In den USA erhitzt ein neuer Skandal die Gemüter: Das Justizministerium hat drei der größten Krankenkassen zusammen mit führenden Versicherungsbrokern des Landes beschuldigt, einen milliardenschweren Kickback-Betrug im Medicare Advantage Programm betrieben zu haben. Die Vorwürfe beziehen sich auf eine abgeschlossene Praxis, bei der hohe Geldzahlungen an Makler als versteckte Anreize gezahlt wurden, damit diese Patienten gezielt in bestimmte Medicare Advantage Pläne lenkten. Unter den Angeklagten sind namhafte Unternehmen wie CVS Health mit seiner Tochtergesellschaft Aetna, Elevance Health sowie Humana. Auf Seiten der Makler stehen eHealth, GoHealth und SelectQuote im Fokus der Ermittlungen. Das Ganze wirft ein Schlaglicht auf das Gesundheitswesen, das zunehmend von privaten Interessen durchdrungen ist und bei dem der Schutz der Patienten oft in den Hintergrund zu rücken droht.
Das Medicare Advantage Programm ist ein spezielles Angebot im amerikanischen Gesundheitssektor, bei dem private Versicherer Medicare-Leistungen für ältere und behinderte Menschen verwalten und oftmals zusätzliche Zusatzleistungen anbieten. Für diese Dienste erhalten die Versicherer staatliche Pauschalzahlungen. Die Herausforderung für viele Medicare-Nutzer ist die komplexe Auswahl aus einer Vielzahl von Plänen, weshalb viele auf Vermittler und Makler angewiesen sind, um fundierte Entscheidungen treffen zu können. Die jüngsten Vorwürfe des Justizministeriums zufolge missbrauchten die betroffenen Versicherungsgesellschaften und deren Partner die Vertrauensstellung der Makler und der Patienten, indem sie Zahlungssysteme implementierten, die den ursprünglichen Zweck der Programme unterminierten. Im Kern der Anschuldigungen steht ein millionenschweres Kickback-System, das von 2016 bis 2021 lief.
Dabei wurden Zahlungen an Maklerunternehmen getarnt als Marketing- oder Sponsoringvereinbarungen, obwohl sie faktisch der Kauf von Kundenzuweisungen war. Die Versicherer kauften somit bevorzugte Behandlung für ihre Produkte auf Kosten von Transparenz und Fairness im Wettbewerb. Die Makler wiederum honorierten ihre Mitarbeiter und Agenten nicht selten anhand dieser finanziellen Motivationen. Der daraus entstehende Interessenkonflikt führte dazu, dass Patienten nicht entsprechend ihrer Bedürfnisse beratend, sondern eher vom monetären Anreiz geleitet vermittelt wurden. Ein besonders besorgniserregender Aspekt des Skandals ist die gezielte Einflussnahme auf die Auswahl von Versicherten mit Behinderungen.
Laut Anklage sollen Aetna und Humana Druck auf Makler ausgeübt haben, um Patienten mit Behinderungen seltener aufzunehmen, da diese als weniger profitabel galten. Dieses Verhalten offenbart nicht nur eine eklatante Missachtung ethischer und rechtlicher Standards, sondern auch eine Diskriminierung von besonders schutzbedürftigen Gruppen innerhalb des Gesundheitssystems. Die US-Staatsanwältin Leah Foley bezeichnete diese Praxis als „unverzeihlich“ und unterstreicht die Dringlichkeit, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Die Vorwürfe basieren auf einer Whistleblower-Klage aus dem Jahr 2021, durch die interne Enthüllungen erst an die Öffentlichkeit gelangten. Die False Claims Act erlaubt es Whistleblowern, Unternehmen, die angeblich mit falschen Angaben an staatliche Stellen Gelder erschleichen, zu verklagen und damit der Allgemeinheit Zugang zu wichtigen Ermittlungsinformationen zu verschaffen.
Der Fall gegen die Krankenversicherer und Makler ist eine von mehreren Ermittlungen, die derzeit gegen MediCare Advantage Programme und deren marktbeherrschende Akteure laufen. Die Reaktionen der betroffenen Unternehmen zeigen die heikle Lage. CVS Health und Humana erklärten, sie würden sich energisch gegen die Vorwürfe verteidigen, während Elevance Health seine volle Konformität mit den geltenden Bundesvorschriften betont. GoHealth und eHealth wiesen die Anschuldigungen als falsch und haltlos zurück. Dennoch wirft allein das Bekanntwerden dieser Praxis erhebliche Zweifel an der derzeitigen Regulierung und Kontrolle von Medicare Advantage Lieferanten auf.
Die zunehmende Privatisierung in der Krankenversicherung und der komplexe Regulierungsrahmen schaffen ein Risiko für neue Formen von Interessenkonflikten und potenziell missbräuchlichen Praktiken. Viele Experten fordern daher eine Verschärfung der Transparenzanforderungen und strengere Kontrollen, um die Integrität des Medicare Advantage Systems wiederherzustellen und das Vertrauen der Medicare-Nutzer zurückzugewinnen. Vor allem für die Patienten, die oftmals wenig Erfahrung im Versicherungsmarkt besitzen und stark auf Beratung angewiesen sind, ist eine neutrale und faire Beratung essenziell. Der Skandal zeigt, wie prekär die Lage ist, wenn finanzielle Anreize über die Gesundheitsbedürfnisse der Menschen gestellt werden. Die Folgen sind nicht nur rechtlicher Natur, sondern betreffen das Grundvertrauen in das Gesundheitswesen und die Verlässlichkeit privater Krankenversicherungen.
Diese Entwicklungen dürften Einfluss auf zukünftige gesetzliche Reformen und auf die Verpflichtungen privater Versicherer haben, die sich in einem immer härter umkämpften Markt behaupten müssen. Klar ist, dass der Schutz der Versicherten im Zentrum sämtlicher Diskussionen stehen muss. Der Fall zeigt exemplarisch, welche Risiken entstehen, wenn wirtschaftliche Interessen und Patientenschutz nicht ausreichend voneinander getrennt werden. Die Zukunft des Medicare Advantage Programms steht somit unter Beobachtung und ist exemplarisch für die Herausforderungen, vor denen das US-amerikanische Gesundheitssystem gegenwärtig steht.