Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gilt seit Jahrzehnten als zentrale Kennzahl zur Messung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Landes. Trotz seiner weltweiten Bekanntheit und Anwendung gerät der Indikator immer wieder in die Kritik – insbesondere wegen der Art und Weise, wie staatliche Ausgaben das BIP beeinflussen. Insbesondere militärische Ausgaben werfen ein Schlaglicht auf die Problematik, dass nicht jede Ausgabe zwangsläufig zur Verbesserung des Wohlstands der Bevölkerung beiträgt. Die Debatte um diese Verzerrungen gewinnt zunehmend an Bedeutung, da immer mehr Ökonomen und Experten einen ergänzenden Blick auf die wirklich relevanten wirtschaftlichen Faktoren fordern, die den Alltag und die Lebensqualität der Menschen widerspiegeln. Ein innovativer Vorschlag in diesem Kontext ist die Einführung der verteidigungsbereinigten Nationalkonten, die militärische Bundesausgaben aus dem BIP herausrechnen und somit ein klareres Bild der zivilen Wohlstandsproduktion zeichnen.
Das herkömmliche BIP setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen: Konsumausgaben der privaten Haushalte, Investitionen, staatlichen Ausgaben sowie dem Außenbeitrag. Gerade die staatlichen Ausgaben sind problematisch, da sie zum Teil nicht auf Marktpreisen basieren. Viele Leistungen des Staates wie militärische Rüstung, Verwaltung oder Sicherheitsdienstleistungen werden nicht direkt auf einem Markt verkauft, sodass deren Bewertung im BIP lediglich auf den Kosten beruht, die für deren Bereitstellung anfallen. Dieser Kostenansatz spiegelt jedoch nicht zwangsläufig einen Wertzuwachs für die Gesellschaft wider. Ein drastisches Beispiel ist das hypothetische Szenario, in dem der Staat zahlt, um Löcher zu graben und wieder zuzuschütten – mit enormen Kosten, aber ohne ein reales Wohlstandsplus für die Bevölkerung.
Historisch betrachtet äußerten bereits führende Wirtschaftswissenschaftler wie Simon Kuznets, der als Begründer der Nationalrechnung gilt, Bedenken hinsichtlich der Aufnahme staatlicher Ausgaben im BIP. Er schlug vor, dass manche staatliche Leistungen eher als Zwischenprodukte zu betrachten seien, die keinesfalls die wirtschaftliche Endproduktion repräsentieren. Dieser Gedanke wurde später von anderen renommierten Ökonomen wie James Buchanan unterstützt. Noch radikaler gingen Denker wie Murray Rothbard vor, der in seinem Konzept des "Private Product Remaining" das BIP komplett von staatlichen Ausgaben sowie Steuern trennen wollte, was von der Mehrheit der Ökonomen jedoch als zu extrem eingestuft wird. Der vorgeschlagene Mittelweg besteht darin, zumindest die Ausgaben für militärische Zwecke nicht in die Wohlstandsmessung einzubeziehen.
Verteidigungsausgaben konzentrieren sich vor allem auf die Herstellung und den Erwerb von Waffen und Kriegsmaterial, die keine direkten Verbrauchsgüter für die Zivilbevölkerung darstellen und die Alltagsqualität kaum verbessern. Darüber hinaus basieren solche Ausgaben zum großen Teil auf erzwungener Produktion, etwa durch Wehrpflicht, Enteignungen oder staatliche Beschlagnahmungen, was wiederum die Wirtschaftsdaten verzerrt. Auch temporäre Preisregulierungen während Kriegszeiten führen dazu, dass die offiziellen Inflationszahlen das wahre Ausmaß von Preisschwankungen nicht abbilden. Die sogenannte Verteidigungsbereinigte Nationalkontenrechnung entfernt somit diese Verzerrungen im herkömmlichen BIP und präsentiert eine wirtschaftliche Realität, die näher an den tatsächlichen Lebenskonditionen der Bürger liegt. Historische Daten zeigen beeindruckende Unterschiede: Während etwa im Zweiten Weltkrieg das offizielle BIP einen parallel zum Krieg stark wachsenden Wirtschaftsboom suggeriert, offenbart die bereinigte Version eher eine Verschlechterung der Lebensumstände für die Zivilbevölkerung.
