Die Geschichte der Luftfahrt ist geprägt von visionären Projekten, gewagten Innovationen und dem Streben nach immer höheren Geschwindigkeiten. Unter diesen faszinierenden Geschichten findet sich der RP-4, ein besonders außergewöhnliches Flugzeug, das auf den ersten Blick radikal und futuristisch wirkt. Entwickelt von David Rose, einem erfahrenen Piloten und Luftfahrtenthusiasten, sollte der RP-4 zum schnellsten kolbenmotorbetriebenen Flugzeug werden – doch obwohl es gebaut wurde, gelang dem RP-4 die erste und einzige Flugstunde nie. Was macht dieses Flugzeug so besonders, und warum blieb es am Boden? Die Antworten geben Einblicke in eine einzigartige Konstruktion, die von ungeheurer Leistungsstärke geprägt war und dennoch den Realitäten der Technik und Regelwerke zuwiderlief. David Rose war kein Unbekannter in der Luftfahrtwelt.
Mit einem Erfahrungsschatz von über 2.500 Flugstunden bei der Air Force und zahlreichen Erfolgen bei Luftrennveranstaltungen erwarb er sich einen Namen, der für Geschwindigkeit und Präzision steht. Sein Sport-Biplane gewann vier Goldmedaillen bei den National Air Races in Reno, Nevada. Doch Roses Ambitionen gingen weit darüber hinaus. Inspiriert von NASA’s Mach-Buster-Prototyp, einem Pionierversuch, eine Kolbenmotor-Propellermaschine zur Überschallgeschwindigkeit zu bringen, begann Rose 2005 mit der Entwicklung seines eigenen Konzepts – des RP-4.
Das Flugzeug stellte eine technische Meisterleistung dar, die gleich mit zwei 600 Kubikzoll großen V8-Motoren ausgestattet war. Jeder Motor konnte theoretisch 2.700 PS leisten, und zusammen hätte die Leistung auf beeindruckende 5.400 PS ansteigen können. Allerdings gingen diese Kräfte auf Kosten der Strukturstabilität, sodass die Motorleistung gedrosselt wurde – dennoch sollte genug Leistung zur Verfügung stehen, um beim Rennen eine Geschwindigkeit von über 600 mph (ca.
960 km/h) zu erreichen. Die Antriebskonfiguration war ungewöhnlich und gleichzeitig innovativ. Zwei Motoren wurden hintereinander in Tandem-Anordnung installiert, wobei jeder Motor eine eigene vierblättrige Propellerschraube antrieb, die gegenläufig rotierte. Dieses Konstruktionselement sorgte für eine bessere Effizienz bei hohen Drehzahlen und reduzierte das Drehmoment, das auf das Flugzeug wirkte. Überraschend war auch die Wahl der Propellerblätter: Sie bestanden aus 84 Lagen Carbonfasern, was ihnen enorme Stabilität bei gleichzeitig niedrigem Gewicht verlieh.
Die Propeller basierten auf NASA-Technologie, die ursprünglich für ungebremste Fan-Systeme (Unducted Fan) entwickelt wurde – ein Indiz für Rosaes kompromisslose Ausrichtung auf High-Tech und Leistungsfähigkeit. Die aerodynamische Gestaltung des RP-4 war ebenso ausgereift. Die schlanke Rumpffläche wurde aus hochfestem Chrom-Molybdän-Legierungsstahlrohr verschweißt und mit dünnen Aluminiumplatten verkleidet. Das Ergebnis war ein Flugzeug mit einem Durchmesser von nur 31 Zoll (ca. 78 cm), das auf seine Effizienz getrimmt war.
