet, und stets angezeigt zu bekommen, welche Station als nächstes angefahren wird – und das, ohne aktiv die App öffnen zu müssen. Seit etwa sechs Wochen arbeitet der Entwickler intensiv an der Veröffentlichung der Version 1.
0 von Eki Live. Die App, die aus dem vorangegangenen Projekt Train Tracker hervorgegangen ist, wurde von Anfang an mit der Idee entwickelt, dem Nutzer ein annähernd nahtloses Erlebnis zu bieten. Die Kernfunktionalität besteht in einer sogenannten Live Activity, die auf dem iPhone-Lockscreen sowie in der Dynamic Island dynamisch die aktuelle und nächste Station anzeigt. Dieser Ansatz steigert praktisch die Nutzungskomfortabilität, da keine manuelle Interaktion mehr benötigt wird, sobald die Zugfahrt beginnt. Die Implementierung von Eki Live wurde von mehreren ambitionierten Zielen begleitet.
Dazu gehörte zunächst die Verfeinerung des Algorithmus, der die genaue Bahnlinie und Fahrtrichtung schneller erkennen sollte, sowie die Fähigkeit, Umstiege und das Aussteigen aus dem Zug automatisch zu behandeln. Gleichzeitig wurde die Gestaltung des Live Activity UI weiterentwickelt, während der in-App-Bereich komplett überarbeitet wurde, sodass der Onboarding-Prozess, Einstellungen und Monitoring intuitiver und schlanker gestaltbar wurden. Zuletzt galt es, die App für die Veröffentlichung im App Store vorzubereiten, einschließlich Branding, Marketingmaterialien und den behördlichen Vorgaben. Einer der wichtigsten Aspekte von Eki Live ist die Reduktion auf eine möglichst simple Benutzeroberfläche. Während die ältere App Eki Bright viele verschiedene Bildschirme zeigt – etwa für Fahrpläne, Stationen, Recherchen und Lesezeichen – wurde bei Eki Live bewusst auf eine Single-Screen-Mentalität gesetzt.
Die App funktioniert hauptsächlich im Hintergrund und die meisten User sehen die Oberfläche praktisch nicht, da die Live Activity alles Wesentliche anzeigt. Dennoch gibt es einen Home Screen, der wichtige Informationen zusammenfasst. Darunter fallen die aktuelle Bahnlinie, Fahrtrichtung, die sogenannte Fokusstation und alle kommenden Haltestellen. Eine eingebettete Karte zeigt außerdem die aktuelle Position des Nutzers an, was eine zusätzliche Orientierungshilfe bietet. In Tokio, wo sich mehrere Bahnlinien parallel nebeneinander bewegen, kann der Benutzer hier beispielsweise auch auf andere Linien ausweichen, die algorithmisch als mögliche Kandidaten ermittelt werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt im Design war die Integration eines Menüs mit Funktionen, die im Alltag selten notwendig, aber für den Betrieb und Support unentbehrlich sind. Beispielsweise ermöglicht ein Berechtigungs-Checkscreen das einfache Prüfen und Nachholen von Standortfreigaben. Die Möglichkeit, den Algorithmus zurückzusetzen, hilft bei unerwarteten Fehlern, und künftige Ergänzungen wie eine Snooze-Funktion oder Warnmeldungen sind bereits denkbar. Trotz der starken Konzentration auf eine schlanke UI fiel es dem Entwickler nicht leicht, nicht in die Versuchung zu geraten, die Benutzeroberfläche bis zur Perfektion auszutüfteln. Die intensive Liebe zum Detail, die speziell auf iOS-Entwicklung ausgerichtet ist, sorgte dafür, dass das UI-Design zu einem der größten Herausforderungen wurde.
Gleichzeitig kam die Erkenntnis, dass die meisten Nutzer den Home Screen vermutlich nie umfassend zu Gesicht bekommen – was eine Herausforderung bei der Priorisierung der Entwicklungsressourcen darstellt. Besonders viel Zeit investierte das Team in die Gestaltung des Onboardings, weil die App weder eine klassische Gebrauchsanleitung noch eine offensichtliche Eingreifmöglichkeit aufweist. Eki Live benötigt zwingend die Freigabe für Standortdienste im Hintergrund, da nur so die automatische Erkennung und Anzeige funktionieren kann. Den Balanceakt zwischen minimalen Erklärungen und ausreichender Informationsvermittlung empfand der Entwickler als schwierig. Das Risiko bestand darin, dass Nutzer den Wert der App nicht sofort erkennen, die notwendige Erlaubnis verweigern und die App damit funktionslos bleibt.
