In der heutigen digitalisierten Welt verändert sich die Beziehung zwischen Marken und ihren Kunden fundamental. Eine der revolutionärsten Entwicklungen ist die zunehmende Bedeutung von Künstlicher Intelligenz (KI) bei der Kaufentscheidung. Immer häufiger treffen KI-Systeme, wie Sprachassistenten oder Produktempfehlungsalgorithmen, eine Vorauswahl, welche Produkte oder Dienstleistungen den Endverbrauchern vorgeschlagen werden. Damit rückt die KI selbst – als „Kunde“ der Marke – in den Fokus und stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen und Chancen zugleich. Die Frage, warum die Wahrnehmung von Marken durch künstliche Intelligenz so bedeutend wird, ist einfach zu beantworten: KI-Modelle aggregieren und analysieren eine immense Menge an Daten, um Empfehlungen zu geben.
Wenn eine Marke von dieser KI als attraktiv, zuverlässig und passend dargestellt wird, steigen die Chancen auf eine bevorzugte Nennung in den Vorschlägen für Konsumenten dramatisch an. Das bedeutet, dass es nicht mehr genügt, eine ansprechende Werbung für reale Menschen zu entwickeln. Unternehmen müssen sich davor hüten, in den Augen der KI schlecht dazustehen, selbst wenn die menschliche Zielgruppe davon gar nichts mitbekommt. Ein anschauliches Beispiel ist die Food-Branche. Ein Anbieter von Fertiggerichten könnte hypothetisch in einer KI-Recherche als „kompliziert“ eingestuft werden, nur weil in einer Werbeanzeige Zutaten wie fein gehackter Schnittlauch gezeigt wurden.
Die KI könnte daraus folgern, dass potenzielle Kunden keine Lust auf aufwändige Zubereitung haben, obwohl der tatsächliche Nutzen und Geschmack des Produkts überzeugend sind. Solche Missverständnisse führen zu negativen Bewertungen der Marke durch die AI und zu schlechteren Produktplatzierungen. Für Unternehmen ist dieser Effekt eine vollkommen neue Dimension von Kundenfeedback, die mit traditionellen Methoden kaum erfasst wird. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Vielfalt der KI-Modelle, die derzeit im Einsatz sind. Verschiedene Systeme wie Meta’s Llama oder OpenAI’s ChatGPT besitzen unterschiedliche Trainingsdaten und Bewertungsmechanismen.
Das bedeutet, dass dieselbe Marke von unterschiedlichen Modellen inkonsistent wahrgenommen werden kann. Ein Modell könnte eine Marke als vertrauenswürdig einstufen, während ein anderes Zweifel an deren Zuverlässigkeit äußert. Umfassende Analysen, beispielsweise durch spezialisierte Software wie „Share of Model“, ermöglichen es Marken, diese Wahrnehmungen zu kartieren und tiefere Einsichten darüber zu gewinnen, wie sie in den digitalen Systemen wirklich „ankommen“. Das Bewusstsein um diese neue Realität führt zu innovativen Marketingstrategien. Marken entwickeln gezielt Assets – sei es Bildmaterial, Texte oder Social-Media-Kampagnen – welche die Imagewahrnehmung durch KI verbessern sollen.
Ein konkreter Fall aus der Spirituosenbranche zeigt, wie ein Produkt, das global als Massenware positioniert ist, von einem KI-Modell fälschlicherweise als Luxusartikel kategorisiert wurde. Das verantwortliche Unternehmen reagierte darauf mit gezielten Änderungen der Markenpräsentation, um die differenzierte Wahrnehmung zu korrigieren. Obwohl der Erfolg solcher Maßnahmen oft erst zeitverzögert sichtbar wird, sind erste Indikatoren vielversprechend und stärken das Vertrauen in den KI-gesteuerten Marketingansatz. Die Steuerung der Wahrnehmung durch Künstliche Intelligenz bringt allerdings auch Komplexitäten mit sich. Viele der modernen Modelle sind proprietär und basieren auf geschlossenen Algorithmen, was Transparenz erschwert.
Doch die Entwicklung von sogenannten „Reasoning Models“, die ihre Entscheidungsprozesse nachvollziehbar machen, öffnet neue Türen. Marketer können dann einsehen, welcher Aspekt eines Produkts oder einer Marke für das positive oder negative Feedback der KI ausschlaggebend ist – sei es ein guter Duft bei Seifen oder die Benutzerfreundlichkeit eines technischen Gerätes. Dieses Verständnis ermöglicht eine gezielte Markenführung auf einem zuvor unbekannten Spielfeld. Darüber hinaus können schon kleine Modifikationen in der Art und Weise, wie Nutzer Fragen an eine KI stellen, erhebliche Auswirkungen auf Produktempfehlungen haben. Studien zeigen, dass durch das Variieren von Begrifflichkeiten oder Beschreibungen ein bestimmtes Produkt in sehr unterschiedlicher Häufigkeit empfohlen wird.
