Die US-Bankenbranche steht vor einer potenziellen grundlegenden Veränderung ihrer Kapitalanforderungen, die sich insbesondere auf die sogenannten ergänzenden Hebelquotenregeln, im Englischen Supplementary Leverage Ratio (SLR) genannt, bezieht. Diese speziell nach der Finanzkrise von 2007 bis 2009 eingeführte Regelung verpflichtet Banken dazu, Eigenkapital für ihre Vermögenswerte vorzuhalten – und zwar auch für besonders sichere Anlagen wie US-Staatsanleihen. Die Debatte um eine Lockerung dieser Vorschriften hat in den letzten Monaten erheblich an Fahrt aufgenommen, nicht zuletzt wegen der Turbulenzen auf den Treasury-Märkten im April 2025. Experten, Bankenvertreter und Regulierungsbehörden diskutieren intensiv, inwieweit eine zeitgemäße Anpassung dieser Regeln langfristig zur Stärkung der US-Finanzmärkte beitragen kann. Die Bilanz einer solchen Reform könnte weitreichend sein und die Rolle der Banken in den Kapitalmärkten entscheidend verbessern.
Aus ökonomischer Sicht zielt die Überarbeitung der SLR darauf ab, eine Balance zwischen finanzieller Stabilität und wirtschaftlicher Wachstumsförderung zu schaffen. Aktuell sehen sich große Banken mit einer zunehmenden Belastung konfrontiert, da sie Kapital gegen fast alle Vermögenswerte, einschließlich sicheren US-Staatsanleihen, zurücklegen müssen. Dies hat zur Folge, dass ihre Kreditvergabemöglichkeiten eingeschränkt sind, was wiederum die Liquidität und das Funktionieren des Treasury-Marktes beeinträchtigen kann. Die US-Bankenindustrie argumentiert, dass das SLR in seiner jetzigen Form veraltet ist und nicht mehr die aktuellen Marktbedingungen angemessen widerspiegelt. Wie Kevin Fromer, Präsident und CEO des Financial Services Forum, erklärte, behindern die bestehenden kapitalbezogenen Anforderungen sowohl das wirtschaftliche Wachstum als auch die finanzielle Stabilität.
Sie schränken nicht nur die Kreditvergabe ein, sondern mindern auch die Anreize für Banken, ihre Rolle als wichtige Intermediäre im Handel mit Staatsanleihen voll auszuspielen. Die möglichen Vorteile einer Lockerung dieser Regeln umfassen eine höhere Kreditbereitschaft der Banken, die verbesserte Funktionsfähigkeit der US-Treasury-Märkte sowie eine insgesamt gesteigerte Effizienz im Finanzsektor. Weniger Kapitalbindung bei sicheren Anlagen könnte zur Folge haben, dass Banken mehr Liquidität freisetzen und diese für andere profitable Tätigkeiten, darunter die Finanzierung von Unternehmen und Verbrauchern, einsetzen. Dies könnte wiederum zu einem belebten wirtschaftlichen Umfeld beitragen und das Vertrauen der Marktteilnehmer stärken. Die regulatorischen Behörden, namentlich die Federal Reserve, das Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) sowie das Office of the Comptroller of the Currency (OCC), spielen bei dieser Reform eine zentrale Rolle.
Treasury Secretary Scott Bessent hat die Überarbeitung der SLR als „hohe Priorität“ für diese drei Institutionen bezeichnet. Es wird erwartet, dass im Sommer 2025 konkrete Vorschläge für Anpassungen vorgelegt werden könnten. Die Diskussion um die Hebelquotenregeln ist auch ein Spiegelbild der politischen Agenda der aktuellen Regierung, die auf Deregulierung setzt, um das wirtschaftliche Wachstum zu stimulieren. Die US-Bankenbranche hat dieses Vorhaben über Jahre vorangetrieben, um ein regulatorisches Umfeld zu schaffen, das Innovation fördert und gleichzeitig Stabilität gewährleistet. Die Debatte um das SLR zeigt, wie komplex die Balance zwischen Sicherheit und Flexibilität im Bankensystem ist.
