Vertrieb ist eine der wichtigsten Säulen erfolgreicher Unternehmen. Dennoch bleibt es eine Herausforderung, Verkaufsgespräche effektiv zu analysieren und frühzeitig abzuschätzen, wie wahrscheinlich ein Abschluss ist. Gerade in komplexen Verkaufssituationen basieren Entscheidungen oft auf Erfahrung und Bauchgefühl statt auf datengetriebener Analyse. Genau hier setzt ein innovatives Projekt an, das den Sprung in die Zukunft der Vertriebsanalyse markiert: Ein Open-Source Reinforcement Learning (RL) Modell, das aus Verkaufsgesprächen Wahrscheinlichkeiten für Verkaufsabschlüsse vorhersagt. Das Besondere an diesem Ansatz ist die Kombination aus umfangreichen Verkaufsdialog-Datensätzen und moderner KI-Technologie.
Über 100.000 reale Verkaufsgespräche standen Pate für das Training eines RL-Modells, das auf Basis von Gesprächs-Embeddings die finale Konversionswahrscheinlichkeit errechnet. Die Herausforderung lag darin, die subtilen sprachlichen und kontextuellen Feinheiten in den Dialogen zu erfassen und zu interpretieren. Dafür wurden fortschrittliche Text-Embedding-Modelle eingesetzt, etwa die Azure OpenAI Text-Embedding-3-large, um jedes Gespräch in hochdimensionale Vektoren zu überführen, die die Nuancen und Semantik der Aussagen kodieren. Das Ziel war klar definiert: die Hauptschwierigkeit im Sales-Prozess besteht darin, herauszufinden, welche Gesprächsführung zum Abschluss führt und welche ins Leere läuft.
Durch Reinforcement Learning mit einem PPO-Algorithmus (Proximal Policy Optimization) wurde das Modell trainiert, konversionsfördernde Gesprächsstrategien zu erkennen und vorherzusagen. Dabei werden nicht nur binäre Ergebnisse betrachtet, sondern der Modelloutput spiegelt die Wahrscheinlichkeit eines Abschlusses in jeder Phase und Nachricht eines Dialogs wider. So entsteht eine Art konversationelle Landkarte, die nachvollziehbar macht, wie sich die Erfolgschancen mit dem Verlauf des Gesprächs dynamisch entwickeln. Die Datengrundlage umfasst neben den eigentlichen Nachrichten zahlreiche Zusatzinformationen: Produkt- oder Firmenkennzeichen, Scores zur Kundeneinbindung und Verkaufswirksamkeit sowie Angaben über Gesprächsstil, Flussmuster und genutzte Kommunikationskanäle. Solche Metadaten helfen dem Modell dabei, unterschiedliche Kontexte und Branchenbesonderheiten besser zu verstehen und zu berücksichtigen.
Damit ist das RL-Modell nicht nur präzise, sondern auch vielseitig einsetzbar. Das Besondere: Sämtliche Komponenten – also der Datensatz, das Modell selbst sowie die Trainings- und Inferenz-Skripte – sind open-source verfügbar. Interessierte Entwickler, Data Scientists und Unternehmen können das Modell herunterladen, selbst weitertrainieren oder individuell anpassen. Die Bereitstellung erfolgt über die Plattform Huggingface, die als etablierter Hub für KI-Modelle und Datensätze dient. Dadurch wird höchste Transparenz gewährleistet und eine aktive Community-Förderung ermöglicht.
Die Technologie setzt damit neue Standards in der Sales-Analyse: Bisherige Sprachmodelle, selbst große wie ChatGPT, Claude oder Gemini, zeigten Schwächen bei der detaillierten Auswertung von Verkaufsdialogen. Verkaufsgespräche sind oft vielschichtig, emotional und vieldeutig – eine Herausforderung, die sich nur schwer durch Standard-LM-Lösungen abbilden lässt. Mit dem Reinforcement Learning Ansatz und speziell trainierten Embeddings gelingt es, diese Komplexität besser zu erfassen und prädiktive Insights in Echtzeit zu liefern. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, Vertriebsteams bei der Gesprächsführung zu unterstützen. Indem das Modell Wahrscheinlichkeiten für unterschiedliche Gesprächswege angibt, können Sales-Mitarbeiter sogenannte „Conversion-Pfade“ identifizieren und lernen, welche Strategien im Dialog am erfolgversprechendsten sind.
Dies steigert nicht nur die Abschlussquote, sondern kann auch die Effizienz der Vertriebsarbeit deutlich verbessern, Zeit sparen und die Kundenbindung stärken. Neben dem Kernmodell wurden auch eine webbasierte Plattform und Agenten entwickelt, die auf der RL-Technologie aufbauen. Diese Tools stehen kostenfrei zur Verfügung und ermöglichen es Anwendern, in Form von Chatbots oder interaktiven Agenten von der KI-gestützten Verkaufsanalyse zu profitieren. Unternehmen können somit ohne großen Aufwand direkt mit dem digitalen Verkaufscoach arbeiten. Die Veröffentlichung des dazugehörigen wissenschaftlichen Papiers auf Arxiv unterstreicht die Innovationskraft des Projekts und liefert interessante Einblicke in die Methodik, Architektur und Evaluation.
So wird nicht nur die technische Machbarkeit gezeigt, sondern auch die Wirksamkeit anhand realer Daten validiert. Das Papierte bietet somit eine wertvolle Ressource für Forscher und Praktiker gleichermaßen. Zukunftsvisionen sehen vor, den Einsatz von noch leistungsfähigeren, offenen Embedding-Modellen umzusetzen, um mehr Unabhängigkeit von Drittanbietern wie Azure herzustellen. Auch eine kontinuierliche Erweiterung des Datensatzes und die Integration weiterer Metadaten könnten die Prognosequalität weiter verbessern. Zusätzlich ermöglichen neue RL-Algorithmen noch detailliertere Steuerungen, etwa individuell auf Kommunikationsstil oder Produktkategorie abgestimmt.
Für Unternehmen aller Größenordnungen eröffnet diese technologische Entwicklung große Chancen. Von Startups bis multinationalen Konzernen können Vertriebsteams durch präzise Verkaufsprognosen ihre Ressourcen zielgenauer einsetzen und frühzeitig Risiken minimieren. Gleichzeitig schafft die Open-Source-Lösung eine demokratisierte Zugänglichkeit zu fortgeschrittener KI-Technologie im Vertrieb. Der Dialog zwischen Mensch und Maschine gewinnt dadurch spürbar an Qualität und Effizienz. Die Implementierung eines solchen KI-gestützten Modells setzt natürlich eine gewisse Datenaffinität voraus.