In den letzten Jahren ist ein deutlicher Trend auf Europas Straßen zu beobachten: Die Motorhauben neuer Fahrzeuge werden immer höher. Dieser Anstieg geht hauptsächlich auf die Popularität von SUVs zurück, die nicht nur größer und schwerer, sondern auch mit erhöhten Fahrzeugfronten ausgestattet sind. Ein aktueller Bericht der Organisation Transport & Environment (T&E) macht auf die damit verbundenen Gefahren für die öffentliche Sicherheit aufmerksam – im Fokus stehen dabei insbesondere Kinder als schwächste Verkehrsteilnehmer. Die durchschnittliche Höhe der Motorhauben bei Neuwagen in Europa ist zwischen 2010 und 2024 von etwa 77 Zentimetern auf 84 Zentimeter gestiegen. In einigen Fällen, insbesondere bei Fahrzeugen von Marken wie Land Rover und Jeep, liegt die Motorhaubenhöhe sogar über 100 Zentimeter.
Gerade in Deutschland, dem Vereinigten Königreich und anderen europäischen Ländern sind sogenannte High-Fronted-SUVs auf dem Vormarsch, was die Verletzungs- und Todesrisiken für Fußgänger deutlich erhöht. Kinder stehen in besonderem Maße im Fokus dieser Sicherheitsdebatte, denn Untersuchungen zeigen, dass die Fahrersicht bei Fahrzeugen mit hohem Vorderteil stark eingeschränkt ist. So können Fahrer von Fahrzeugen mit besonders hoher Motorhaube Kinder, die direkt vor dem Fahrzeug stehen, häufig überhaupt nicht sehen – das gilt beispielsweise für Kinder bis zu einem Alter von neun Jahren bei bestimmten Modellen. Diese eingeschränkte Sichtverbindung erzeugt eine gefährliche Situation, in der Unfälle leicht passieren können. Besonders bei Kollisionen mit Fußgängern erhöhen hohe Fahrzeugfronten die Wahrscheinlichkeit schwerer Verletzungen oder Todesfälle.
Anders als niedrigere Fahrzeuge, die bei einem Zusammenstoß meist zuerst die Beine treffen und so die Opfer seitlich ablenken oder weniger schwer verletzen, treffen hohe Motorhauben häufig die Körpermitte oder sogar den Kopf von Kindern und Erwachsenen. Dies führt dazu, dass Fußgänger meist nach vorne und unter das Fahrzeug geschleudert werden, was das Risiko eines Überrollens dramatisch erhöht. Eine Studie aus Belgien, die mehr als 300.000 Unfallopfer analysierte, belegt, dass bereits ein Anstieg der Motorhaubenhöhe um 10 Zentimeter die Todesrate bei Zusammenstößen mit Fußgängern und Radfahrern um 27 Prozent erhöht. Für Kinder ist die Gefahr noch gravierender – sie werden bei Unfällen mit hohen Fahrzeugfronten deutlich häufiger schwer verletzt oder getötet als Erwachsene.
Die weit verbreitete „Autobesitas“ oder das sogenannte „Carspreading“ – die stetige Zunahme von Fahrzeuggröße und -breite – hat zudem weitere negative Folgen. Große SUVs sind im Durchschnitt etwa 20 Prozent mehr umweltschädlich als kleinere Autos, sie stoßen mehr CO2 aus und tragen so erheblich zur Klimaerhitzung bei. Derzeit wird sogar die durch Elektroautos und verbesserte Kraftstoffeffizienz erzielte Klimavorteile durch die steigenden SUV-Verkäufe in vielen Ländern nahezu vollständig aufgezehrt. Die Regulierungen für die Höhe der Fahrzeugmotorhauben sind derzeit in Europa und auch in Deutschland sowie dem Vereinigten Königreich kaum vorhanden. Der Bericht von Transport & Environment fordert daher eine gesetzliche Begrenzung der Motorhaubenhöhe, die spätestens bis zum Jahr 2035 eingeführt werden sollte.
Vorgeschlagen wird ein Grenzwert von etwa 85 Zentimeter als maximale Höhe, um die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer, insbesondere Kinder, zu erhöhen. In einigen europäischen Städten wie Paris, Lyon oder Aachen wurden bereits Maßnahmen ergriffen, um den Trend zu übergroßen Fahrzeugen einzudämmen. Dort werden beispielsweise höhere Parkgebühren für größere Autos erhoben, um Autofahrer zum Umsteigen auf kompaktere und umweltfreundlichere Fahrzeuge zu bewegen. Auch in UK beschäftigen sich Kommunen wie Bristol, Cardiff, Oxford und das Londoner Stadtviertel Haringey mit ähnlichen Initiativen. Die politische Debatte um die Sicherheit im Straßenverkehr gewinnt zunehmend an Bedeutung.
Aktivisten und Organisationen fordern strengere Vorschriften und eine stärkere Sensibilisierung der Hersteller. Die schärfere Regulierung von automobilbezogenen Dimensionen soll nicht nur Verkehrs- sondern auch Umweltaspekte berücksichtigen. Hersteller wie Land Rover und Jaguar Land Rover betonen zwar ihr Engagement für Sicherheitstechnik, darunter automatische Notbremsassistenten und 3D-Kamerasysteme, doch Experten weisen darauf hin, dass auch technisch hochgerüstete Fahrzeuge mit hohen Motorhauben ein erhöhtes Risiko darstellen. Letztlich sind auch Assistenzsysteme nur so gut, wie die physikalischen Grundlagen und die Sichtverhältnisse am Fahrzeug es zulassen. Somit bleibt die bauliche Begrenzung der Fahrzeughöhe ein zentraler Punkt für mehr Verkehrssicherheit und besseren Schutz der besonders verletzlichen Kinder.
Die Folgen großer, hoher Fahrzeuge betreffen aber nicht nur die Unfallstatistiken. Sie prägen auch das Stadtbild und die Lebensqualität im urbanen Raum. „Monsterwagen“, wie sie häufig genannt werden, nehmen viel Raum ein und erschweren das Parken, den Verkehrsfluss und nicht zuletzt auch das Sicherheitsgefühl von Fußgängern und Radfahrern. Zudem behindern großvolumige SUV-Parkreihen oftmals die Sicht an Zebrastreifen und Kreuzungen, was zusätzliche Gefahren mit sich bringt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die immer höher werdende Motorhaubenlinie moderner Fahrzeuge ein komplexes und vielschichtiges Problem darstellt.