Diese sogenannten Prompt-Effekte werden von Marken genau beobachtet und könnten künftig gezielt beeinflusst werden – etwa durch Empfehlung von vorgefertigten Fragen in Online-Foren oder der Gestaltung von Nutzerinteraktionen. Allerdings birgt diese Entwicklung auch Risiken hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit von KI-Empfehlungen, weshalb Experten vor unkritischer Akzeptanz warnen. Der Vergleich zu klassischen SEO-Strategien ist dabei unvermeidlich. Marken versuchen seit Jahrzehnten, Algorithmen von Suchmaschinen zu beeinflussen, um Sichtbarkeit und Relevanz zu steigern. Mit der zunehmenden Verbreitung von KI-Systemen, die Empfehlungen und Kaufvorschläge übernehmen, entsteht ein ähnlicher Wettkampf.
Dieses „Spiel“ zwischen Marken, die ihr Image optimieren wollen, und den KI-Unternehmen, die ihre Modelle gegen Manipulation absichern, erinnert an eine Art „Katz-und-Maus-Spiel“. Dennoch sind kreative und ethisch vertretbare Methoden gefragt, um einen echten Mehrwert für die Kunden – sowohl menschliche als auch KI-gesteuerte – zu schaffen. Neben der Möglichkeit der gezielten Beeinflussung bleibt jedoch die Problematik inerenter Vorurteile innerhalb der KI-Modelle. Studien zeigen, dass globale Marken häufig bevorzugt dargestellt werden, während lokale Anbieter oft mit negativen Attributen verbunden sind. Diese Verzerrungen können auch soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten verstärken und werfen wichtige ethische Fragen auf.
Außerdem spiegeln sich in den Vorschlägen der KI auch gesellschaftliche Unterschiede wider, zum Beispiel durch unterschiedliche Produktempfehlungen je nach Einkommen der Zielgruppe. Unternehmen und Anwender sollten sich dieser Bias bewusst sein, um fairere und ausgewogenere Angebote zu fördern. Doch wie können Firmen Künstliche Intelligenz zu ihrem Vorteil nutzen? Wege wie der Einsatz von KI als Fokusgruppe stehen hierbei im Vordergrund. Marken können verschiedene Werbekampagnen bereits im Entwurfsstadium von KI-Modellen bewerten lassen, um deren Wirkung auf unterschiedliche Zielgruppen zu simulieren. So lässt sich vorab erkennen, welche Botschaften gut ankommen und an welchen Stellen Nachbesserungsbedarf besteht.
Diese proaktive Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine erhöht die Effizienz von Marketingmaßnahmen und reduziert das Risiko teurer Fehlinvestitionen. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Konsistenz der Markenkommunikation über alle Kanäle hinweg. KI-Systeme erfassen und verknüpfen große Mengen an Markeninhalten. Wenn sich die Botschaften widersprechen oder inkonsistent sind, leidet die Glaubwürdigkeit und erschweren klare, belastbare Empfehlungen durch KI. Marken sollten daher verstärkt darauf achten, ein einheitliches Erscheinungsbild und eine klare Positionierung zu etablieren, die sowohl für Menschen als auch für KI verständlich und überzeugend ist.
Abschließend lässt sich sagen, dass Künstliche Intelligenz als „Kunde“ in Zukunft nicht nur ein nebensächliches Element sein wird, sondern zu einer zentralen Größe im Marketing wird. Unternehmen, die frühzeitig Strategien entwickeln, um die Wahrnehmung durch KI-Modelle zu verstehen und aktiv zu gestalten, verschaffen sich einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Die Fähigkeit, KI als Partner im Marketingprozess zu nutzen – von der Marktforschung bis zur Werbekreation – wird maßgeblich darüber entscheiden, welche Marken in einer zunehmend algorithmisierten Welt erfolgreich bleiben. Die Berücksichtigung von KI als neue Zielgruppe erfordert ein Umdenken, Flexibilität und innovative Herangehensweisen. Wer es schafft, die Dynamiken dieser Entwicklung nicht nur zu beobachten, sondern selbst mitzugestalten, wird die Chancen der digitalen Transformation optimal nutzen können.
In einer Welt, in der Technologie immer stärker mit unserem Alltag verwebt ist, wird die Kunst der Markenführung darin bestehen, Mensch und Maschine gleichermaßen zu begeistern und beiden als wichtigster Kunde gerecht zu werden.