Ein weiteres wichtiges Thema war die Unterstützung des Englischen neben der ohnehin vorhandenen japanischen Lokalisierung. Anders als bei Eki Bright, das viele unterschiedliche Bildschirme mit japan-spezifischen Inhalten besitzt und daher für Touristen kaum geeignet ist, erschien für Eki Live eine mehrsprachige Unterstützung sinnvoll. Besonders da die App durch ihre geringe UI-Komplexität auch für ausländische Fahrgäste attraktiv sein könnte, die das komplexe Netz Tokios entdecken möchten. Die Umsetzung erwies sich dennoch als Herausforderungen, vor allem bei der Übersetzung der umfangreichen Onboarding-Texte sowie den App-Erweiterungen. Mit technischem Geschick und der Verwendung komprimierter Systemschriftarten gelang es, das Layout weitgehend stabil zu halten und die Romaji-Schreibung (lateinische Transkription der Kanji) praktisch platzsparend darzustellen.
Die wohl größte technische Hürde bei der Entwicklung von Eki Live lag in der Verbesserung des Algorithmus zur Zugerkennung. Ursprünglich basierte die Erkennung einzig auf den Positionen der Bahnhöfe. Obwohl dieses Vorgehen Vorteile in Bezug auf die Skalierbarkeit auf andere Regionen hätte, zeigte es gravierende Schwächen hinsichtlich Geschwindigkeit und Genauigkeit der Erkennung. Beispielsweise konnten Linien, die sich auf denselben Streckenabschnitten überlagern, nicht zuverlässig unterschieden werden. Das ist etwa bei der berühmten Yamanote-Linie gegenüber der Keihin-Tohoku-Linie der Fall, obwohl diese an bestimmten Stationen getrennte Routen fahren.
Darüber hinaus stellte sich heraus, dass bei lokalen versus Expresszügen Probleme auftraten, da sie unterschiedliche Halteprofile haben, die allein durch Stationsdaten nicht erfasst werden können. An diesem Punkt wurde schnell klar, dass die Einbindung detaillierterer Geodaten, die den Streckenverlauf zwischen den Stationen abbilden, notwendig ist, um eine bessere Klassifizierung zu erreichen. Die erste Überlegung war, die vorhandenen Geopunkt-Daten aus dem genutzten Datensatz zu verwenden, doch wurden diese Daten als zu unhandlich oder unsauber erkannt. Daraufhin richtete sich der Blick auf Open Street Maps (OSM), eine offene Datenquelle mit kontinuierlicher Aktualisierung und umfangreichen Inhalten. Trotz positiver Aspekte wie weltweit verfügbarer Daten und Anbindungsmöglichkeiten per Abfrage-Sprache erwies sich OSM als zu roh und inkonsistent für die Anforderungen eines algorithmischen Echtzeit-Trackings.
Insbesondere ein Mangel an Standardisierung bei Namen und Farben erschwerte eine automatisierte Verarbeitung ohne aufwendige manuelle Korrekturen. Nachdem der Entwickler eher kurz davor war, die Erweiterung mit mehr Geopunkten aufzugeben, gelang mit Hilfe von KI-gestützten Tools eine Entschlüsselung der ursprünglichen Quelldaten, mit deren Hilfe die relevante Bahnverlauf-Daten präziser extrahiert werden konnten. Darauf aufbauend wurde ein neuer Algorithmus entworfen, der auf einem Scoring-System basiert. Diese Methode kombiniert verschiedene Messwerte zu einem zusammengesetzten Wert, der stetig angepasst und verbessert wird. Dabei hilft die Analyse eines umfangreichen Datensatzes von realen Fahrten, die über Testphasen gesammelt wurden – inklusive der Möglichkeit, Fahrten auf dem Mac wiederzugeben und den Algorithmus Schritt für Schritt zu beobachten.
