Die Postzustellung hat in Kanada lange Zeit eine zentrale Rolle im Alltagsleben der Bevölkerung gespielt. Mit dem Wandel der Kommunikationsgewohnheiten, dem Aufkommen digitaler Alternativen und der Veränderung des wirtschaftlichen Umfelds steht das staatliche Unternehmen Canada Post jedoch vor einer existenziellen Herausforderung. Ein im Mai 2025 veröffentlichter, umfangreicher Bericht des Industrial Inquiry Commission empfiehlt grundlegende Veränderungen, um den Fortbestand des Dienstes zu sichern. Besonders prägnant ist die Empfehlung, die tägliche Briefzustellung an privaten Haushalten schrittweise abzuschaffen, während die Zustellung für Unternehmen weiterhin täglich erhalten bleiben soll.Die Ursachen für die Krise bei Canada Post sind vielfältig.
Lange Zeit war der Postbetrieb finanziell tragbar, da die kostengünstigere Zustellung in urbanen und städtischen Gebieten die höheren Ausgaben für entlegene, ländliche sowie indigene Regionen ausglich. Dieses Modell geriet durch den massiven Rückgang von Briefsendungen ins Wanken, da modernere Kommunikationsmittel zunehmend Papierpost ersetzen. Immer weniger Briefe werden an immer mehr Adressen zugestellt, was die Kosten für die Zustellung an Privatkunden erheblich in die Höhe treibt. Zugleich ist der Postbetrieb aufgrund der gesetzlichen Auflagen und tarifvertraglichen Bindungen wenig flexibel, was Anpassungen erschwert.Der vom Gericht einberufene Bericht umfasste 162 Seiten und wurde zeitnah veröffentlicht – weniger als eine Woche vor Ablauf eines Verhandlungstermins zwischen Canada Post und der Canadian Union of Postal Workers (CUPW).
Der Bericht wurde als Folge einer Arbeitsniederlegung verfasst, die zu erheblichen Störungen bei der Postzustellung, unter anderem zu Weihnachten, geführt hatte. Die Empfehlung lautete, grundlegende strukturelle Änderungen einzuleiten, um die wirtschaftlichen Verluste zu stoppen und langfristig umzukehren.Eine zentrale Empfehlung des Berichts ist die Streichung der täglichen Briefzustellung an Privatadressen, da diese mittlerweile unwirtschaftlich geworden sei. Unternehmen und Geschäftskunden hingegen sollen weiterhin täglich beliefert werden, da dies für deren Betrieb essenziell sei. Zudem wird eine Aufhebung der Moratorien für die Schließung ländlicher Postfilialen und den Ausbau von kommunalen Briefkästen empfohlen, um auch dort die Kostenstruktur zu verbessern.
Ursprünglich gab es einen Schutzmechanismus, der das Schließen kleinerer Poststellen und die Umstellung von Haustürzustellung auf zentrale Briefkästen in ländlichen Regionen verhinderte. Der Bericht argumentiert, dass diese Einschränkungen auf lange Sicht die finanzielle Belastung erhöhen und eingehalten werden müssten.Die finanziellen Herausforderungen von Canada Post sind dabei derart gravierend, dass der Bericht von einer Existenzkrise spricht und die Organisation als praktisch insolvent einschätzt. Ohne schnelle, geplante, schrittweise Reformen werde sich die Situation verschlechtern und möglicherweise die Stabilität des gesamten Systems gefährden. Dabei betrifft die Krise nicht nur die Post selbst, sondern hat auch Auswirkungen auf die Gewerkschaften und deren Mitglieder, die mit den vorgeschlagenen Änderungen Arbeitsplätze und Arbeitszeiten verändern sehen.
Die Canadian Union of Postal Workers hat den Bericht zwar erhalten, reagierte jedoch zurückhaltend und äußerte bislang keine konkrete Stellungnahme. Die Gewerkschaft stellt sich vehement gegen die Einführung von Teilzeitarbeitsmodellen und eine zunehmende Flexibilisierung der Touren, weil befürchtet wird, dass dadurch das Job-Sicherheitsniveau für Vollzeitbeschäftigte beeinträchtigt wird. Der Bericht sieht hier einen Kompromiss vor: Teilzeitarbeit solle geschaffen werden, aber keine „Gig-Jobs“, sondern gut entlohnte und sozial abgesicherte Tätigkeiten bleiben, die unter den Geltungsbereich von Tarifverträgen fallen. Für viele Gewerkschaftsvertreter bleibt dies jedoch ein ambivalenter Vorschlag mit unklarem Nutzen.Die Verhandlungen zwischen Canada Post Management und CUPW gestalteten sich bislang schwierig.
