Die Raumfahrtwelt blickt gespannt auf SpaceX und sein ambitioniertes Projekt Starship. Das Raumschiff, das als vollständig wiederverwendbarer Orbitaltransporter konzipiert ist, soll in den kommenden Jahren den Grundstein für interplanetare Reisen legen – allen voran menschliche Missionen zum Mars. In einem aktuellen Interview mit dem Space-Redakteur Eric Berger von Ars Technica hat Elon Musk, CEO von SpaceX, über den Stand der Technik und insbesondere über die Herausforderungen im Motorenbereich von Starship gesprochen. Er beschreibt, dass das Team eine etwa 80-prozentige Chance sieht, die anhaltenden Probleme im sogenannten „Engine Bay“ gelöst zu haben – ein bedeutender Schritt für die Zuverlässigkeit und Sicherheit der kommenden Flüge. Die Motoren von Starship, speziell die Raptor-Triebwerke, sind das Herzstück der Rakete.
Sie müssen extremen Belastungen standhalten, darunter Temperaturen, enorme Kräfte und die Komplexität der Flüssigtreibstoffverbrennung. Die letzten zwei Testflüge zwischen Booster und Oberstufe scheiterten an Problemen, die auf den Motorenbereich zurückzuführen sind. Musk erklärt, dass die Ursache der Schäden auf gelockerte Bolzen zurückzuführen war, die die Schubkammer mit dem Injektor verbinden. Die Folge war ein ungewolltes Austreten und das Gemisch von Treibstoff und Sauerstoff an einer falschen Stelle, was schließlich zu Explosionen führte. Dieses mechanische Problem wurde entdeckt und gezielt adressiert.
Schon nach dem ersten Testfeuer sah das SpaceX-Team, dass einige Bolzen sich während des Betriebs lockerten. Dieses historische Lernmaßnahme führte dazu, dass die Befestigungen besser gesichert wurden, um ein erneutes Lockern zu verhindern. Dieses scheinbar kleine Detail hat jedoch weitreichende Konsequenzen für die Sicherheit und Erfolgschancen der Missionen. Elon Musk ist daher zuversichtlich: Eine 80-prozentige Chance auf Lösung bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, die technischen Probleme nachhaltig zu beseitigen. Doch Musk betont auch, dass eine vollständige Sicherheit, also eine 100-prozentige Lösung, nur mit einer weiteren Designiteration der Triebwerke erreicht werden kann.
Diese soll im Nachgang erfolgen. Der Entwicklungsprozess bei SpaceX ist von schnellen Iterationen geprägt, bei denen Daten von jedem Flug gesammelt und analysiert werden, um Verbesserungen unmittelbar einzubauen. Ein wichtiger weiterer Faktor aktuell sind die Hitzeschutzfliesen, die beim Wiedereintritt der oberen Starship-Stufe kritische Bedingungen aushalten müssen. Musk erwähnt, dass das beste Verständnis über die Materialbeschaffenheit, Befestigungsarten und die Auswirkungen auf die Fliesen während des atmosphärischen Wiedereintritts gewonnen wird. Bereits jetzt werden verschiedene Beschichtungen, Montage- und Herstellungstechniken ausprobiert.
All diese Experimente sind darauf ausgerichtet, die langfristige Haltbarkeit und Wiederverwendbarkeit zu gewährleisten. Ein Durchbruch bei den Triebwerken steht mit der Einführung der Raptor 3-Generation bevor. Diese sollen noch robuster und effizienter sein. Eine Besonderheit bei der Weiterentwicklung ist, dass der Bereich um die Schubkammer und Turbopumpe keine Wärmeschutzabdeckung mehr benötigt, was die Konstruktion vereinfacht und die Wartbarkeit verbessert. Das Design ist dadurch „nackter“ und ohne unnötige Sekundärstrukturen, was auch eine höhere Zuverlässigkeit verspricht, da weniger Komponenten durch extremen Hitzeeinfluss beschädigt werden können.
Starship selbst ist mehr als nur ein Raketenbauerzeugnis für SpaceX. Es wird als Schlüsseltechnologie vor allem für interplanetare Missionen angesehen, insbesondere für die koloniale Besiedlung des Mars. Elon Musk vergleicht Starship mit der Eisenbahnlinie Union Pacific, die Kalifornien im 19. Jahrhundert erschloss und zur Entstehung von wirtschaftlichen Zentren wie Silicon Valley und Hollywood führte. Das Raumschiff soll eine ähnliche Rolle im Weltraum einnehmen, indem es einen zuverlässigen, wiederverwendbaren und vergleichsweise kostengünstigen Transportweg schafft.
Darüber hinaus hat SpaceX durch den Boom von Starlink, einem Satelliteninternetprojekt, großen Einfluss gewonnen. Starlink liefert weltweit Breitbandinternet, auch in abgelegenen Regionen und Katastrophengebieten, wie während eines Hurrikans. Für Starship hingegen liegt der Fokus auf Raumfahrt und Mars, was Musk als die größte Wette der kommenden Dekade beschreibt. Ein entscheidendes Ziel ist die vollständige Wiederverwendbarkeit. Derzeit sind wiederverwendbare Booster bei Falcon 9 einschlägig erprobt, aber die Wiederverwendung der gesamten Starship-Stufe inklusive Oberstufe ist neu und revolutionär.
Sie ermöglicht theoretisch nahezu sofortige Wiederstarts nach einer Landung – viel schneller und kostengünstiger als bisherige Systeme, bei denen die Raketen nach der Landung auf einem Drohnenschiff manuell geborgen und über Tage Instand gesetzt werden müssen. Ebenfalls interessant ist, dass Musk die NASA-Mondmission Artemis kritisch sieht. Er wünscht sich ambitioniertere Ziele für das US-Weltraumprogramm, die über die derzeitige Rückkehr zum Mond hinausgehen und die Mars-Mission in den Vordergrund stellen. Aus seiner Sicht ist die bemannte Marsmission das Ziel, das die USA und private Unternehmen wie SpaceX in den kommenden Jahren verfolgen sollten. In der Vergangenheit war Musk selbst skeptisch, ob Starship und Starlink Erfolg haben würden – er nannte als Mindestziel, nicht bankrottzugehen.