Auf der einen Seite sind bestimmte Kapitalpuffer notwendig, um Risiken abzudecken und somit die gesamte Volkswirtschaft zu schützen. Auf der anderen Seite sollten diese Vorschriften nicht so strikt sein, dass sie bankeninterne Aktivitäten einschränken und somit negative Effekte auf die Kreditvergabe und Marktliquidität hervorrufen. Die jüngsten Beschwernisse auf den Treasury-Märkten, die von einem ungewöhnlichen Anstieg der Renditen und der Volatilität begleitet waren, haben verdeutlicht, wie wichtig eine funktionierende Marktwirtschaft für Staatsanleihen ist. Staatspapiere gelten als sicherer Hafen für Investoren und dienen Banken als wichtige Sicherheiten. Wenn jedoch zu hohe Kapitalanforderungen bestehen, könnten Banken zögern, in diesen Markt einzutreten oder größere Positionen zu übernehmen, was zu einem geringeren Angebot und einer insgesamt weniger stabilen Marktstruktur führt.
Die Reaktionen aus dem politischen und wirtschaftlichen Umfeld sind multifaktoriell. Während einige Beobachter eine Lockerung der Hebelvorschriften als notwendig und zeitgemäß ansehen, warnen andere vor möglichen Risiken, die mit einer zu großzügigen Kapitalentlastung verbunden sein könnten. Zu den potentiellen Nachteilen zählen verstärkte Risiken für das Finanzsystem im Falle unerwarteter Marktkrisen sowie die Gefahr, dass durch eine zu starke Kreditvergabe spekulative Blasen begünstigt werden. Ein weiterer Diskussionspunkt betrifft die genaue Ausgestaltung der Reform. Es wird angenommen, dass die Behörden möglicherweise Ausnahmen für besonders sichere Investitionen wie US-Staatsanleihen und bestimmte qualitätsgeprüfte Verbriefungen schaffen werden.
Dadurch könnten Banken gezielt Entlastungen erhalten, ohne dass die Gesamtstabilität beeinträchtigt wird. Die Besonderheit der US-Treasury-Instrumente und ihre Rolle als global anerkannte Risikostandards sind entscheidend für die Bewertung einer solchen Maßnahme. Die Finanzexperten heben hervor, dass klar definierte Kriterien und ein sorgfältiges Monitoring essenziell sein werden, um den Erfolg der Reform zu gewährleisten. Derzeit wird die Diskussion auch in den Gremien des US-Kongresses geführt. Federal Reserve-Chef Jerome Powell hat bereits im Februar 2025 eingeräumt, dass die Hebelanforderungen momentan Banken davon abhalten, eine aktivere Rolle auf dem Treasury-Markt zu spielen, und dass eine Neubewertung der Richtlinien geboten sei.
Dies unterstreicht die regulatorische Bereitschaft, pragmatische Lösungen im Sinne der Marktstabilität und Wirtschaftsentwicklung zu entwickeln. Für Investoren und Marktteilnehmer bedeutet die mögliche Lockerung der SLR einen wichtigen Schritt zu verbesserten Marktbedingungen und erhöhten Handelsaktivitäten. Insbesondere in einem Umfeld steigender Zinsen könnten Banken besser in der Lage sein, Schwankungen abzufedern und Liquiditätsengpässe zu verhindern. Dies wiederum stärkt auch das Vertrauen in den Finanzsektor und dessen Fähigkeit, zentrale Staatsfinanzierungen sicherzustellen. Insgesamt deutet vieles darauf hin, dass die US-Finanzbranche und politische Entscheidungsträger vor einer bedeutenden Anpassung stehen, die das Verhältnis von Regulierung und wirtschaftlicher Freiheit neu definieren könnte.