In der Welt der Smartphone-Kameras gilt seit langem das Prinzip „größer ist besser“. Größere Bildsensoren und Objektive können mehr Licht aufnehmen, was in der Folge zu detailreicheren und qualitativ hochwertigeren Fotos führt. Doch trotz Fortschritten bei der Sensorgröße und optischen Linsen stoßen Smartphone-Hersteller immer noch auf natürliche Grenzen: Die herkömmlichen Farbfilter, die rote, grüne und blaue Lichtanteile trennen und auf Pixel verteilen, blockieren etwa 70 Prozent des einfallenden Lichts. Dieses Dilemma hat Startups und Forschungsteams dazu veranlasst, neue Wege zu suchen, um Farbabbildungen zu ermöglichen, ohne dabei wertvolle Lichtmenge zu verlieren. Die daraus entstehenden Technologien versprechen, die Bildqualität von Handykameras insbesondere bei schlechten Lichtverhältnissen deutlich zu steigern.
Zwei vielversprechende Startups, Eyeo und PxE Holographic Imaging, haben sich diesem Thema angenommen. Sie entwickeln filterfreie CMOS-Sensoren, die das volle Potenzial der eintreffenden Photonen nutzen, ohne sie durch herkömmliche Farbfilter zurückzuhalten. Das führt zu weitaus sensibleren Sensoren mit neuer Bildqualität und zusätzlichen Funktionen wie Tiefensinn. Die klassische Methode der Farbbildgebung bei Digitalkameras basiert auf Farbfiltern, die als sogenannter Bayer-Filter über einzelne Sensorpixel gelegt werden. Diese Filter selektieren Lichtwellenlängen in Rot, Grün und Blau, sodass jeder Pixel nur für eine Farbe empfänglich ist.
Die Umwandlung der Lichtinformationen in Farbe erfolgt sozusagen durch die Filterung. Dieses methodische Prinzip wurde vor Jahrzehnten entwickelt und ist trotz zahlloser Weiterentwicklungen weiterhin Standard in Kamerasensoren. Allerdings hat es den entscheidenden Nachteil, dass dabei ein großer Teil der eintreffenden Photonen aufgrund der Filterung nicht genutzt wird und in anderen Technologien verloren geht. In der Praxis bedeutet dies, dass die Lichtausbeute und somit die Bildqualität – speziell bei schlechten Beleuchtungsverhältnissen – eingeschränkt ist. Die junge Firma Eyeo, ein Spin-off des renommierten Forschungsinstituts Imec, präsentiert einen radikalen Ansatz zur Lösung dieses Problems: Anstatt Farbfilter einzusetzen, lenkt Eyeo Licht mit Hilfe von vertikalen Wellenleitern.
Diese erzeugen eine spektroskopische Trennung des Lichts und leiten verschiedene Wellenlängen präzise zu den jeweils passenden Pixeln. Das Ergebnis ist ein hochsensibler, filterfreier Bildsensor, der etwa dreimal empfindlicher als herkömmliche CMOS-Sensoren arbeitet. Zusätzlich kann die Größe der Pixel durch diese Technologie auf unter 0,5 Mikrometer reduziert werden, was innovative kompakte Kamera-Designs ermöglicht. Die Methode orientiert sich an der Farbwahrnehmung des menschlichen Auges und führt damit zu einer natürlicheren und realistischeren Farbdarstellung. Eine weitere Besonderheit ist, dass Eyeos Sensor mit bereits etablierten CMOS-Fertigungsverfahren kompatibel ist, sodass eine massentaugliche Produktion denkbar ist.
Die filterfreien Sensoren von Eyeo eröffnen nicht nur Vorteile für Smartphone-Kameras mit besserer Nachtfotografie und gestochen scharfen Bildern, sondern bieten auch Potenzial in Sicherheitsanwendungen, wo bei geringem Licht hochwertige Bilddaten essentiell sind. Ebenso sind Augmented-Reality-Geräte Anwärter für erste Einsatzgebiete, da deren Sensoren besonders kompakt sein müssen, jedoch eine hohe Bildqualität erfordern. Der CEO von Eyeo, Jeroen Hoet, betont, dass die größte Herausforderung aktuell in der softwareseitigen Integration liegt, um die neuen Sensordaten optimal zu verarbeiten und mit bestehenden Kamerasystemen kompatibel zu machen. Parallel dazu zeigt PxE Holographic Imaging mit Sitz in Israel eine andere, aber ebenso innovative Technik, die zusätzlich einen Schritt weiter geht: Neben hochwertiger Farbbildgewinnung ermöglichen sie auch die Erfassung von Tiefeninformation, sprich 3D-Daten, mit einem einzigen CMOS-Sensor. Das zentrale Element in PxEs Technologie ist eine Schicht aus diffraktivem Material, die sogenannte „Holocoder“.
