Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat in den letzten Monaten für gehöriges Aufsehen gesorgt, indem sie als erste große Zentralbank die Zinssätze gesenkt hat. Diese Entscheidung war eine Reaktion auf den Rückgang der Inflation, die sich nun wieder in dem von der SNB angestrebten Zielkorridor befindet. In Anbetracht der aktuellen wirtschaftlichen Lage in der Schweiz stellen sich viele Anleger und Ökonomen die Frage: Wie tief kann die SNB die Zinsen noch senken? Ein Blick auf die aktuellen Inflationsdaten zeigt, dass die Schweiz im Vergleich zu vielen anderen großen Volkswirtschaften eine mildere Inflationsrate aufweist. Laut den jüngsten Erhebungen lag die Gesamtinflation im August 2024 bei nur 1,3 Prozent, wobei die höheren Wohnungskosten den Haupttreiber bildeten. Wenn man die Mieten außen vor lässt, sank die Inflation sogar auf 0,8 Prozent.
Dies deutet darauf hin, dass die zugrunde liegenden Preise möglicherweise weiter im Rückgang begriffen sind. Analysten von Alpine Macro haben bereits gewarnt, dass es durchaus möglich ist, dass die Gesamtinflation unter 1 Prozent fallen könnte. Die SNB reagierte auf den rasanten Rückgang der Inflation, indem sie die Zinssätze senkte. Im Gegensatz zu anderen Ländern, die mit einer hartnäckig anhaltenden Inflation kämpfen, ist die SNB zunehmend besorgt über die Möglichkeit einer zu niedrigen Inflation, die die wirtschaftliche Stabilität gefährden könnte. Diese Besorgnis wird durch das langsame Wirtschaftswachstum in der Schweiz und die steigende Arbeitslosigkeit verstärkt.
Die wirtschaftlichen Aussichten für die Schweiz sind düster, mehrere Indikatoren deuten auf eine Phase des schwachen Wachstums hin. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) liegt nach wie vor unter der kritischen Marke von 50, was darauf hinweist, dass sich das langsame Wachstum fortsetzen dürfte. Gleichzeitig signalisiert der Beschäftigungs-PMI, dass der Arbeitsmarkt sich abkühlt, und die Arbeitslosigkeit voraussichtlich steigen wird. Diese Kombination aus niedriger Inflation und schwachem Wirtschaftswachstum könnte die SNB dazu drängen, ihre Geldpolitik weiter zu lockern. Ein weiteres Problem, das die Inflation in der Schweiz drückt, ist das langsame Lohnwachstum, insbesondere im Dienstleistungssektor.
Dienstleistungen, die Mieten ausschließen, machen einen großen Teil des Verbraucherpreisindex (CPI) aus. Eine Schwäche in diesem Sektor könnte die Gesamtinflation weiter senken und die SNB zu aggressiveren Zinssenkungen zwingen. Der Markt erwartet von der SNB, dass sie die Zinssätze bis Mitte 2025 auf etwa 0,5 Prozent senken wird. Manche Experten glauben jedoch, dass diese Erwartung zu konservativ sein könnte. Sollte die Inflation weiter fallen, könnte die SNB gezwungen sein, die Zinsen sogar auf null zu senken.
Dies würde bedeuten, dass der reale Zinssatz bei -0,5 Prozent läge, wenn man die sinkende Inflation berücksichtigt, die möglicherweise auf 0,5 Prozent fällt. Der ehemalige SNB-Präsident Thomas Jordan hat in der Vergangenheit bereits angedeutet, dass der neutrale reale Leitzins nahe null liegt. Fällt die Inflation unter das Ziel der SNB, könnte die Zentralbank gezwungen sein, eine stimulierende Geldpolitik umzusetzen, indem sie die Zinsen unter das neutrale Niveau senkt. Geben die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dies her, könnte die SNB sogar eine Nullzinspolitik einführen, um den deflationären Kräften entgegenzuwirken. Die Beobachtungen von Alpine Macro legen nahe, dass Investoren, die Schweizer Anleihen halten, in Erwägung ziehen sollten, eine längere Laufzeit beizubehalten, um möglicherweise von steigenden Anleihepreisen zu profitieren, falls die SNB die Zinsen auf null senkt.
Für globale Anleiheportfolios könnte es jedoch ratsam sein, die Allokation in Schweizer Anleihen leicht zu reduzieren. Andere Zentralbanken könnten über mehr Spielraum verfügen, um die Zinsen zu senken, was potenziell eine größere Aufwärtsdynamik verspricht. Zudem könnten die schmaler werdenden Zinsdifferenzen den Schweizer Franken stärken, was darauf hindeutet, dass globale Anleiheinvestoren die Absicherung ihrer FX-Exposition gegenüber dem Franken vermeiden sollten. Die wirtschaftliche Situation der Schweiz könnte auch Hinweise auf mögliche Entwicklungen in anderen G10-Volkswirtschaften geben, in denen unerwartete negative Inflationsüberraschungen die Zentralbanken dazu zwingen könnten, ihre Geldpolitik zu überdenken. Die Frage bleibt, wie tief die SNB tatsächlich gehen kann.
Während die Finanzmärkte eine Zinssenkung auf 0,5 Prozent als möglich erachten, könnte die Realität noch drastischer sein. Ein Nullzins wäre nicht nur ein Zeichen für eine verzweifelte staatliche Intervention, sondern würde auch die strukturellen Herausforderungen der Schweizer Wirtschaft widerspiegeln. Die Herausforderungen, vor denen die SNB steht, sind vielschichtig. Das Land ist bekannt für seine stabile Währung und sein robustes Bankensystem, aber die sinkende Inflation und die schwache Wirtschaft könnten dazu führen, dass diese Stabilität auf die Probe gestellt wird. Analysten befürchten, dass eine aggressivere Geldpolitik, die durch weiter sinkende Zinsen geprägt ist, nicht nur die Bankpolitik, sondern auch die Verbrauchervertrauen und letztlich das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen könnte.