Kraft Heinz, eine der prominentesten Beteiligungen im Portfolio von Warren Buffett und Berkshire Hathaway, ist vielen Anlegern wohlbekannt. Das Unternehmen steht für bekannte Marken wie Kraft, Heinz, Oscar Mayer, Philadelphia Cream Cheese, Kool-Aid und Jell-O – allesamt Namen, die seit Jahrzehnten in Haushalten weltweit vertreten sind. Auf den ersten Blick sieht Kraft Heinz aufgrund einer hohen Dividendenrendite und einer vergleichsweise niedrigen Bewertung wie eine lohnende Investmentchance aus. Doch trotz dieses verlockenden äußeren Scheins ist Vorsicht geboten. Die letzten zehn Jahre zeigten, dass Kraft Heinz für Berkshire Hathaway eher eine Enttäuschung war, was viele Investoren zum Nachdenken bringen sollte.
Warum also ist diese Beteiligung trotz hoher Dividendenrendite weniger attraktiv als scheinbar geplant? Und welche Aspekte sprechen dagegen, gerade jetzt einzusteigen? Die Beziehung zwischen Bewertung und tatsächlicher Unternehmensleistung ist ein zentrales Element, das Anleger immer wieder vor große Herausforderungen stellt. Kraft Heinz wird aktuell zu einem Kurs von etwa 28 US-Dollar je Aktie gehandelt, bei einem prognostizierten Gewinn für 2025 von rund 2,61 US-Dollar pro Aktie. Daraus ergibt sich ein Preis-Gewinn-Verhältnis von etwa 10,5, was auf den ersten Blick als günstig gilt. Hinzu kommt eine Dividendenrendite von knapp 5,7 Prozent – eine beeindruckende Zahl in Zeiten niedriger Zinsen, die viele Investoren anzieht. Dennoch offenbart ein tieferer Blick auf die Zahlen und das Unternehmensumfeld ein viel ernüchternderes Bild.
Der Begriff „Value Trap“ beschreibt genau diese Art von Situation, in der eine vermeintlich günstig bewertete Aktie sich als langfristig schlechte Investition entpuppt. Kraft Heinz ist ein klassisches Beispiel. Anstatt eine Expansion oder eine nachhaltige Verbesserung der Ertragslage zu erzielen, hat das Unternehmen in den letzten Jahren eher Stillstand und Rückschläge erlebt. Die signifikante Kursrückentwicklung von 67 Prozent in den vergangenen zehn Jahren unterstreicht, dass die niedrige Bewertung nicht aus einem temporären Marktunverständnis resultiert, sondern aus fundamentalen Problemen im Geschäftsmodell. Ein weiterer kritischer Punkt liegt in der Substanzbewertung von Kraft Heinz.
Mit einem Buchwert von rund 49,3 Milliarden US-Dollar und einer durchschnittlichen Aktienanzahl von 1,215 Milliarden Aktien ergibt sich ein Buchwert je Aktie von etwa 40,60 US-Dollar. Im Vergleich zum aktuellen Kurs von 28,07 US-Dollar notiert die Aktie unter ihrem Buchwert, was viele Anleger als Sicherheit interpretieren. Doch Buchwerte können trügerisch sein. In der Lebensmittelindustrie spiegeln Buchwerte häufig die historischen Anschaffungskosten wider, ohne die Abwertung von Marken oder die zugrunde liegenden Herausforderungen der Branche angemessen zu berücksichtigen. Die niedrige Bewertung per Buchwert ist daher kein verlässlicher Indikator für den tatsächlichen Unternehmenswert oder die zukünftigen Ertragschancen.
Das Wachstumspotential spielt bei Kraft Heinz eine entscheidende Rolle. Das Unternehmen operiert in einem Marktsegment, das relativ gesättigt ist – der Konsum von Fertigprodukten, Snacks und Konserven entwickelt sich kaum dynamisch. Steigerungen des Umsatzes sind begrenzt, während Margendruck durch steigende Rohstoffkosten, veränderte Konsumgewohnheiten und zunehmenden Wettbewerb allgegenwärtig sind. Innovationen in diesem Bereich sind rar und zielen meist darauf ab, gesündere oder nachhaltigere Varianten bestehender Produkte zu schaffen, was mit höheren Kosten einhergehen kann. In Kombination mit einem langfristigen Verbrauchertrend hin zu frischen und weniger stark verarbeiteten Lebensmitteln gestaltet sich das Umfeld herausfordernd.
