Das Schreiben eines Romans kann eine monumentale Herausforderung sein, insbesondere wenn es sich um ein Werk mit zahlreichen miteinander verflochtenen Handlungssträngen handelt. Viele Autoren entscheiden sich für feste Pläne – sogenannte Outline-basierte Methoden – während andere lieber auf das sogenannte "Pantsing" setzen, bei dem sie einfach drauflos schreiben und die Geschichte organisch wachsen lassen. Doch was passiert, wenn ein Roman mit Dutzenden komplexen Subplots beinahe unter der eigenen Komplexität zusammenbricht? Für einen Softwareentwickler und Autor wurde die Antwort auf diese Frage überraschend, aber ebenso wirkungsvoll: Ein seit mehr als 40 Jahren existierender Editor und sein mächtiger Textmodus namens Org-Mode retteten seinen Roman vor dem Chaos. Org-Mode ist ein Bestandteil des textbasierten Editors Emacs, der vor allem unter technischen Nutzern sehr beliebt ist. Er ermöglicht ein hierarchisches Strukturieren von Dokumenten durch sogenannte Headlines und eine umfangreiche Tagging-Funktion.
Für den Autor wurde diese Kombination zum Gamechanger, denn sie erlaubte ihm, seine umfangreichen Handlungsstränge direkt innerhalb des Manuskripts zu organisieren, zu verfolgen und effizient zu verändern. Sein Roman „World Enough (And Time)“ ist ein sci-fi-Komödienwerk, das mindestens dreizehn miteinander verwobene Subplots umfasst. Die Herausforderung lag darin, die Chronologie und Kausalität trotz der Nähe zur Lichtgeschwindigkeit und daraus resultierender relativistischer Effekte korrekt und nachvollziehbar zu gestalten. Normale Methoden der Überarbeitung hätten hier zu einer Art exponentiellem Aufwand in der Fehlerkorrektur geführt. Die klassische Unterteilung von Autoren in "Plotter" und "Pantser" beschreibt zwei grundsätzlich verschiedene Herangehensweisen an das Geschichtenerzählen.
Während Plotter mit einem detaillierten Plan starten, schreiben Pantsers einfach drauflos und entwickeln die Struktur erst durch das Schreiben und Überarbeiten. Der geschilderte Autor ist bekennender Pantser, der lange Zeit das Chaos eines fehlenden festen Gerüsts ertragen konnte. Doch bei dieser komplexen Geschichte wurde das Fehlen eines strukturellen Rahmens zu einem ernsthaften Problem. Anfangs versuchte der Autor den Umweg über eine externe Outline in Google Sheets. Diese Methode verbesserte zwar die Übersichtlichkeit, sorgte aber für eine kontinuierliche Diskrepanz zwischen Outline und Manuskript, weil Änderungen in einem Dokument ständig im anderen nachgezogen werden mussten.
Dies führte zu doppeltem Aufwand und hoher Fehleranfälligkeit. Für den Autor wurde schnell klar, dass es eine bessere, integrierte Lösung geben musste. Er fand sie in Org-Mode. Durch die Verwendung von Headlines, die Kapitel, Szenen und sogar Subplots repräsentieren, konnte er sein Manuskript hierarchisch strukturieren. Jede Szene erhielt dabei eigene Schlagwörter (Tags), die den jeweiligen Handlungssträngen zugeordnet wurden.
Diese Herangehensweise hatte mehrere entscheidende Vorteile. Zum einen befand sich die Gliederung direkt im Manuskript, sodass Kapitel und Szenen beim Verschieben automatisch mit dem Text synchron blieben. Das Risko, dass Outline und Text auseinanderdrifteten, wurde so effektiv eliminiert. Zum anderen erlaubten es die Tags, gezielt nach einzelnen Handlungssträngen zu suchen und nur die relevanten Szenen sichtbar zu machen. Dank der sogenannten "sparsamen Bäume" konnten Szenen, die nichts mit einem bestimmten Plot zu tun hatten, eingeblendet oder ausgeblendet werden.
Das erleichterte die Navigation in einem komplexen Geflecht drastisch. Außerdem überzeugte die lokale Nähe von Gliederung und Text. Der Autor musste nur noch eine Szene und ihre Überschrift überprüfen, um sich sicher zu sein, dass sie stimmten. Früher musste er mehrfach und in verschiedenen Dokumenten recherchieren, um die Konsistenz sicherzustellen. Von einer regelrechten Erlösung sprach der Autor, weil das Gefühl, die richtige Datenstruktur gefunden zu haben, vieles seiner bisherigen Probleme scheinbar auflöste.
