Die Diskussion um Importzölle auf pharmazeutische Produkte in den Vereinigten Staaten hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen, insbesondere vor dem Hintergrund der politischen Agenda „Make America Manufacture Again“. Die Absicht dahinter ist klar: durch höhere Zölle auf importierte Pharmazeutika soll der Anreiz geschaffen werden, Produktionsstätten wieder verstärkt auf US-amerikanischem Boden zu errichten beziehungsweise auszubauen. Doch die Frage bleibt, ob genau diese Maßnahme in der Praxis tatsächlich die gewünschte Wirkung entfalten kann oder ob die Realität erheblich komplexer ist. Ein zentraler Aspekt der Diskussion ist die Abhängigkeit der USA von Auslandslieferungen vor allem aus China und Indien, wenn es um wichtige Bestandteile von Arzneimitteln, die sogenannten aktiven pharmazeutischen Inhaltsstoffe (API), geht. Im Jahr 2024 beliefen sich die pharmazeutischen Importe aus diesen Ländern auf insgesamt rund 213 Milliarden US-Dollar, was ihre Rolle als Hauptlieferanten unterstreicht.
Die politischen Schritte der US-Regierung, darunter etwa geplante Zölle und das Executive Order zum Most Favoured Nation (MFN)-Modell, zielen darauf ab, die Produktionsstandorte näher an die heimischen Märkte zu bringen und so auch geopolitische Risiken zu minimieren. Aus wirtschaftlicher Sicht stellen Experten jedoch die Wirksamkeit der Zölle infrage. Der Aufbau neuer Produktionsanlagen innerhalb der USA erfordert nicht nur immense Investitionen, sondern auch einen langen Zeitraum von meist acht bis zehn Jahren, bis sich rentable Produktionsprozesse etablieren lassen. Diese lange Amortisierungsdauer steht im Gegensatz zu den kurzfristigen politischen Ambitionen und Zeithorizonten, die häufig nur wenige Jahre umfassen. Zudem übersteigen die Kosten für die Verlagerung der Fertigung und die Infrastrukturentwicklung oft die zusätzlichen Abgaben auf Importe.
Des Weiteren warnen Fachleute, dass eine Ausweitung der Zölle auf pharmazeutische Produkte das Potenzial hat, die Preise für Medikamente merklich zu erhöhen und somit die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu belasten. Vor allem der Biotech-Sektor könnte durch die gestiegenen Kosten und potenziellen Lieferengpässe empfindlich getroffen werden. Die Herstellung von Biopharmazeutika ist ein komplexer und hoch spezialisierter Prozess, der durch plötzliche Marktveränderungen und kostentreibende Eingriffe in die Lieferkette destabilisiert werden könnte. Trotz dieser Herausforderungen gibt es jedoch bereits erste Signale, dass einige große Pharmaunternehmen ihre Investitionen in US-amerikanische Produktionskapazitäten erhöhen. Beispielsweise kündigte Eli Lilly im Februar die Bereitschaft an, satte 27 Milliarden US-Dollar zusätzlich in die Inlandsproduktion zu investieren.
Auch andere Unternehmen wie Novartis und Sanofi haben ähnliche Absichten bekundet. Diese Entwicklung könnte langfristig einen nachhaltigen Wandel in der pharmazeutischen Produktionslandschaft bedeuten, wenn auch weniger als direkte Folge der Zölle, sondern eher als Reaktion auf mehrere externe Faktoren, darunter geopolitische Unsicherheiten, Lieferkettenprobleme und regulatorische Anforderungen. Die Frage, ob die Einführung oder Erhöhung von Pharmazöllen tatsächlich zu einer umfassenden Rückverlagerung der Produktion in die USA führt, wird von vielen Experten skeptisch gesehen. Der Trend bei globalen Lieferketten tendiert eher dazu, Produktionsstandorte in Länder mit möglichst günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verlagern. So wird erwartet, dass im Zuge höherer US-amerikanischer Zölle nicht unbedingt eine Rückkehr in die USA erfolgt, sondern gegebenenfalls eine Umlagerung von China nach Indien oder andere kostengünstige Produktionsstandorte.
Diese Strategie der sogenannten „Supply-Chain-Optimierung“ kann allerdings Risiken wie Lieferengpässe und Instabilitäten in der Versorgung erhöhen. Politische Maßnahmen wie Zölle wirken oft nur begrenzt isoliert. Die komplexen Prozesse in der Pharmaindustrie erfordern integrierte Ansätze, die Forschung, regulatorische Rahmenbedingungen und Investitionen in Infrastruktur eng miteinander verzahnen. Auch die Sicherstellung von qualifiziertem Fachpersonal und die Schaffung eines innovationsfreundlichen Umfelds spielen eine entscheidende Rolle für die erfolgreiche Produktion innerhalb der USA. Eine weitere Dimension der Diskussion betrifft die Auswirkungen auf den internationalen Handel und die damit verbundenen diplomatischen Beziehungen.
Höhere Zölle könnten zu Gegenmaßnahmen anderer Länder führen, was die Exportchancen amerikanischer Pharmaunternehmen beeinträchtigen und globalen Handel insgesamt erschweren würde. Der pharmazeutische Sektor lebt von internationalem Austausch – sowohl bei Rohstoffen als auch im Vertrieb von Produkten – und Ökonomien globalisierter Lieferketten sind schwerlich durch einzelne protektionistische Maßnahmen zu ersetzen. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Idee „Make America Manufacture Again“ durch Pharmazölle sowohl Chancen als auch erhebliche Hürden birgt. Kurzfristige Effekte auf die Produktionsverlagerung sind eher begrenzt zu erwarten, während langfristige Investitionen in die heimische Infrastruktur und technologische Innovation die wesentlich erfolgversprechenderen Ansätze sind, um die pharmazeutische Produktion in den USA zu stärken. Politische Rahmenbedingungen müssen daher flexibel gestaltet werden, um Unternehmen weder zu stark zu belasten noch Anreize für nachhaltige, qualitativ hochwertige Fertigung vor Ort zu setzen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Pharmazölle allein keine einfache Lösung darstellen, um die pharmazeutische Produktion umfassend zurück in die USA zu bringen. Die komplexen Anforderungen der Branche, die enormen Kosten für Produktionsstätten sowie die Notwendigkeit einer langfristigen Planung sprechen gegen kurzfristige tarifäre Eingriffe als wirksames Instrument. Vielmehr bedarf es einer Kombination aus strategischen Investitionen, Innovationsförderung und international abgestimmten Handelsstrategien, um die Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Pharmaindustrie dauerhaft zu sichern und gleichzeitig Versorgungssicherheit für Patienten zu garantieren.