Die Künstliche Intelligenz (KI) ist längst kein Zukunftstrend mehr, sondern zentrale Technologie unserer Gegenwart und Zukunft. Der Nahe Osten, insbesondere die Golfregion, ist heute eine der weltweit spannendsten Landschaften für KI-Entwicklung und -Investitionen. Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien und Katar setzen massiv auf transformative AI-Projekte, um sich technologisch neu aufzustellen und ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren. Doch welche Geschäftsmodelle prägen diesen aufstrebenden Markt im Nahen Osten? Diese Frage ist von großer Bedeutung, da sie Aufschluss darüber gibt, wie sich die Region im globalen Technologieumfeld positioniert und wie lokale Unternehmen und Regierungen Wertschöpfung generieren wollen. Ein Blick auf aktuelle Entwicklungen, potentielle Erlösmodelle und regulatorische Rahmenbedingungen zeigt den komplexen, aber vielversprechenden Wandel, der der Region bevorsteht.
Die strategische Notwendigkeit von KI im Nahen Osten ist unübersehbar. Länder in der Region sehen sich mit der Herausforderung konfrontiert, technologisch nicht abgehängt zu werden. Die Abhängigkeit von westlichen oder US-amerikanischen Anbietern wird als Risiko wahrgenommen, weshalb verstärkt auf eigene KI-Infrastrukturen und Modelle gesetzt wird. Das Projekt Stargate UAE, ein KI-Compute-Cluster, unterstreicht den Willen, eigene Hochleistungsrechenzentren für KI zu betreiben. Gleichwohl entstehen mehrere Initiativen, die neben Stargate als Eckpfeiler der regionalen KI-Entwicklung gelten.
Die Gründung von Unternehmen und Fonds wie AI71, HumAIn oder der strategische Pakt zwischen dem Emirati-Datenunternehmen G42 und dem französischen KI-Unternehmen Mistral AI zeigen die Bandbreite der Aktivitäten, die weit über reinen Technologieimport hinausgehen. Ein wesentlicher Treiber für die Nachfrage nach lokal entwickelter KI-Technologie liegt in den zunehmenden gesetzlichen Regulierungen zum Datenschutz und digitalen Souveränität. Saudi-Arabien hat mit seiner Personal Data Protection Law (PDPL) eine strikte Datenlokalisierungspflicht eingeführt, die es Unternehmen erschwert, auf ausländische digitale Dienste zuzugreifen, sofern sie keine lokale Datenhaltung gewährleisten. Ähnliche Schritte stehen auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar bevor. Diese Gesetze machen KI-Compliance zur Pflicht und verwandeln sie in ein konkretes Geschäftsmodell, da lokale KI-Anbieter ein höherwertiges, regelkonformes Produkt anbieten können, das mit Aufschlägen verbunden ist.
Insofern wird Datenschutz nicht als Hindernis, sondern als marktfähiges Feature gesehen, das Mehrwert generiert. Die finanziellen Dimensionen des KI-Trainings und -Betriebs sind enorm. Künstliche Intelligenz in Form großer Sprachmodelle und multimodaler Systeme benötigt enorme Rechenleistungen. Die Anschaffung von High-End GPU-Hardware wie H100-GPUs kostet Hunderttausende von US-Dollar – schon allein die Abschreibung auf die Hardware muss in die Kalkulationen einfließen. Hinzu kommen die Energiekosten, deren Höhe in heißen Wüstenregionen besonders drastisch sein können, da klimatisierte Serverhallen für zuverlässigen Betrieb sorgen müssen.
Dies führt dazu, dass KI-Angebote in der Region eine starke Kapitalintensität aufweisen. Anbieter, die ihre Kosten nicht weiterberechnen, sehen ihre Margen schnell schrumpfen. Daher erfordern die Geschäftsmodelle ein ausgefeiltes Kosten- und Preismodell, um profitabel zu sein. Neben dem klassischen Preismodell "Bezahlung pro generiertem Token" entwickeln sich drei wesentliche zusätzliche Erlösquellen im Nahen Osten. Erstens gewinnen Managed-Finetuning-Dienstleistungen an Bedeutung, bei denen Unternehmen spezifische Anpassungen eines Basismodells vornehmen können.
Diese Leistungen werden nach der verbrauchten GPU-Stunden abgerechnet und ermöglichen es Kunden, innovative Lösungen zu etablieren, ohne sich um technischen Unterbau zu kümmern. Zweitens rücken private Cloud-Lizenzen in den Fokus. Hier wird ein Paket aus Compute, Speicher und Support als hochvolumiger Vertrag verkauft, der vor allem den Compliance-Anforderungen großer Organisationen – etwa Banken oder Ministerien – gerecht wird. Drittens entstehen Preismodelle, die Compliance sowie Datenschutz als Parameter berücksichtigen und zusätzliche Gebühren für regulierte Zugriffe auf KI-Systeme vorsehen. Der Einsatz dieser Geschäftsmodelle geschieht nicht im luftleeren Raum, sondern erfordert flexible und agile Abrechnungssysteme.
Projekte wie Lago, ein offenes Abrechnungssystem aus dem Y Combinator-Umfeld, ermöglichen es Start-ups und Unternehmen, verschiedene Einheiten wie GPU-Stunden, Token oder regionsspezifische Nutzungsarten flexibel und ohne tiefen Eingriff in die KI-Infrastruktur abzurechnen. Solche Lösungen sind für die aufstrebende Szene im Nahen Osten entscheidend, um profitabel und innovativ auf einem oft stark regulierten Markt zu agieren. Bereits heute zeigen erste Akteure, in welche Richtung es gehen kann. AI71 etwa folgt dem Open-Source-Modell, bietet aber gleichzeitig kostenpflichtige air-gapped Deployments und 24-Stunden-Service Level Agreements an, die für Unternehmenskunden besonders wertvoll sind. Die Partnerschaft zwischen G42 und Mistral AI möchte multilingualen Agenten-Tools mit einer elastischen Infrastruktur kombinieren, was zu usage-basierten Gebühren führt, die sich stärker nach Tool-Aufrufen und Latenzzeit orientieren als nach der reinen Tokenanzahl.
HumAIn wiederum strebt eine ganzheitliche Lösung an, die Rechenkapazitäten mit einem souveränen Cloud-Angebot verbindet – eine Art Hybrid zwischen einem GovCloud-Modell und klassischen On-Premise-Lizenzen. Aus wirtschaftlicher Sicht ist der Nahe Osten auf einem vielversprechenden Weg, zu einem bedeutenden Wettbewerber im Bereich KI zu werden. Die Kombination aus hohen Investitionssummen, staatlicher Unterstützung und technologischer Ambition schafft ein einzigartiges Ökosystem, das bald auch global Maßstäbe setzen könnte. Die Herausforderung für die Akteure besteht darin, KI nicht nur als technisches Produkt, sondern als eine Kombination aus Preisgestaltung, Governance und regulatorischer Compliance zu verstehen. Die Verschmelzung von Technologie und Recht bildet die Grundlage für nachhaltige Geschäftsmodelle, die auf lange Sicht Erfolg versprechen.