Sie verändert das einfallende Licht und erzeugt ein interferierendes Muster, das auf dem Sensor aufgezeichnet wird. Diese aufgezeichneten Interferenzmuster enthalten sowohl Farb- als auch Tiefeninformationen. Mithilfe spezieller Algorithmen kann daraus sowohl ein hochauflösendes Farbbild als auch ein dreidimensionales Modell der Szene rekonstruiert werden. Anders als bei klassischen Sensoren oder Systemen mit getrennten Tiefensensoren (wie Time-of-Flight), erlaubt dieses Verfahren eine kompakte und energetisch effiziente Lösung, die in vielen Anwendungsszenarien neue Einblicke ermöglicht. Das holografische Prinzip hinter PxE basiert auf physikalischen Lichtwellen und deren Welleneigenschaften und wird durch intelligente Software quasi rückwärts losgelöst vom Sensor interpretiert.
Yoav Berlatzky, Gründer und CEO von PxE, hebt hervor, dass die verwendete Hardware „weniger exotisch“ sei als andere Ansätze, die etwa auf komplexen Metasurfaces basieren, und dass das Kernstück die Algorithmen sind, die die physikalischen Lichtinformationen auswerten. Dies macht die Technologie auch für den Massenmarkt vielversprechend. Anwendungen finden sich insbesondere in Smartphones, wo Tiefensensorik immer wichtiger wird, aber auch in Automobilen und AR/VR-Headsets, die bereits Armbänder verschiedener Sensoren nutzen, die durch die Ein-Sensor-Lösung ersetzt werden könnten. Auch der Technologieriese Samsung investiert in verbesserte Lichtausbeute in Sensoren und verwendet sogenannte Nano-Prismen, die wie kleine Beugungsgitter wirken und das Licht effizienter zu den jeweiligen Farbpixeln lenken. Zwar handelt es sich hierbei nicht um eine filterfreie Lösung, doch steigert die Nano-Prismen-Technologie die Lichtempfindlichkeit um bis zu 25 Prozent, was vor allem in der Frontkamera von Xiaomi-Handys eingesetzt wird.
Gemeinsam ist diesen Ansätzen, dass sie die Grenzen traditioneller Bildsensoren überwinden möchten. Branchenexperten bestätigen, dass CMOS-Sensoren derzeit die breiteste Plattform darstellen, auf der sich Neuheiten am besten realisieren lassen, weil sie in praktisch jedem elektronischen Gerät integriert sind und ihre Fertigung gut etabliert ist. Startups wie Eyeo und PxE setzen auf innovative optische und elektronische Prinzipien, die mit bestehenden Fertigungsanlagen kompatibel sind, um schneller und mit geringeren Kosten in den Markt zu gelangen. Die Zukunft der Smartphone-Fotografie könnte demnach nicht nur durch größere Sensoren und bessere Linsen geprägt sein, sondern durch völlig neue Wege der Lichtmanipulation und Datenverarbeitung. Dank der filterfreien Bildaufnahme und holografischen 3D-Technologien ist damit zu rechnen, dass Handykameras in wenigen Jahren nicht nur bei Tageslicht, sondern vor allem bei Dämmerung und Nachtaufnahmen deutlich besser werden.
Auf dem Weg dorthin gilt es allerdings auf Seiten der Softwareentwicklung noch große Herausforderungen zu bewältigen. Die neuen Sensoren produzieren deutlich komplexere Bilddaten, die spezielle Algorithmen zur Bildrekonstruktion, Rauschunterdrückung und Farbkalibrierung benötigen. Dies erfordert eng abgestimmte Zusammenarbeit zwischen Sensorherstellern, Smartphone-Designern und Softwareentwicklern. Im Gesamtkontext des Kameramarkts wurden auf der International Electron Device Meeting 2023 (IEDM) mehrere zukunftsweisende Wege zu schärferen Bildern vorgestellt, zu denen die filterfreie Farbbildgebung und integrierte Tiefensensorik gehören. Die erfolgreiche Finanzierung der Startups zeigt das große Interesse der Industrie an diesem Thema.