Der Bericht stellt fest, dass die beiden Seiten „diametral entgegengesetzt“ agieren, was den Verhandlungsprozess lähmt. Während das Management auf die anhaltenden Verluste und die Notwendigkeit von Reformen verweist, beharrt der Verband auf der Beibehaltung bestehender Rechte und Konditionen. Diese Gegensätze führten dazu, dass die bisherige Verhandlung ergebnislos blieb und die Gefahr erneuter Streiks droht, sollte keine Einigung erreicht werden.Die Reaktionen aus Politik und Wirtschaft spiegeln die Brisanz der Situation wider. Ministerin Patty Hajdu rief zu einer gemeinsamen Anstrengung auf, um in der Postkrise zu einer tragfähigen Lösung zu kommen und so die Zukunft der Postversorgung in Kanada sicherzustellen.
Canada Post-Chef Doug Ettinger begrüßte den Bericht, stufte die Empfehlungen als „ehrliche und direkte Einschätzung“ der Situation ein und betonte die Bedeutung des Postdienstes als wichtige Infrastruktur in einem global wettbewerbsorientierten Umfeld.Der Bericht zeigt exemplarisch den Wandel eines ehemals zur Verbindungsfunktion für Bürger und Unternehmen dienenden öffentlichen Dienstleisters zu einem moderneren, kosteneffizienten Unternehmen, das sich jedoch noch stark an traditionellen Strukturen und Arbeitsverhältnissen orientiert. Die Herausforderungen reichen von sinkendem Briefvolumen über technische Anforderungen im Paketversand bis hin zu sozialen Aspekten der Beschäftigten. Das Spannungsfeld zwischen Sparmaßnahmen und Erhalt von Arbeitsplätzen zeigt exemplarisch die Schwierigkeit, öffentliche Dienstleistungen mit marktwirtschaftlichen Prinzipien zu vereinen.Die vorgeschlagenen Reformen zielen auf eine bessere Anpassung der Arbeitsorganisation an den aktuellen Logistikbedarf ab.
Dazu gehören flexiblere Routenplanung, die mögliche Einführung von Teilzeit- und Wochenendarbeit für die Bewältigung wachsender Paketvolumen sowie die Abschaffung der täglichen Briefzustellung an privaten Haushalten. Diese Schritte sollen nachhaltige Kosteneinsparungen schaffen, die Poststruktur verschlanken und so finanzielle Stabilität gewährleisten.Der Verzicht auf tägliche Briefzustellung an Privatkunden bedeutet für zahlreiche Kanadier einen Einschnitt in den Alltag. Zwar wächst die Bedeutung von digitalen Mitteilungen und Online-Kommunikation, dennoch bleibt die Post für viele Menschen insbesondere in ländlichen oder älteren Bevölkerungsgruppen ein wesentlicher Kommunikationskanal. Die Umstellung auf weniger häufige Zustellintervalle könnte die Versorgung erschweren und erfordert ergänzende Maßnahmen, etwa ein flächendeckendes Angebot von Postdiensten in Filialen oder die Förderung alternativer Zustellalternativen.
Die Öffnung gegenüber Teilzeitkräften zur Unterstützung bei Paketzustellungen stellt ebenfalls einen markanten Wandel dar. Die steigenden Online-Bestellungen haben den Paketzustellbereich wachsen lassen, der mit traditionellen Vollzeitstrukturen schwer zu bewältigen ist. Gleichzeitig stehen diese Änderungen im Konflikt mit den Forderungen der Gewerkschaften nach Arbeitsplatzsicherheit und fairen Arbeitsbedingungen.Die wirtschaftliche Lage von Canada Post und die politischen Rahmenbedingungen machen eine Neuorientierung dringend erforderlich. Der Bericht mahnt zur Balance zwischen Kosteneffizienz und dem Erhalt eines flächendeckenden Postnetzes, das auch abgelegene Regionen erreicht.
Die Herausforderungen einer alternden Infrastruktur, der Anpassung an neue Kommunikationsgewohnheiten sowie die Konkurrenz durch private Zustelldienste erfordern eine ganzheitliche Betrachtung.Insgesamt zeigt der Bericht die Notwendigkeit eines Kulturwandels in der öffentlichen Postversorgung auf. Dabei gilt es, die Erwartungen der Verbraucher, die Interessen der Belegschaft und die wirtschaftliche Realität in Einklang zu bringen. Die Entscheidungen, die in den kommenden Wochen und Monaten getroffen werden, werden maßgeblich über die Zukunft der kanadischen Post und ihre Rolle in der Gesellschaft bestimmen.Für die Kunden heißt dies, dass sie sich auf Veränderungen einstellen müssen.