Die Welt der Videospiel-Erhaltung befindet sich aktuell in einer kritischen Phase, speziell in Japan. Dort operiert die Japanese Game Preservation Society (GPS), eine gemeinnützige Organisation, die seit 2011 unerlässlich an der Bewahrung der japanischen Gaming-Historie arbeitet. Doch die Zukunft der Organisation steht auf der Kippe. Finanzielle Engpässe, administrative Hürden und gesetzliche Restriktionen könnten das Ende einer der wichtigsten Kräfte im Bereich der Videospiel-Archivierung bedeuten. Die GPS wurde von Joseph Redon gegründet, der mit großer Leidenschaft und Eigeninitiative die dringend benötigte Arbeit leistet, japanische Medien und Spiele, darunter auch fragile Datenträger wie Disketten, vor dem Verfall zu retten.
Es handelt sich dabei nicht nur um Spiele, sondern auch um Zeitschriften, Bücher und andere zeitgeschichtliche Dokumente rund um die interaktive Unterhaltung. Trotz der Unterstützung prominenter Branchen-Persönlichkeiten wie Tomohiro Nishikado, dem Schöpfer von Space Invaders, oder Yuzo Koshiro, Komponist legendärer Spiele-Soundtracks, befindet sich die Organisation derzeit in einem akuten finanziellen Notstand. Der Geldmangel ist so ernst, dass die Organisation laut eigenen Angaben im September 2025 zahlungsunfähig sein wird, wenn sich nichts ändert. Mit derzeit lediglich rund 2.100 Pfund (ca.
2.800 US-Dollar) auf dem Konto reicht das Geld nicht einmal aus, um die monatliche Miete für die Geschäftsräume zu decken. Joseph Redon selbst trägt pro Monat ein Viertel der Miete aus eigener Tasche und hat das über viele Jahre hinweg getan. Die fehlenden Einnahmen führen zu einem Minus von mehreren hundert Pfund im Monat, das angesichts der laufenden Kosten und dem Aufwand für Erhaltungsarbeiten nicht nachhaltig ist. Die Crux der Sache liegt nicht nur bei der Finanzierung, sondern auch bei der speziellen Ausgestaltung der Organisation.
Die Japanische Gesetzgebung erschwert die Arbeit erheblich. Subventionen des Staates können zwar Gehälter abdecken, nicht jedoch Kosten für Miete, Technik, Transport oder Steuern. Das bedeutet, dass die Organisation Fördermittel nur dann nutzen kann, wenn sie vorher eigene Mittel aufwendet, um die Voraussetzungen zu erfüllen. Durch die derzeit herrschende finanzielle Situation ist die GPS aber nicht mehr in der Lage, diese Vorleistungen zu erbringen, wodurch Kommune und Staat die Förderungen entziehen. Ein weiteres großes Problem ist die eingeschränkte Möglichkeit, das gewaltige Archiv mit der Öffentlichkeit zu teilen.
Aufgrund japanischer Urheberrechtsgesetze darf die GPS gesammelte ROMs und digitale Kopien nicht verbreiten, was Nutzer und potenzielle Unterstützer enttäuscht zurücklässt. Im direkten Vergleich zur westlichen Organisation, The Video Game History Foundation (VGHF), zeigt sich ein großer Unterschied: Die VGHF verfügt über bessere finanzielle Ressourcen, Zugang zu internationalen Bibliotheken wie dem Internet Archive und mehr Freiheit im Umgang mit digitalem Material, sodass ihre Arbeit sichtbarer und zugänglicher ist. Diese Einschränkungen führten auch zu Kritik und gar zum Hass einiger Mitglieder der Retro-Community, die sich wegen der fehlenden ROM-Freigabe im Netz echauffierten. Die GPS wurde Ziel von Angriffen, darunter DDoS-Attacken, während sie gleichzeitig ohne ausreichende Öffentlichkeitsarbeit kämpft. Die mangelnde Verbreitung wird noch durch veraltete Kommunikationswege verstärkt – so werden Neuigkeiten oft nur als PDF-Newsletter angeboten, die schwer zugänglich sind und kaum Aufmerksamkeit generieren.