Trotz aller Verbesserungen bleibt die Zugerkennung angesichts der Unzuverlässigkeiten bei GPS-Daten eine komplexe Herausforderung. Standortdaten kommen mit Ungenauigkeiten von rund 20 Metern, was gerade bei Zugstationen mit geringem Abstand Schwierigkeiten bereitet. Zudem variieren die Zeitpunkte und Frequenzen der Positionsmeldungen, was eine Lücke in der kontinuierlichen Beobachtung schafft. Intelligente Kompromisse mussten gefunden werden, um nicht auf umfangreichere Sensor-Daten zugreifen zu müssen, ohne die Batterielaufzeit zu beeinträchtigen. Ein weiterer spannender Bestandteil des Entwicklungsprozesses war das Marketing und die Optimierung für den App Store.
Das Entwicklerteam hat gelernt, dass ein App-Symbol besonders visuell einfach, aber dennoch einzigartig und unverwechselbar gestaltet sein sollte. Anfangs wurden im Design zu viel Weißraum und zu viele Details genutzt, was für kleine Icons negativ ist. Die finale Version setzt auf klarere, kräftigere Formen, die auch in der App Store-Übersicht sofort ins Auge fallen. Auch die Marketing-Bilder wurden so aufbereitet, dass sie das Erlebnis um Eki Live emotional vermitteln, statt nur einfache Screenshots abzubilden. Als zusätzlicher Schritt ist die Erstellung von kurzen Videos angedacht, die das Live-Tracking und die entspannte Atmosphäre während einer Zugfahrt zeigen, um auf sozialen Plattformen wie TikTok und Instagram Reichweite zu gewinnen.
Da solche langgezogenen Zugfahrten und Geräuschkulissen auf diesen Kanälen beliebt sind, könnte Eki Live so passiv neue Nutzer gewinnen und Interesse wecken. Die Veröffentlichung der App erfolgte nach umfangreicher Test Flight-Phase und App Store-Review. Trotz anfänglicher Sorge, das neue Live Activity Feature mittels Background-Push zu starten, wurde die App genehmigt ohne spezielle Auflagen. Das bedeutet, dass die Funktionen unter iOS 17.2 nutzbar sind, sodass sich das Tracking zuverlässig und automatisiert im Hintergrund abspielt – ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.
Zukunftsvisionen für Eki Live sind umfangreich. Dazu gehören unter anderem bessere Erkennung für Ausstieg und Umstieg, Benachrichtigungen vor Lieblingsstationen, eine Funktion für Nutzer, die keine durchgehenden Standortdienste erlauben wollen, und eine Snooze-Option für Zeiten, in denen kein Tracking erwünscht ist. Darüber hinaus sind Verbesserungen bei der Erkennung in unterirdischen Strecken geplant, ebenso wie die Integration einer Streckenvisualisierung auf der Karte, statische Fahrpläne und exaktere Ankunftszeiten. Schließlich soll auch ein Feature für Expresszüge entwickelt werden, um noch spezifischere Informationen anzubieten. Eki Live ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Innovationskraft eines Indie-Entwicklers, der mit viel Leidenschaft und Weitblick ein hochkomplexes Planungsthema angreift.
Von ersten Prototypen mit statischen Widgets bis hin zur vollautomatischen Zugerkennung am Handgelenk hat die Entwicklung einen weiten Weg zurückgelegt. Das Projekt zeigt, wie moderne Technologien und kreative Ansätze großen Mehrwert schaffen können – auch bei scheinbar alltäglichen Problemen wie dem Navigieren im Dschungel des japanischen Bahnverkehrs. Für Interessierte und potenzielle Nutzer ist Eki Live ab Version 1.0 im App Store erhältlich. Die stetige Weiterentwicklung bleibt spannend zu beobachten, gerade da diese App eine Nische bedient, die bisher kaum adressiert wurde.
Damit wird ein wichtiges Bindeglied geschaffen zwischen hochentwickelter Technologie und echten Nutzerbedürfnissen in einer der faszinierendsten Metropolregionen der Welt.