Investoren, die sich ausschließlich von der Dividendenrendite leiten lassen, laufen Gefahr, die Bedeutung von nachhaltigem Wachstum und Produktivitätssteigerungen zu unterschätzen. Kraft Heinz steht vor allem vor der Herausforderung, die Kapitalrendite zu verbessern. Das heißt, anstatt den Umsatz durch erhöhte Marktdurchdringung oder Produktinnovationen zu steigern, sollte das Unternehmen seine Anlagen und Ressourcen effizienter nutzen. Die Steigerung der Profitabilität durch Rationalisierung, Kostensenkungen und eine effektivere Produktion erscheint als realistischere Strategie. Allerdings sind die Erfolge in dieser Hinsicht bislang überschaubar geblieben.
Selbst Warren Buffett, der mit Berkshire Hathaway über Jahrzehnte sehr erfolgreich in Konsumgüterunternehmen investiert hat, hat Kraft Heinz nicht zu den Top-Performern zählen können. Während sein Portfolio zahlreiche Stars vorzuweisen hat, blieb Kraft Heinz ein lange Zeit enttäuschendes Investment mit einem deutlichen Kursrückgang. Dies mag auch damit zu tun haben, dass die Übernahme und die Verschmelzung von Kraft und Heinz damals recht ambitioniert waren, aber nicht die erwartete Synergie und Wachstumskraft entfalteten. Ein Wechsel in der Unternehmensführung, insbesondere mit der bevorstehenden Übernahme von Greg Abel bei Berkshire Hathaway, bringt möglicherweise neue Strategien und Impulse. Dennoch sollte man von einer schnellen Wende vorsichtig sein.
Die fundamentalen Herausforderungen sind tiefgreifend. Anleger sollten den Hype um hohe Dividendenrenditen und niedrige KGVs kritisch hinterfragen und sich ihrer langfristigen Perspektiven bewusst sein. Die Beispiel von Kraft Heinz lehrt darüber hinaus eine wichtige Lektion für alle value-orientierten Investoren: Ein niedriger Preis ist nicht zwangsläufig ein Schnäppchen. Aktien mit niedrigen Kurs-Gewinn-Verhältnissen oder unter Buchwert können tiefgreifende strukturelle Probleme ausblenden. Es ist existenziell, neben den finanziellen Daten vor allem die Geschäftsstrategie, Marktposition, Wachstumspotentiale und das Management sorgfältig zu analysieren.
Nur so lassen sich Value Traps vermeiden und nachhaltige Renditen erzielen. Neben den finanziellen Kennzahlen ist es ebenso interessant, die Conversion-Rates zu betrachten, also wie gut Marken im Marketing funktionieren und ob das Unternehmen neue Produkte erfolgreich am Markt platzieren kann. Kraft Heinz zeigt in diesem Bereich eher Schwächen. Verbraucherpräferenzen ändern sich rasant, Gesundheitsbewusstsein und Nachhaltigkeit gewinnen immens an Bedeutung. Unternehmen, die es nicht schaffen, sich schnell anzupassen, laufen Gefahr, Anteile an agilere Konkurrenten zu verlieren.
Insgesamt stehen also bei Kraft Heinz Produktivität und Effizienz im Vordergrund, nicht Wachstum. Management und Investoren sollten ihre Erwartungen daran anpassen. Für private Anleger bietet Kraft Heinz aktuell ein zweischneidiges Bild: Die Dividende lockt, doch langfristig sind Wachstumsperspektiven sowie das Risiko von Wertverlusten wichtige Faktoren, die gegen einen Einstieg sprechen. Im Vergleich dazu gibt es zahlreiche andere Konsumgüterunternehmen, die durch Innovation, Markenstärke und Anpassungsfähigkeit bessere Aussichten bieten. Deswegen empfiehlt es sich, vor einer Investmententscheidung gründlich zu prüfen, ob etwas wie Kraft Heinz wirklich die richtige Wahl ist oder ob eine diversifizierte Alternative mit gesundem Wachstumspotenzial und stabiler Marktstellung vorzuziehen ist.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass der scheinbar verlockende hohe Ertrag von Kraft Heinz den tiefer liegenden Problemen nicht gerecht wird. Value-Investing erfordert oft Geduld und Weitsicht, aber vor allem auch die Fähigkeit, vermeintlich günstige Werte kritisch zu hinterfragen. Kraft Heinz ist eine Mahnung, dass niedrige Bewertung und Dividenden allein kein Garant für eine erfolgreiche Anlage sind. Die Herausforderung liegt darin, das richtige Gleichgewicht zwischen Bewertung, Wachstum und Produktivität zu finden – und das macht diese Beteiligung trotz Warren Buffetts Engagement zu einer Investmentoption, die wohl besser gemieden wird.