Die fehlende Nutzung von modernen Plattformen und Crowdfunding-Optionen erschwert es der GPS, neue Unterstützer zu gewinnen. Trotz allem hat die GPS beachtliche Erfolge vorzuweisen. Die Organisation hat tausende Spiele, insbesondere seltene japanische Titel, digital archiviert – darunter mehr als 7.500 Exemplare allein zwischen Juli 2024 und Februar 2025. Spezialprojekte, wie die Archivierung von Mobiltelefonspielen aus der i-Mode-Ära, wären ohne die GPS kaum denkbar gewesen.
Sie haben zudem einzigartige Dokumentationen und Interviews mit renommierten Entwicklern produziert, die einen unschätzbaren Einblick in die Geschichte der japanischen Spieleindustrie geben. Die Dringlichkeit ihres Wirkens wird am stärksten durch die schwindende Haltbarkeit der Datenträger verdeutlicht. Viele der physischen Medien, vor allem Disketten, funktionieren inzwischen weit über ihre Üblichkeit hinaus. Ohne proaktives Handeln droht einem immensen kulturellen Schatz der Verlust, der nicht wiederherstellbar wäre. Japanische Spiele und ihre Geschichte zu bewahren, bedeutet damit weit mehr als nur die Sicherung von Spielen: Es geht um den Erhalt kultureller Erinnerung und technischer Innovationen, die eine ganze Branche geprägt haben.
Die GPS sucht momentan dringend nach einem strategischen Wandel und nach Unterstützung – sowohl finanziell als auch personell. Nach Einschätzung von Joseph Redon könnten bereits kleine monatliche Beiträge zahlreicher Unterstützer das Überleben der Organisation sichern. Die Vision ist klar: Rund 400 neue Mitglieder mit minimalen Spenden würden ausreichen, um den Betrieb zu gewährleisten. Darüber hinaus sind Menschen mit Kenntnissen im Bereich Kommunikation, Crowdfunding, Sozialen Medien und Öffentlichkeitsarbeit willkommen, um das Image der GPS zu modernisieren und international bekannter zu machen. Vertiefte Zusammenarbeit mit globalen Partnern wird ebenfalls als Schlüssel zur Rettung angesehen.
Dennoch wird eine Abhängigkeit von Großkonzernen abgelehnt, da dies die Unabhängigkeit und Neutralität der GPS gefährden könnte. Sach- und Geldspenden von Unternehmen wären durchaus akzeptabel, solange die Organisation eigenständig über die Archivierung und Zugänglichkeit bestimmen kann. Die japanische Gesellschaft selbst steht dem Thema Spielkultur-Erhaltung ambivalent gegenüber. Kulturelle Werte wie „mono no aware“ – das Bewusstsein für die Vergänglichkeit aller Dinge – prägen eine eher gelassene Haltung gegenüber dem Verlust alter Medien. Dies erschwert die Etablierung eines Bewusstseins für den Wert der Bewahrung bei Publikum und Politik.
Gleichzeitig zeigt sich die Gaming-Branche oft wenig motiviert, eigene Archive öffentlich zugänglich zu machen, zumal kommerzielle Interessen im Vordergrund stehen. In Anbetracht all dieser Umstände liegt die Zukunft der Japanese Game Preservation Society in der Schwebe. Die Organisation könnte in wenigen Monaten endgültig geschlossen werden, was einen erheblichen Verlust für die Videospielkultur und die Archivistengemeinschaft weltweit bedeuten würde. Um das zu verhindern, sind erneut Kooperation, Aufklärung und Engagement gefragt. Für Liebhaber, Historiker und Gamer bedeutet es, mehr Bewusstsein für die Problematik der Spielarchivierung in Japan zu schaffen.
Das Teilen von Inhalten, das Fördern von Diskussionen in sozialen Netzwerken und das Anlocken von Freiwilligen mit modernen Fähigkeiten könnten helfen, den Fortbestand zu sichern. Gleichzeitig bedarf es einer politischen Veränderung, die das Urheberrecht reformiert und die Erhaltung veralteter Medien erleichtert. Die Arbeit der GPS ist ein Paradebeispiel dafür, wie komplex und kostspielig digitale Kulturerhaltung sein kann. Ohne sie droht großen Teilen der japanischen Videospielgeschichte das endgültige Vergessen. Gleichzeitig bietet die Krise eine Chance zur Reflexion über die Methode der Archivierung, die notwendige Professionalisierung und die Balance zwischen Recht und Zugänglichkeit.
Nur durch den gemeinsamen Einsatz von Community, Politik und Industrie kann das kulturelle Erbe der Videospiele auch für künftige Generationen erhalten bleiben.