Diese Neubewertung führt zu grundlegend anderen Interpretationen von Schlüsselperioden der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte. Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts offenbart sich nicht als anhaltende Wachstumsphase, wie bisher häufig angenommen, sondern als eine Zeit mit wirtschaftlicher Stagnation und wiederkehrenden Krisen. Die Auswirkungen sind auch für moderne Debatten äußerst relevant. Viele Bürger empfinden eine Diskrepanz zwischen den offiziellen wirtschaftlichen Kennzahlen und ihrer eigenen subjektiven Wahrnehmung von Wohlstand, einem Phänomen, das als „Vibecession“ bezeichnet wird.
Diese Kluft wird unter anderem dadurch verstärkt, dass das herkömmliche BIP militärisch induzierte Staatsausgaben als positiven wirtschaftlichen Beitrag verbucht, obwohl sie kaum eine Verbesserung des Alltags für den Großteil der Bevölkerung bringen. Darüber hinaus beeinflusst die Debatte um die Messung des Wohlstands auch politische Entscheidungen. Angesichts steigender Militärausgaben und der anhaltenden Debatten um das Budget ist es für Entscheidungsträger entscheidend, ein verlässliches und realitätsgetreues Bild der wirtschaftlichen Verhältnisse zu erlangen. Nur so kann bestimmt werden, welche Ausgaben tatsächlich zur Verbesserung des Lebensstandards beitragen und welche lediglich statistische Verzerrungen darstellen. Das Ziel ist nicht, das herkömmliche BIP abzuschaffen, denn trotz seiner Unzulänglichkeiten reflektiert es wichtige volkswirtschaftliche Zusammenhänge und die wirtschaftliche Gesamtleistung eines Landes.
Vielmehr plädieren renommierte Ökonomen für die Einführung eines ergänzenden Maßstabs, der mithilfe der verteidigungsbereinigten Nationalkonten eine alternative Sicht auf das wirtschaftliche Wohlstandsniveau erzeugt und somit die Lücken und Verzerrungen des Standardsystems überbrückt. Im Kern liefert der verteidigungsbereinigte Ansatz also eine differenziertere und kontextabhängigere Sicht auf wirtschaftliche Entwicklung, die insbesondere Krisen- und Kriegszeiten in einem neuen Licht erscheinen lässt. Die Erkenntnis, dass militärische Aufrüstung und Kriegsvorbereitung zwar Kosten verursachen, aber nicht automatisch Wohlstandssteigerungen bedeuten, führt zu einer realistischeren Einschätzung von Wirtschaftswachstum und Lebensqualität. Dieses Umdenken ermöglicht es, politische und wirtschaftliche Entscheidungen besser auf das tatsächliche Wohl der Bevölkerung auszurichten. Zusammenfassend stellt der ergänzende Ansatz in der Wohlstandsmessung eine notwendige Innovation dar, um das bisherige Verständnis von Wachstum und Entwicklung zu korrigieren.
Indem militärische Ausgaben und verzerrende Faktoren wie Preisregulierungen in Friedens- und Kriegszeiten herausgerechnet werden, rückt die messbare ökonomische Realität näher an die Lebensbedingungen des Einzelnen. Die verteidigungsbereinigte Nationalkontenrechnung trägt somit dazu bei, das BIP „great again“ zu machen, indem es ein transparenteres und aussagekräftigeres Bild der wirtschaftlichen Lage zeichnet – eines, das nicht nur Zahlen, sondern vor allem menschliche Wirklichkeiten widerspiegelt.