Im Jahr 2025 hat der republikanische Senator Mike Lee aus Utah einen Gesetzentwurf vorgestellt, der die Vereinigten Staaten in eine neue Debatte über Pornografie und deren Legalität auf Bundesebene stürzen könnte. Der sogenannte Interstate Obscenity Definition Act (IODA) zielt darauf ab, die Definition von „Obszönität“ in der amerikanischen Rechtsprechung grundlegend zu verändern und auszuweiten, um praktisch jegliche Form von pornografischem Material strafbar zu machen. Dieses Vorhaben folgt einem weiter gefassten politischen Projekt, das bereits im Vorfeld unter dem Titel Project 2025 durch den konservativen Think Tank Heritage Foundation erarbeitet wurde. Dort wurde die vollständige Kriminalisierung von Pornografie als Schlüsselziel für die aktuelle Regierung unter Donald Trump formuliert und nun scheint diese Vision mit dem eingereichten Gesetzesvorschlag in greifbare Nähe zu rücken. Das Herzstück des Gesetzes ist eine drastische Neuinterpretation des traditionellen Obszönitätsbegriffs.
Bisher war die Kategorie der Obszönität in den USA von Gerichten eher eng gefasst und beinhaltete Inhalte, die nicht durch die Meinungsfreiheit des First Amendments gedeckt sind. Lee jedoch möchte die Definition so erweitern, dass jegliche visuelle Darstellung von Sexualität, Nacktheit oder gar Exkrementen, die das „gelüstvolle Interesse“ anspricht, als obszön gilt. Dies würde nicht nur die Herstellung und Verbreitung von pornografischem Material unter Strafe stellen, sondern könnte auch das bloße Besitzen solcher Inhalte zu einer strafbaren Handlung machen. Experten bezeichnen die geplante Definition als derart breit, dass selbst populäre Serien wie Game of Thrones in den Anwendungsbereich fallen könnten, da dort häufig Sexualität visuell dargestellt wird. Unklar ist bislang, wie streng die Strafen für bloße Besitzvergehen ausgestaltet werden.
Der Fokus des Gesetzes scheint jedoch auf der Verfolgung von Produzenten und Anbietern zu liegen, also der Industrie hinter der Pornografie. Die vorgeschlagene Gesetzgebung verfolgt das Ziel, obszöne Inhalte, die über Staatsgrenzen hinweg oder aus dem Ausland übertragen werden, zu bekämpfen und definiert dies als Bundesangelegenheit. Damit könnten etwa beliebte Online-Plattformen für Erwachsenenunterhaltung gezielt ins Visier genommen werden, was Auswirkungen auf das gesamte Internet-Ökosystem hätte. Die Motivationen hinter dem Gesetz liegen nach Aussagen von Senator Lee darin, den Schutz der Gesellschaft, insbesondere der Minderjährigen, zu gewährleisten. Er argumentiert, dass bislang unklar definierte und schwer durchsetzbare Obszönitätsgesetze der Verbreitung extremer pornografischer Inhalte Vorschub leisten.
Seine Initiative will diese rechtlichen Grauzonen beseitigen und die Grundlage schaffen, um strafrechtlich gegen Produzenten und Vertreiber vorzugehen. Damit knüpft Lee eng an die Positionen an, die bereits von konservativen Organisationen wie der Heritage Foundation vertreten werden. Dort wird Pornografie nicht nur als moralisches oder gesellschaftliches Problem betrachtet, sondern auch als Vehikel für die Verbreitung transgenderer Ideologien und deren „Sexualisierung von Kindern“. Die Foundation plädiert in ihrem politischen Leitfaden sogar dafür, Erzeuger und Verteiler solcher Inhalte zu inhaftieren und Unternehmen, die dabei helfen, ihre Verbreitung zu ermöglichen, konsequent zu schließen. Die Debatte über Pornografie in den Vereinigten Staaten ist kein neues Phänomen.
Die Geschichte der anti-pornografischen Bewegung ist lang und komplex, geprägt sowohl von ideologischen als auch sozialen und rechtlichen Konflikten. Über Jahrzehnte hinweg gab es immer wieder Versuche, den Zugang zu explizitem Material in unterschiedlichen Kontexten zu regulieren oder gar zu verbieten. Ein großer Teil dieser Debatten drehte sich um den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor dem vermeintlich schädlichen Einfluss pornografischer Inhalte. In den letzten Jahren nahm speziell der politische Flügel der sogenannten MAGA-Bewegung die Position einer rigorosen Gegenwehr ein und verstärkte aktiv die Bemühungen, Online-Pornografie einzuschränken. Dabei wurde zunehmend das Internet zum Hauptangriffsziel, wo Zugangskontrollen wie Altersverifikationen für Webseiten in mehreren Bundesstaaten eingeführt wurden.
Solche Gesetze stehen jedoch vielerorts noch vor juristischen Hürden. Die Pläne von Senator Lee könnten diesen Trend der Intensivierung staatlicher Kontrolle weit über den bisherigen Rahmen hinaus führen. Die umfassende Definition von „Obszönität“ zielt auf eine vollständige Bundesregelung und macht keine Ausnahmen für Teilbereiche, die bis dato rechtlich geschützt waren. So könnte nicht nur die Produktion und Verbreitung von klassischer Pornografie betroffen sein, sondern auch kulturelle und künstlerische Werke, die Sexualität zum Thema haben, wodurch die Debatte um Kunstfreiheit eröffnet wird. Neben juristischen Herausforderungen würde eine solche Gesetzgebung auch praktischen Auswirkungen auf Nutzer und Anbieter im Internet haben.
Plattformen, die bisher pornographische Inhalte zugelassen haben, müssten entweder mit Sanktionen rechnen oder ihre Inhalte weitgehend umgestalten bzw. entfernen. Die Sperrung oder Blockierung von Internetseiten wäre eine mögliche Folge, was wiederum Auswirkungen auf den Datenfluss und das Informationsangebot im Netz hätte. Aus technischer Sicht dürften Anbieter versuchen, diese Maßnahmen zu umgehen, womit sich neue Rechtsstreitigkeiten und mögliche technische Gegenmaßnahmen abzeichnen könnten. Auf gesellschaftlicher Ebene berührt die Debatte tiefgreifende Fragen zu Moralvorstellungen, individueller Freiheit und dem Einfluss staatlicher Regulierung.
Während die einen den Schutz der Jugend und die Eindämmung vermeintlich schädlicher Einflüsse begrüßen, warnen andere vor einer übermäßigen Einschränkung persönlicher Freiheiten und Zensur, die dazu führen kann, dass legitime Ausdrucksformen unterdrückt werden. Kritiker des Gesetzentwurfs warnen, dass eine überzogene Definition von Obszönität die Meinungs- und Kunstfreiheit massiv einschränken und zu einer Kultur der Überwachung und Bestrafung führen könnte. Die Grenzen des Erlaubten würden somit nicht klar gezogen, was Unsicherheiten mit sich bringt. Auch wirtschaftlich steht die Pornoindustrie in den USA als einer der größten Märkte für Erwachsenenunterhaltung vor gravierenden Veränderungen. Ein Bundesverbot würde nicht nur viele Unternehmen vor existenzielle Herausforderungen stellen, sondern auch zahlreiche Arbeitsplätze gefährden.