Besonderheit war auch die Canopy aus Plexiglas, die an der höchsten Stelle um 12 Zoll (30 cm) ausbeulte, um perfekte Sichtbedingungen für den Piloten zu gewährleisten. Ein weiteres innovatives Element war das Kühlsystem. Angesichts der riesigen Wärmemengen, die von den Hochleistungsmotoren erzeugt wurden, griff Rose zu einer genialen Lösung: Die Tragflächen wurden als Radiatoren genutzt. Durch 200 Fuß (ca. 61 Meter) Rohrleitungen floss Kühlwasser in einem Wasservolumen von 50 Gallonen (rund 190 Liter), um die Temperatur konstant zu halten.
Dabei waren die Flügel nur drei Zoll (7,6 cm) dick – eine technische Herausforderung, wenn man an die Belastungen denkt, die bei hohen Geschwindigkeiten und Kräften auftreten. Trotzdem konnte die Struktur solch extremen Verhältnissen standhalten und damit die aerodynamische Effizienz auf einem perfekten Niveau halten. Mit einer Länge von 28 Fuß (8,5 Meter) und einer Spannweite von nur 20 Fuß (6,1 Meter) passte das Flugzeug gut in die Klasse der Unlimited Air Racers, bekannt für ihre unglaublichen Geschwindigkeiten und herausfordernden Rennen. Die Gesamtfläche der Tragflächen betrug 58 Quadratfuß (5,4 Quadratmeter) – ein sehr geringes Flächenverhältnis für derartige Renndynamik. Das Gewicht war ebenfalls sorgsam optimiert.
Anfangs wog das Flugzeug weniger als 4.600 Pfund (2.090 Kilogramm), was 100 Pfund unter der Mindestanforderung lag. Die Füllung der Tragflächen mit Wasser als Ballast brachte knapp 400 Pfund (190 Kilogramm) zusätzliches Gewicht, womit die Regularien erfüllt wurden. Das Flugzeug trug zudem nur 100 Gallonen (ca.
380 Liter) hochwertigen 110-Oktan-Kraftstoff auf, obwohl die Motoren in einer Stunde 145 Gallonen (rund 550 Liter) verbrauchen würden. Diese Kapazität war für die Mindestflugzeit von acht Minuten ausreichend, die notwendig gewesen wäre, um offiziell als Rekordversuch anerkannt zu werden. Trotz aller Innovationen und Leistungsversprechen konnte das RP-4 nie abheben. Die Gründe dafür liegen zum einen in der veränderten Reglementierung der Reno Air Racing Association im Jahr 2011. Nach einem tragischen Vorfall bei einer Luftshow wurden die Regularien so geändert, dass der RP-4 nicht mehr für Wettbewerbe zugelassen war.
Zum anderen waren technische Risiken und der enorme Wartungsaufwand für ein Eigenbauprojekt dieser Größenordnung und Leistung kaum zu bewältigen. Die Tatsache, dass es neben zwei V8-Motoren und einer besonders leichten aber starken Konstruktion auch Hochleistungstechnik wie karbonfaserverstärkte Propeller und gekühlte Tragflächen im Renndesign vereinte, machte das Flugzeug zu einem spektakulären Experiment. David Rose hatte vor, mit dem RP-4 die Geschwindigkeitsgrenze von 528 mph (850 km/h), dem bisherigen Rekord für Kolbenmotorflugzeuge, deutlich zu überschreiten – eine spannende Herausforderung, die den Pioniergeist der Luftfahrtgeschichte weitertragen sollte. Auch wenn der RP-4 nie flog, zeigt das Projekt die Grenzen und Möglichkeiten der Kolbenmotor-Luftfahrt bestens auf. Es ist eine Hommage an die Ingenieurskunst, die Leidenschaft von Piloten und die Visionen von Erfindern, die trotz widriger Umstände weiter an perfekten Maschinen arbeiten.
Die Geschichte des RP-4 steht als Beispiel für Mut und Innovation, aber auch für die Unwägbarkeiten im Hochgeschwindigkeitsflug – ein Kapitel, das nicht vergessen werden sollte und noch heute Luftfahrtbegeisterte weltweit fasziniert.