Die Möglichkeit, mit Emacs und Org-Mode ganze Textblöcke und Headlines bequem zu falten und zu verschieben, half zusätzlich enorm. So ließ sich das Manuskript je nach Bedarf auf verschiedene Strukturebenen reduzieren und jederzeit wieder ausklappen. Trotz all dieser Vorteile gab es auch Herausforderungen beim Arbeiten mit Org-Mode als Autor. Eine davon war, dass einige Metadaten wie Szeneüberschriften und Tags nicht in der endgültigen Version des Romans auftauchen sollten. Hierzu musste der Autor spezielle Exportfilter entwickeln, die beim Übersetzen in E-Book-Formate oder PDF genau diese Elemente ausblendeten, ohne den eigentlichen Text zu beeinträchtigen.
Zudem zeigte sich, dass professionelle E-Book-Formate wie EPUB oder HTML für Feinheiten der Formatierung, beispielsweise halbe Kursivierungen innerhalb eines Wortes, mit Markdown deutlich flexibler und einfacher zu handhaben sind als Org-Mode. Deshalb entschied sich der Autor, die fertigen und rücküberführten Org-Dateien in Markdown zu konvertieren, um daraus die endgültigen Ausgaben zu erstellen. Diese Kombination aus der Stärke des Org-Mode in der Planungs- und Überarbeitungsphase mit dem Komfort von Markdown bei der endgültigen Produktion erwies sich als ideal. Dieser gesamte Ansatz zeigt eindrucksvoll, wie stark traditionell technische Werkzeuge auch in künstlerischen und kreativen Prozessen sein können. Ein Werkzeug, das seit Jahrzehnten in der Softwareentwicklung genutzt wird, wurde zu einer unerwarteten Rettung für einen Schriftsteller, der sein komplexes Werk retten wollte.
Für Autoren, die ebenfalls mit vielen verknüpften Handlungssträngen zu kämpfen haben, bietet sich damit eine innovative Lösung an: Die Einbettung einer Textstrukturierung direkt ins Manuskript, das Nutzen von Tags zur gezielten Navigation und das sorgsame Managen von Sichtbarkeit und Arabisierung einzelner Elemente. Wer sich in Emacs und Org-Mode einarbeitet, profitiert von einem einzigartigen Textprozess, der weit über das bloße Verfassen hinausgeht: Notizen, Lesezeichen, Projektübersichten und Todo-Listen können nahtlos miteinander verwoben werden. Das Konzept „Dein Leben in Plain Text“ erhält so im Kontext des Romanschreibens eine ganz neue Bedeutung und bietet eine hocheffiziente Möglichkeit, komplexe Geschichten zu ordnen. Zudem erlaubt die Verwendung eines Open-Source-Tools wie Emacs absolute Kontrolle über das Schreiben ohne die Einschränkungen proprietärer Software. Es mag für viele Autoren zunächst etwas geeky und technisch klingen, doch der praktische Nutzen ist immens.
Neben der Zeitersparnis und der Reduktion von Fehlerquellen stärkt dieser Workflow die kreative Freiheit, da der Kopf nicht permanent mit organisatorischen Problemen belastet wird. Vor allem Leser komplexer Genres – wie Science-Fiction mit Zeitreisen oder verschachtelten sozialen Spannungsbögen – können von einem solchen Tool profitieren, da es sicherstellt, dass die erzählte Welt konsistent bleibt. Für Autoren, die am Anfang stehen, mag die Lernkurve von Org-Mode zwar zunächst anspruchsvoll erscheinen. Doch die Investition lohnt sich nicht nur für die Organisation eines einzelnen Buches, sondern für die gesamte Schriftstellerei. Einige Autoren berichten sogar, dass Org-Mode ihren gesamten Schreiballtag revolutioniert hat, von der Ideensammlung über die Planung bis hin zur finalen Überarbeitung.
Abschließend lässt sich sagen, dass die Kombination aus einem hochgradig anpassbaren Editor und einem leistungsfähigen Modul zur Textstrukturierung genau die Art von Innovation darstellt, die sowohl Technik- als auch Kreativschaffende vereint. Schriftsteller, die bereit sind, einen kleinen Umweg über technische Tools zu gehen, könnten dadurch neue Horizonte ihrer Schreibpraxis entdecken und selbst die schwersten Projektfluten meistern. Es bleibt spannend zu beobachten, wie solche technischen Methoden künftig weiter von Autoren genutzt und weiterentwickelt werden, um das Schreiben noch effizienter und kreativer zu gestalten.