Wunden sind ein natürlicher Teil des Lebens, doch wie schnell sie heilen, variiert erheblich zwischen verschiedenen Tierarten. Besonders auffällig ist, dass Menschen im Vergleich zu anderen Primaten deutlich länger brauchen, um Schnitte und Kratzer zu verheilen. Neuere Forschungsergebnisse aus Japan belegen, dass Wunden bei Menschen fast dreimal so langsam heilen wie bei anderen nahen Verwandten wie Schimpansen, Pavianen oder verschiedenen Affenarten. Dieses Phänomen wirft Fragen zu den biologischen und evolutionären Ursachen auf und bietet faszinierende Einblicke in unsere eigene Entwicklungsgeschichte. Die Untersuchungen, die an der Universität der Ryukyus durchgeführt wurden, umfassten fünf verschiedene Primatenarten, darunter Schimpansen, Sykes-Affen, Samt-Affen und Olivenpaviane.
Bei allen Tieren wurde unter Narkose eine kreisförmige, etwa vier Zentimeter große Wunde erzeugt, nachdem das Fell an der betreffenden Stelle rasiert wurde. Anschließend wurde eine antibiotische Salbe aufgetragen und die Wunde für 24 Stunden geschützt, um Infektionen zu vermeiden. Durch regelmäßige fotografische Dokumentation und Vermessungen konnte die Geschwindigkeit des Heilungsprozesses genau verfolgt werden. Dabei zeigte sich eine durchschnittliche Wundheilungsrate von etwa 0,61 Millimetern pro Tag. Im Gegensatz dazu wurden bei 24 menschlichen Probanden nach kleineren Hautoperationen deutlich langsamere Heilungsraten festgestellt, die bei etwa 0,25 Millimetern pro Tag lagen.
Die Differenz ist signifikant und weist darauf hin, dass Menschen ein grundsätzlich verlangsamtes Heilungstempo haben, das nicht nur von individuellen Faktoren, sondern als allgemeine biologische Eigenschaft anzusehen ist. Interessanterweise ähnelten Mäuse und Ratten in ihren Heilungsraten den anderen Primaten, was darauf hindeutet, dass das menschliche Heilungstempo eine Ausnahme innerhalb der Säugetiere darstellt. Warum verläuft die Wundheilung bei uns Menschen so langsam? Eine naheliegende Theorie verbindet diese Besonderheit mit der evolutionären Entwicklung unserer Haut und unseres Körpers. Menschliche Haut ist im Vergleich zu der anderer Primaten nahezu unbehaart, ein Merkmal, das im Laufe der Evolution entstand, als sich unsere Vorfahren an neue Umweltbedingungen anpassen mussten. Vor allem in heißen, sonnigen Klimazonen könnten diese Veränderungen entscheidend gewesen sein.
Denn dichteres Fell erhöht nicht nur den Schutz der Haut, sondern erhöht laut Forschungen auch die Anzahl der Haarfollikel-stammzellen, die für eine schnelle Regeneration und Wundheilung eine wesentliche Rolle spielen. Der Verlust der dichten Behaarung verdrängte diese Quelle der körpereigenen Reparatur, was zu einer langsameren Erholung von Hautverletzungen führte. Man könnte annehmen, dass langsames Heilen stets ein Nachteil wäre, doch soziale Faktoren haben vermutlich viel dazu beigetragen, diese Belastung auszugleichen. Im Gegensatz zu anderen Primaten entwickelten frühe Menschen ausgeprägte soziale Strukturen, die Pflege, Nahrungsteilung und medizinische Versorgung einschlossen. Diese Unterstützung ermöglichte es Verletzten, auch bei langsamem Heilungsverlauf zu überleben und sich weiterhin erfolgreich in ihren Gruppen zu integrieren.
Darüber hinaus zeigt sich, dass das menschliche Mikrobiom – die Gemeinschaft von Mikroorganismen auf der Haut – eine wichtige Rolle bei der Wundheilung spielt. Moderne Forschung widmet sich zunehmend der Frage, wie die Balance dieser Mikroorganismen zur schnelleren und besseren Heilung beitragen kann. Während sich die Hautflora zwischen Mensch und anderen Primaten unterscheidet, eröffnet sich hier ein vielversprechendes Feld für neue therapeutische Ansätze, die Heilungsprozesse optimieren könnten. Die Fähigkeit der Wunde, sich zu schließen, hängt von zahlreichen biochemischen und zellulären Prozessen ab. Dazu gehören die Proliferation von Zellen, die Bildung neuer Blutgefäße, Immunreaktionen und die Produktion von Kollagen.
Bei Menschen funktionieren diese Mechanismen grundsätzlich ähnlich wie bei anderen Primaten, aber offenbar mit einer reduzierten Geschwindigkeit. Die Gründe hierfür sind multifaktoriell und umfassen genetische, physiologische und umweltbedingte Einflüsse. Ein Aspekt, der bisher wenig Beachtung fand, ist die Auswirkung unserer Lebensweise auf die Wundheilung. Ernährung, Stress, körperliche Aktivität und Umweltverschmutzung können den Heilungsverlauf positiv oder negativ beeinflussen. In modernen Gesellschaften mit häufigem Kontakt zu Schadstoffen oder chronischen Erkrankungen könnte sich die Heilungszeit verlängern.
Dennoch lassen sich die generellen Unterschiede zwischen Menschen und anderen Primaten wahrscheinlich nicht allein durch solche Faktoren erklären, wie die vergleichenden experimentellen Studien zeigen. Diese Forschungsergebnisse bieten auch Anlass zum Nachdenken über den Einfluss von Evolution auf unsere Gesundheit im Allgemeinen. Viele Eigenschaften, die für das Überleben vor Tausenden von Jahren vorteilhaft waren, können heute Nachteile bedeuten. So wird vermutet, dass die reduzierte Behaarung den Wärmehaushalt bei frühem Menschen verbessert hat, was unter heißen klimatischen Bedingungen lebenswichtig war, aber aufgrund der geringeren Anzahl an Stammzellen das Risiko einer langsameren Wundheilung in Kauf genommen wurde. Auch die Rolle der sozialen Entwicklung darf nicht unterschätzt werden.
Die komplexen menschlichen Gemeinschaften, in denen Fürsorge und Heilmittel weitergegeben werden konnten, erweiterten die Überlebenschancen trotz biologischer Schwächen. Diese Wechselwirkung von Biologie und Sozialverhalten zeigt, wie eng verwoben unsere Evolution mit unserem Kulturleben ist. Aktuelle Forschungen könnten darüber hinaus zur Entwicklung neuer medizinischer Anwendungen führen. Indem Wissenschaftler die Faktoren entschlüsseln, die die Heilung bei anderen Primaten beschleunigen, eröffnen sich Möglichkeiten, ähnliche Mechanismen beim Menschen zu fördern. Die Nutzung von Stammzellen, gezielte Behandlung des Mikrobioms oder innovative Wundauflagen könnten helfen, den Heilungsprozess zu verbessern und Infektionen sowie Komplikationen zu reduzieren.